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Sonntag, 17. Oktober 2021

Kopenhagen 2021 - Auf dem Weg zur grünen Metropole

Dieses Jahr ist - urlaubstechnisch - vom Nachholen, der aufgeschobenen, aber nicht aufgehobenen Reisen aus 2020, geprägt. Wir hatten unsere beiden Städtetrips aus dem vergangenen Jahr nicht abgesagt, sondern einfach um ein Jahr verlegt. Die Annahme war, dass es bis dahin wieder weitestgehend problemlos möglich sei zu reisen. Jedenfalls war unsere Denke im Herbst 2020 so. Das es: erstens: anders kommt, und zweitens: als man denkt, hat uns wieder einmal das Leben in diesen ungewissen Zeiten gezeigt. Der Trip nach Kopenhagen sollte im Juni stattfinden und es war auch alles mit dem Hotel und den Flügen entsprechend umgebucht, jedoch mussten wir, trotz der allgemein verbesserten Lage, feststellen, dass wir im Juni noch nicht in Dänemark einreisen durften. §=%$?"&, wie es immer in den Sprechblasen von Comics heisst, wenn es im TV ausgbeept worden wäre. Es musste also ein Plan B her und da wir für September eine Woche Urlaub hatten, und ich nicht um nochmal ein Jahr verschieben wollten, haben wir aus einer Woche kurzerhand zwei gemacht und den Trip drangehängt. Zwischenzeitlich sah es ja auch mal nicht so gut aus, weil die Inzidenzen wieder stiegen und Portugal, wo wor vorher hinwollten, kurzfristig Hochrisikogebiet geworden war, aber bis zu unserer Reise beruhigte sich die Lage wieder. Und nun kommt der Moment, wo ich gerne ein Zitat anbringe, aus dem Film für alle Lebenslagen: Superstau. "Taktisch muss man fahren." Immer dann hin, wenn die Mehrheit grade nicht hinwill... 

 

Gut, lange genug von der Vorbereitung erzählt, am Ende klappte alles und wir konnten unsere Reisen antreten. Nach einem Tag Zwischenstop zu Hause, ging es umgehend weiter in den Norden. Die Reise klappte gut, und auch das ich bei Kathrins Namen einen Tippfehler bei der Buchung gemacht hatte, wurde uns nicht zum Verhängnis, sondern wohlwollend ignoriert. Wir flogen relativ pünktlich los und kamen auch entsprechend an. Die Einreisekontrollen waren lasch. Im Vorbeigehen wurden wir von ein paar jungen Leuten im Outfit eines staatlichen Coronaansprechpartners gefragt ob wir geimpft seien. Unser Ja reichte schon und es wurde nichts kontrolliert. Somit waren wir im Land und wurden an Infotafeln und mit Faltblättern darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Beschränkungen aufgehoben seien. 

 
 
Das SP34

Die Fahrt mit der Metro in die Stadt ist nicht nur die günstigste Alternative in einem ansonsten teuren Land (aber dazu komme ich noch), sondern auch eine ungewöhnliche. Das U-Bahnnetz wird vollautomatisch und zentral gesteuert und keine der Bahnen hat mehr einen Schaffner. Was wir hier bestenfalls vom Flughafen kennen, ist eine Zukunft, die im Land der Wikinger schon Realität ist. Nach einer halben Stunde waren wir in der Stadt und liefen zu unserem Hotel, das SP34. Witzigerweise steht das für die Adresse des Hauses. Schon auf dem Weg dorthin bemerkten wir, dass die Stadt von vielen Radfahrern bevölkert wird. Es gibt an jeder breiteren Straße entsprechende Radwege und, der erste Eindruck vermittelte, dass Radfahrer nicht unbedingt Opferrollen hatten, sondern es durchaus gesittet auf der Straße zuging. 

 

Fahrräder gibt es dort einige. Blumen auch...

Für das Hotel waren wir viel zu früh, aber das war kein Problem, denn wir hatten noch etwas Programm vor uns. Das Wetter war für diesen Tag gut und sollte die folgenden Tage eher schlechter werden, weswegen wir noch einiges im Freien machen wollten. Also zogen wir auch umgehend los und stärkten uns in einem nahegelegenen Café. Ich weiß noch was wir hatten, denn das vergisst man nicht so schnell. Zwei Espressi, zwei Säfte und einen Muffin. Insgesamt standen dafür 150DKK zu Buche. Ok, man zahlt schnell mal mit der Karte und macht sich keine Gedanken, aber ich habe mir angewöhnt immer mal umzurechnen was Dinge kosten um zu wissen wo wir stehen und ein Gefühl für Preise und den Gegenwert zu bekommen. So entsprachen diese Kleinigkeiten etwa 20€ und die Infos, dass Dänemark recht teuer sei, bekamen damit klarere Konturen.


 
 
Dieses Plakat fand Kathrin sehr witzig. Als ich ihr in Aussicht stellte, wie ich mit Champagnerduschen mit der Partycrowd feiern würde, nahm sie mich doch mit

Für unseren Spaziergang hielten wir uns an eine Empfehlung aus unserem Reiseführer, die wir, wie wir es immer gerne machen, etwas abwandeln, wenn wir etwas Schönes sehen oder etwas in der Nähe ist, das wir auch noch sehen möchten. So war es auch hier. Wir bewegten uns in der Indre By, der Innenstadt. Vorbei an der Universität und der Frauenkirche, begaben wir uns auf die Stroget. Das ist Kopenhagens bekannteste Einkaufsstraße und angeblich auch die längste Fußgängerzone der Welt. Es fängt alles ganz harmlos mit den üblichen Modeshops für Fast Fashion und den kleinen Geldbeutel an, um immer exklusiver zu werden, je näher man zur Amagertorv mit seinem tollen Storchenbrunnen kommt. Dort, und in der nahen Umgebung ist für die meisten eher Windowshopping angesagt, und doch war bei LV eine Schlange vor dem Laden... Uns kümmerte das nicht, denn wir bogen ab um zum Rundturm zu gelangen. Von dort sollte es einen schönen Ausblick auf die Stadt geben. Man steigt dort weder über Treppen hinauf, noch gibt es einen Aufzug. Ein spiralförmiger Aufgang brachte uns in 35m Höhe. Das diese Konstruktion auch anders nutzbar ist, zeigte sich im Jahr 1716 als Zar Peter der Große sich eines Pferdes bediente, um bei seinem Besuch hinauf zu gelangen. Ich frage mich, ob ihre Hoheit sich einfach für zu besonders hielt um den Aufstieg selbst zu bewältigen oder einfach ne coole Socke war. Wahrscheinlich eher ersteres. Der Ausblick ist wirklich ganz schön, und es fiel uns auf, dass es praktisch keine Hochhäuser gibt. In der Ferne konnte man sogar die Öresundbrücke erkennen, die Dänemark mit Schweden verbindet, genauso wie Windräder, die die Bestrebung des Landes nach Klimafreundlichkeit unterstützen.

 
 
 
 Der Rundturm und der Ausblick

Wir wichen etwas von der vorgegeben Route ab und folgten der Jugend, die bestückt mit Dosenbierpaletten, Wasserflaschen und Säften in Richtung des Kongens Havn, des königlichen Gartens, liefen. Es war Freitag und das Wetter war gut. Der Park war wie ein Magnet, denn hinter den Hecken offenbarte sich ein gigantisches Picknick. Hunderte von Jugendlichen saßen, standen, unterhielten sich und spielten verschiedene Spiele. Alles sehr entspannt und friedlich. Zunächst fragten wir uns was los sei und ob es ein Wochenendritual sei, aber dann fiel uns ein, dass Dänemark nun Corona für "beendet" erklärt hatte und damit alle Restriktionen fallen gelassen worden waren. Wenn das mal kein Grund zum Feiern war. Uns zog es weiter zum Schloß Rosenborg. Das haben wir aber nur von außen betrachtet, denn wir hatten ja noch ein bisschen was vor und es wäre nur etwas für schlechtes Wetter.

 
 

 Rosenborg
 
Das nächste Schloß liegt gar nicht weit entfernt. Amalienborg hat aber den Unterschied, dass es kein Museum ist, bzw nur zu Teil, denn die Königsfamilie residiert hier noch, jeder Zweig in einem bestimmten der vier um den Platz angeordenten Palais`. Als wir da so rumstanden brause jedenfalls ein großer RR an uns vorbei und verschwnd hinter einem der schweren Tore. Es befand sich aber kein Gast im Fond. 
 

 


Amalienborg und der Hafen
 
Nachdem wir den Platz verlassen hatten eröffnete sich uns ein Blick auf den Hafen, wo gerade ein Segelboot in See stach. Hier stellte sich bei uns auch erstmals dieses "nordische Feeling" ein. Man sitzt am Wasser, eine leichte Brise weht von der See und über uns blauer Himmel... So liessen wir es uns gefallen während wir weiter schlenderten und auch Kanäle und Brücken zu sehen bekamen. Denn kurz darauf erreichten wir eine der fotogensten Ecken. Nyhavn ist ein kleiner Hafenarm, der gesäumt wird von bunten Häusern, ehemaligen Proviantläden und Tavernen - also nichts anderes als heute auch. Die sonnenzugewandte Seite ist, wie gesagt, dem Gastgewerbe zuzuordnen. Hotels, Restaurants und Cafés sind hier, vor allem bei gutem Wetter, sehr gut besucht. Davon konnten wir uns auch live überzeugen, denn auch hier blühte das Leben. 
 


Nyhavn 

Die moderne Inderhavensbroen, eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke, brachte uns auf die Seite von Christianshavn. Dort liefen wir in Ufernähe und genossen die entspannte Atmosphäre entlang der vielen Kanäle, die die einzelnen kleinen Inseln der Umgebung miteinander verbinden. Für diese entspannte Stimmung gibt es einen Begriff, der es schon über die Landesgrenzen hinaus geschafft hat: Hygge. Hygge steht für ein entspanntes und angenehmes Lebensgefühl. Man macht es sich gemütlich und umgibt sich mit netten Menschen. Man geht schön essen und genießt ein ausgedehntes Mahl mit guten Gesprächen. Aber auch die oben erwähnten Picknicks usw... Alles hyggelig! Und wir müssen zugeben, dass die Dänen durchaus gesellig, fröhlich und entspannt sind. Nicht ohne Grund zählen die Dänen zu den zufriedensten Völkern überhaupt, wie schon mehrere Umfragen bestätigt haben. Sowas wie Sozialneid oder Mißgunst ist in diesem Land scheinbar weniger verbreitet als anderswo. Das mag auch daranliegen, dass die Schere zwischen arm und reich weniger stark ausgeprägt ist als in anderen Ländern. Das Sozialsystem funktioniert und ein Großteil der Bevölkerung verdient um das Durchschnittsgehalt im Land. Auch liegt in der Mentalität der Dänen eine gewisse Bescheidenheit, Janteloven genannt, in der man weniger die Leistung und Erfolg des einzelnen, sondern meist die Gemeinschaft als Grund für das Erreichte nennt. Unabhängig davon aber darf man nicht vergessen, dass es viele Dänen gibt, die unglaubliche Reichtümer angehäuft haben. Seien es die Maersk oder auch die Erben von Carlsberg und anderen Brauerein. Alle sind sie weltweit bekannt.
 
 

Ziemlich viele Kanäle durchziehen die Stadt

Über den Gammelstrand (ja, das gibt es wirklich) gelangten wir durch die kleinen Gassen der Altstadt wieder zu unserem Hotel. Dort war unser Zimmer schon fertig und so konnten wir uns für den Abend frischmachen. Zum Abendessen ging es dann ins Stadion, wo mit dem Geranium ein hervorragendes Restaurant liegt. Das wir dort waren, war am Ende auch ein stückweit glücklich, denn die Reservierung hatte ich schon vor über 1.5 Jahren gemacht. Aber durch die netten Mitarbeiter konnten wir die Reservierung mehrfach verschieben ohne irgendwelche Nachteile. Die Anreise lohnt sich, denn dort wird die vielgelobte nordische Küche serviert, die in den letzten Jahren die Welt erobert hat. Es war ein Besuch, auf den wir uns schon lange gefreut hatten und trotz knapp 4 Stunden Zauberei, verging die Zeit wie im Flug. 

Das Geranium

Ja, Thema Essen. Die "Neue nordische Küche", die Mitte des ersten Jahrzehnts des 21JH als eine Art Manifest ins Leben gerufen wurde, basiert auf Grundlagen, die heute auf der ganzen Welt kopiert werden. Diese sind u.a.: Saisonalität, Regionalität und Nachhaltigkeit. Man verschrieb sich den lokalen Produkten Skandinaviens, was dazu führte dass mit Zutaten gekocht wurde, die man vorher eher selten in Töpfen fand, bzw deren Verwendung Gefahr lief, in Vergessenheit zu geraten. Initiatoren waren die Gründer des Noma, einem der besten Restaurants der Welt, das noch heute ziemlich strikt an dieses Manifest gebunden ist. Andere Häuser haben einen etwas anderen Weg eingeschlagen und nutzen auch Zutaten aus anderen Ländern, aber der Grundgedanke der NNK ist immernoch sehr präsent in der Gastroszene Kopenhagens. Unabhängig davon ist die Dichte an leckerem Essen, das einerseits traditionell, andererseits innovativ ist, enorm hoch. Die Kreativen der Küche haben immer wieder neue Ideen bzw verbessern bereits Bekanntes stets weiter, so dass die Stadt bei Gourmets bzw Menschen die gerne gut essen, immer auf dem Radar ist um auch neue Trends zu erkennen. 

Für uns begann der folgende Tag mit einem guten Frühstück im Hotel. Es hatte nachts geregnet und wir überlegten was wir indoor machen könnten. Nach einigem Suchen fanden wir ein Museum, das in ehemaligen Zisternen unterhalb der Stadt liegt. Dort wollten wir hin und taten das auch. Weil es nicht mehr regnete, gingen wir zu Fuß und nutzten die Gelegenheit um durch Frederiksberg und Vesterbro zu schlendern. Vesterbro, das konnten wir erkennen, ist ein Viertel, das gerade im Umbruch ist. Die Szene ist eher alternativ und jung, aber es wird auch viel renoviert und man kann hier und da schon erkennen, dass eine gewisse Gentrifizierung stattfindet. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass Kopenhagen zu den teuersten Städten der Welt zählt und günstiger Wohnraum irgendwann halt nicht mehr günstig ist weil Zugezogene bereit sind mehr zu zahlen. Trotzdem, und das ist uns oft aufgefallen, scheinen die meisten irgendwie zufrieden zu sein. Man scheint jedem das zu gönnen was er sich leisten kann und wir haben praktisch keine Spuren von Vandalismus oder ähnlichem gefunden. Vielmehr hatten wir das Gefühl, dass die meisten sich an dem gepflegten Bild der Stadt erfreuten. Ob das auch wieder hygge ist?

Vesterbro

Die Zisternen waren ausgebucht. Mit sagenhaften 6 Leuten war die Bude voll! Ok, das Besondere daran war, dass der Besuch teilweise auf einem kleinen Boot hätte stattfinden sollen und somit wirklich nicht viel Platz war. Dennoch eine Enttäuschung. Aber das Gute war, dass das Wetter besser wurde und wir deshalb den gegenüberliegenden Frederiksberg Park für einen Spaziergang besuchen konnten. Und was soll ich sagen? Es war traumhaft. Die Sonne kam immer mehr raus und aus einem kurzen Abstecher wurde ein ausgedehnter Walk durch den herbstlichen Park. 

 

Frederiksberg

Hinterher mussten wir uns natürlich stärken und das machten wir mit einem Klassiker der dänischen Küche. Wer kennt nicht den Koch aus der Muppet-Show wie er seine Smørrebrod anpreist? Nun war es an der Zeit diese kulinarische Lücke zu schließen. Smorrebrod sind im Prinzip gut belegte Butterbrote. Klassische Versionen sind solche mit Krabbensalat oder aber mit gekochten Kartoffeln und Roter Beete. Also haben wir die Brote bestellt: "Zwei Smørrebrod und zwei Säfte. Was macht das bitte?" "210DKK" "Was kosten die Smørrebrod?" "Jedes 70DKK" "Ok, dann nehmen wir nur die Säfte"... Ok, Scherz beiseite, aber das war wirklich ne ernste Sache. Uns haben diese paar Sachen plus noch zwei Espressi umgerechnet 40€ gekostet. Also 10€ für eine Scheibe Brot mit Belag hat sie defintiv zu unseren teuersten Butterbroten ever gemacht. Ever, ever... Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein. Es war Urlaub und geschmeckt haben sie trotzdem. Aber einen Tipp habe ich noch: Kauft bei Netto! Das ist die örtliche Supermarktkette, die durch halbwegs soziale Preisgestaltung angenehm auffällt. Eine Flasche Wasser liegt hier bei etwa 2€, und nicht bei 5€ wie in einigen anderen Läden.

Die Wikinger kommen heutzutage mit dem Fahrrad

Frederiksborg war, obwohl nur durch eine Straße von Vesterbro getrennt, ganz anders. Gediegene Eleganz mit schönen Einfamilienhäusern (ok, bestimmt ist es nicht überall dort so) und feudalen Häusern aus der Gründerzeit, war ein ziemlicher Kontrast zu den Ecken von Vesterbro, wo allerdings auch schöne Bausubstanz existiert. Wir schlenderten ein wenig rum um mit der Metro zu einem anderen highlight zu gelangen. 

Metrostation

Assitens Kirkegard ist der bekannteste Friedhof der Stadt. Wer unserem Blog folgt, der wird schon gemerkt haben, dass wir gerne mal Friedhöfe besuchen. Das liegt nicht daran, dass wir irgendwie der Gothicszene anhängen, sondern eher daran, dass Friedhöfe extrem friedliche und ruhige Orte sind und einen eigenen, morbiden Charme haben. Wenn man dem Trubel der Stadt entkommen will, empfehle ich dringend den Besuch eines Friedhofs. Ob es daran liegt, dass man damit immer den Ort der letzten Ruhestätte verbindet, weiß ich nicht, aber die Atmosphäre ist gleich viel gedämpfter und man selbst reduziert auch gleich den eigenen Takt. Die Besonderheit an diesem Friedhof liegt daran, dass ein Teil gleichzeitig auch ein Park ist. Das heisst, dass in einigen Bereichen des Parks auch alte Gräber liegen, und in unmittelbarer Nähe sitzen die "hyggeligen" Dänen und genießen ein Picknick im Grünen. All das wirkt ganz selbstverständlich und nicht pietätlos. Es wird auf Abstand geachtet und so erlebt man den ungewöhnlichen Kontrast von Tod und Leben wie er ist: Beides gehört unweigerlich zusammen. So einen Friedhof hatten wir noch nie gesehen. Jedenfalls war er beeindruckend und es liegen dort auch Berühmtheiten wie Niels Bohr und Hans-Christian Andersen begraben. 

 

Assistens Kirkegrad und ein paar Picknicker

Kopenhagen ist eine ziemlich grüne Stadt. Sei es einerseits wegen der vielen Parks und Grünflächen, aber auch wegen der grünen Revolution, die dort schon in vollem Gange ist. Fahrräder gehören seit Jahren zum alltäglichen Straßenbild, und erfreulicherweise sehr wenige davon sind E-Bikes. Ok, ich mag sie einfach nicht, aber das ist ein anderes Thema. Nein, die grüne Revolution bezieht sich auf die Nutzung alternativer Energien und darin sind die Dänen durchaus weit vorne mit dabei. Wind- und Wasserkraft ist in üppigem Maße vorhanden und wird auch zur Erzeugung von Strom verwendet. Kopenhagen (und Dänemark im allgemeinen) hat sich Klimafreundlichkeit auf die Fahnen geschrieben und setzt die Pläne auch konsequent um. Bis 2025, ja genau, soll die Stadt klimaneutral werden. Das gelingt nicht nur mit den Windparks, die z.B. genossenschaftlich finanziert werden, sondern auch beim Bau, wo Energieeffizienz selbstverständlich ist. Auch das die schweren Kähne aus dem Hafen verbannt wurden trägt zum Wohlgefühl und einer gesünderen Umwelt bei. Inzwischen gibt es mehrere Hafenbäder, wo man bedenkenlos baden kann, denn die Wasserqualität ist auf einem top Niveau. 

Wasser ist allgegenwärtig

Im Kadeau haben wir dann unser Dinner gehabt. Auch hier wieder wunderbar klares, schlichtes Design ohne viel Schnickschnack. Nichts sollte vom Essen ablenken, aber diese elegante Schlichtheit ließ doch immer wieder unsere Blicke schweifen. Beim Eintreffen leitete man uns in einen kleinen Wintergarten, wo schon ein Pärchen saß. Wir bekamen einen Aperitif gereicht und auch die ersten Grüße aus der Küche, bevor es dann in den Hauptsaal ging. Wir waren die ersten Gäste und ich stellte fest, dass am Nachbartisch eine dänische Flagge stand. Natürlich wollte ich wissen, warum die anderen beiden eine hingestellt bekommen hatten, während wir dieses nette Gimmick nicht bekamen. Man erklärte uns, dass eine Person Geburtstag hat und es in Dänemark Sitte sei den Dannebrog (so heisst die dänische Flagge) zu besonderen Anlässen zu hissen bzw präsentieren. Aber dazu komme ich auch gleich noch. Das Erlebnis im Restaurant war großartig. Wieder hatten wir es mit einer saisonalen Küche zu tun, die aber auch Zutaten aus anderen Regionen mit einbezog. Daraus entstanden dann Köstlichkeiten, die teilweise mehrere Tage im voraus schon vorbereitet wurden und anschließend von den Köchen präsentiert und erklärt wurden. 

 
 
 

Kadeau

Der Dannebrog... In Kopenhagen, und ich nehme mal an im Rest des Landes auch, taucht er doch recht oft auf. Sei es an Fenstern oder als schmückendes Beiwerk z.B. beim Bäcker. Scheinbar gibt es überall Verwendung für ihn. Es ist die älteste Fahne der Welt (seit über 700 Jahren) und wer sich mal einlesen möchte, wird so einige Kuriositäten darüber finden. So gibt es z.B. ein Handbuch, das "Anweisungen zum korrekten Gebrauch des Dannebrog" gibt. Darin steht u.a., dass ein Dannebrog, der nicht mehr ansehnlich ist, verbrannt werden soll um nicht als Putzlumpen o.ä. zu enden. Auch soll ein Dannebrog nachts eingeholt werden, da man ansonsten den Teufel grüßt. Und so gibt es auch kaum einen Anlaß, zu dem es keine Anweisung zur ordnungsgemäßen Verwendung gibt. Irgendwie sind die Dänen ja scheinbar auch ein bisschen Regelverliebt wie die Deutschen. 

Der Sonntag, Überraschung Überraschung, startete doch nicht mit Regen. Dennoch hatten wir uns für den Vormittag schon auf ein Museum geeinigt, das in der Nähe lag, nämlich des Nationalmuseum. Hier findet man die Geschichte des stolzen Landes, von der letzten Eiszeit bis heute, in vielen Exponaten erzählt. Auch vieles, womit man die Dänen nicht unbedingt in Verbindung gebracht hätte, bekommt man zu sehen. Es gibt auch einen Medialen Raum, der neben vielen Exponaten, u.a. dem größten bekannten Wrack eines Wikingrschiffs, eine multimediale Ausstellung zu den bekanntesten Vertretern des Landes beinhaltet. Alles in allem sehr interessant, aber auch Material für zig Stunden, statt für ca 3, die wir dort verbrachten. 

 
 
 
Im dänischen Nationalmuseum

Als das Wetter wieder gut war, mussten wir doch noch einen Radausflug machen. Die tollen Radwege waren einfach zu verlockend und mit dem Rad kann man gut Strecke machen um ein paar Ziele zu erreichen, die zu Fuß doch zu weit auseinander liegen. Zuerst rollten wir zur Kleinen Meerjungfrau. Wenn ich euch fragen würde wo ihr sie vermuten würdet, was würdet ihr sagen? Ich hatte sie eigentlich immer im Stadtzentrum verortet und war überrascht, dass sie doch eine Ecke entfernt davon liegt. Es ist also eher ein Umweg, weil es dort nicht soviele Attraktionen gibt. Jedenfalls kamen wir dort an und mussten nur die Menschentraube finden um zu wissen wo wir uns anstellen mussten. Im Endeffekt ist sie schon ein Muß, aber spektakulär ist anders.

 
 
Die kleine Meerjungfrau und das drumherum 

Weiter ging es zu einem anderen Ort, der uns interessierte: Christiania. Christiania ist insofern ein besonderer Ort, weil er sich als Freistaat bezeichnet. Es liegt auf Christianshavn und war einmal eine Militärkaserne. Im Jahr 1971 wussten einige Bewohner von Christianshavn nicht mehr wo sie ihre Kinder noch spielen lassen konnten und schnitten kurzerhand ein Loch in den Zaun der weitestgehend verlassenen Kaserne. Dies war praktisch der Startschuß für etwas, das in Hausbesetzung, Anarchie und Autonomie mündete. Eine Alternative zum angepassten Leben einer Stadt, wo jeder sein Recht auf einen Rausch hat (Hasch ist frei verkäuflich und wird auch von der Staatsmacht toleriert) und sich ziemlich frei entfalten kann. Sogar eine eigene Fahne gibt es: Drei gelbe Punkte auf rotem Untergrund sind die Farben des Freistaats. Während früher davor gewarnt wurde sich hinein zu begeben, ist das heute problemlos möglich. Wir waren am Ende etwas enttäuscht, denn zwar gibt es noch die Kreativen, die hier ein sicherlich bezahlbares und anregendes Umfeld finden, aber inzwischen geht es doch zu sehr um den Rausch. Im Zentrum befindet sich die sog. Pusher Street, wo etwa 20 Händler mit Bauchladen ihren Stoff verkaufen. Man tritt heran und bekommt seine Ware, um wenig später zu entschweben. Drumherum schwankt das Publikum zwischen abgewracktem Daueralki und bekifften Juniors in Baggy Klamotten. Hier sollte man auch die Kamera tunlichst in der Tasche behalten. Viele der Gebäude sind doch eher in bedauerlichem Zustand. Jedoch ist ein Blick nach oben immer zu empfehlen. So auch hier, denn es offenbarte sich bei einigen Häusern, dass in den obersten Etagen nicht unbedingt hängengebliebene Althippies wohnen. 

 
 
Ein paar Eindrücke von Christiania

Für den Abend hatten wir einen Tisch im Gro Spiseri. Ein neuer Trend dort sind Dachgärten. Auf großen Flachdächern werden die nicht genutzten Flächen etwas umgemodelt und zu Anbaufläche umfunktioniert. Das klappt wirklich ganz gut und es gibt immer mehr Hausgemeinschaften und Nachbarschaften, die so ihr Gemüse für den Eigengebrauch ziehen. Das alles in der Stadt, wo Grund und Boden sonst sehr teuer ist. Das Gro Spiseri ist auch ein solcher Garten und hier kommt noch hinzu, dass man sich gedacht hat ein Essenskonzept anzubieten. In einem Gewächshaus finden 14 Leute Platz und bekommen ein mehrgängiges Menü aus den Gaben des Gartens, aber auch ein paar zugelieferten Zutaten, serviert. Uns wurde vorher erklärt, dass man das alles nach ökologischen Gesichtspunkten gestaltet hat und man auf Vermeidung von Müll sowie Kreislaufwirtschaft achtet. So bekommt man z.B. auch nur ein Besteck für alle Gänge. Alles kein Problem, denn zu hause ist es ja meist auch nicht anders. Das neue Team war gerade eine Woche am Start und wir erfuhren, dass die Köche aus Argentinien stammen und sich auch erstmal mit vielen Zutaten auseinandersetzen mussten, die sie gar nicht kannten. Dennoch ist ihnen ein beachtliches Menü gelungen, dass alle Gäste zufrieden gehen ließ.

 
 
 
 
Das Gro Spiseri

Da wir einen Rückflug für Montag gebucht hatten, und wir noch Zeit für ein Museum gehabt hätten, wollten wir noch Christiansborg besuchen. Das ehemalige Schloß in der Stadtmitte hat den Übergang von der Monarchie zur Demokratie exemplarisch mitgemacht, als dass heute nicht mehr die royale Familie dort lebt, sondern das Folketing, das Parlament dort tagt. Es ist ein Komplex von mehreren Attraktionen, die aber dummerweise Montags nicht geöffnet haben. Somit konnten wir diesen Plan begraben und haben nochmal einen kleinen Spaziergang gemacht, u.a. zur Torvehallerne, der Markthalle, die, in neuem Gewand, von Küchenutensilien bis zu Obst und Gemüse alles bietet. Man kann dort auch verschiedenste Spezialitäten probieren und so haben wir uns kurz vor der Abreise nochmal gestärkt, bevor es kurz los ging.

Wie gesagt, gilt seit Anfang September Corona in Dänemark nicht mehr als gesellschaftskritische Krankheit und alle Restriktionen wurden damit abgeschafft. Überall in Dänemark? Nein, ein kleiner Ort südlich von Kopenhagen, genannt Kastrup und Treffpunkt von Menschen aus Nah und Fern beharrt weiterhin auf Maskenpflicht, egal woher man kommt. Fassen wir also nochmal kurz zusammen: Man steht auf, läuft ohne Maske und Abstandsregeln durch die Stadt, steigt dann zu zig Menschen in die Metro, auch alle ohne Maske, und fährt zum Flughafen, wo man sie beim Aussteigen wieder aufsetzen darf. Naja, zum Glück wundert uns das ja nicht, denn solche unsinnigen Regeln kennen wir ja schon von daheim und auch aus anderen Ländern. 

Zum Abschied haben wir noch ein Plakat am Flughafen gesehen auf dem stand: Travelling makes you richer. Das kann ich von Kopenhagen, zumindest aus finanzieller Sicht, nicht bestätigen. 

Kopenhagen stand schon lange auf unserer Bucketlist. Man vergisst gerne, dass zwischen Deutschland und Schweden noch ein kleiner Landstrich ist, jedoch völlig zu unrecht. Wir konnten zumindest einen kleinen Eindruck gewinnen. Die Stadt hat uns gut gefallen und vor allem haben uns die Innovationskraft im sozialen Bereich, als auch die Selbstverständlichkeit, mit der ökologische Aspekte umgesetzt werden, beeindruckt. In vielerlei Hinsicht kann diese Stadt als Beispiel für andere Länder gelten und hoffentlich finden viele der Ideen auch Nachahmer in anderen Ländern. Es wäre ein Schritt in Richtung einer gerechteren Welt, und auch einer gesünderen. 

Tak Kopenhagen




Samstag, 18. September 2021

Lissabon 2021 - Lecker und mehr...


Wir waren mal wieder in Lissabon, wie sich unschwer erkennen lässt. Für uns ist es eben einer der schönsten Orte der Welt und immer wieder eine Reise wert. Nachdem es letztes Jahr nicht geklappt hatte, haben wir die Reise kurzerhand verlegt und sie, nach einer weiteren Umbuchung, antreten können.

In den letzten Jahren haben wir hier ja schon ein paar Eindrücke der Stadt gezeigt und vielleicht kommt in einem späteren Eintrag noch etwas von diesem Trip dazu, aber in diesem Post will ich erstmal auf einen anderen Aspekt eingehen, den wir dieses Jahr viel deutlicher wahrgenommen haben. Vielleicht liegt es ja am Alter. 

Ganz gut, aber es gibt noch soviel mehr

Lissabon ist nicht nur eine historische, kulturell wertvolle Stadt, sondern auch Melting Pot für Menschen aus aller Herren Länder, insbesondere der ehemaligen Kolonien. Diese Menschen bereichern die heimischen Traditionen und Gepflogenheiten mit den eigenen und sorgen für eine Vielfalt an Eindrücken, die auch durch die mitgebrachten Lebensweisen ergänzt werden. Man sagt so schön, dass Liebe durch den Magen geht, und auch zur Völkerveständigung leistet gutes Essen durchaus seinen Beitrag. Somit will ich ein wenig über die Gastronomie und unsere eigenen Eindrücke aus den Restaurants der Stadt erzählen.

Bevor wir in Urlaub fahren, pflegen wir unsere Hauptmahlzeiten (i.d.R. Abendessen) vorher zu buchen. Das hat sich bewährt, weil wir dadurch tagsüber nicht in Hektik geraten etwas für den Abend finden zu müssen und uns auf Wichtigeres konzentrieren können. Es hat auch einen weiteren Grund, nämlich den, dass man mit Vorlauf auch noch Plätze in  beliebten Restaurants bekommt, die kurzfristig eher unwahrscheinlich wären. Außerdem kochen wir gerne und auch ganz passabel, was uns eher neugierig auf das macht, was wir nicht hinbekommen würden. 

Also los geht`s. Was kennt man so an portugiesischen Spezialitäten? Bacalhau (Stockfisch)... Ok. Sardinen... Ja. Pasteis de Nata... sehr gut. Fangen wir mal mit letzterem an, weil es einem in Lissabon überall begegnet und inzwischen auch über die Landesgrenzen hinaus einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Die Pasteis de Nata heissen im Original "Pasteis de Belem" und wurden im 18Jh von den Mönchen des Hieronymusklosters erfunden. Später, im Jahr 1837 fing ein Konditor in einer nahegelegenen Bäckerei an, die Törtchen zu backen, nachdem er das Originalrezept von den Mönchen erworben hatte. Dies gilt noch heute als Betriebsgeheimnis und nur Wenige kennen es in Gänze. Die Bäckerei ist heute ein Touristenmagnet, aber auch bei den Einheimischen sehr beliebt. Die Törtchen selbst gibt es aber (nicht unter dem Originalnamen) praktisch überall und wenn man mal in Lissabon ist, sollte man sie probieren.

 
Am ersten Abend besuchten wir Joao Sá, einen hervorragenden Koch, in seinem Restaurant Sála. Dort wird eine saisonale Küche mit internationalen Einflüssen serviert, die er in diversen Küchen des Landes, aber auch im Ausland erlernt und verfeinert hat. Das Sála steht im portugiesischen für den Wohnbereich eines Hauses und hier soll man sich auch zu Hause fühlen. Dafür sorgte eine äußerst nette und kompetente Servicetruppe. Das Menü war nicht sonderlich umfangreich, hat uns aber sehr gut geschmeckt. Es basierte auf diversen Fischen und Meeresfrüchten von der heimischen Küste, die man auch immer wieder auf den lokalen Speisekarten findet. Modern interpretiert wurden sie z.b. durch Moqueca Soße, einer Spezialität aus Brasilien, oder Caril, einem Goa-Curry. Alles in allem eine sehr runde Geschichte und ein sehr guter Auftakt in Lissabon.
 
 
 
 

Was in Lissabon, und nicht nur dort, inzwischen eine ziemlicher Hype ist, und dabei fällt mir das Lied von Snap ein "Don`t believe the hype", ist gesundes Essen. Vor allem zum Frühstück bekommt man inzwischen oft in trendigen Cafés: Smoothies, Bowls, Avocadosandwiches usw. geboten. Dabei reichen die Zutaten von besagten Avocados, über Gojibeeren bis zu Acai oder noch exotischeren Wundermitteln für die bewusste Ernährung. Zugegeben, das Zeug schmeckt meist auch ziemlich gut und die Präsentation sind auch teilweise echte Kunstwerke. Manchmal ist aber auch eine einfache Stulle, oder dort eine "Sandes mit Fiambre und queijo" (Schinken und Käse) was Feines. 

 
 

Und da wären wir schon beim zweiten Abend und dem Attla. Ein Restaurant, das schon beim letzten Mal unsere Neugierde geweckt hatte. Hintergrund war der Chef, André Fernandes, der seine Sporen schon überall auf der Welt verdient hat, nämlich in diversen Ländern Europas, aber auch u.a. in Brasilien, Laos, Costa Rica und PNG. Zurück in seiner Heimat hat er das Attla eröffnet. Es ist eine Hommage an seine Wurzeln am Atlantik und die Welt, das durch das Wort Atlas abgeleitet wird. Hier serviert er internationale Kreationen mit Waren, die er fast ausschließlich von regionalen Zulieferern bekommt. Heraus kommen solche Sachen wie Dorade mit Kimchi aus roten Früchten,  gebratene Jungzwiebel mit Barrigoule Soße oder aber Kürbisravioli mit Thaibasilikumbutter und Paprikaöl... Alles basiert auf dem Konzept "Sharing is caring" und somit ist es zum gemeinsamen Verzehr aller Tischgäste gedacht. Was soll ich sagen? Wir haben uns in dieses Restaurant verliebt, denn solch intensive Aromen und dazu so gelungen komponiert findet man wenige. Leider ist die Lage nicht so zentral, was auch wir zu spüren bekamen, weil wegen der anstehenden Wahlen und einer Podiumsdiskussion der Kandidaten im Freien, der Verkehr umgeleitet werden musste. Wer aber den Weg dorthin findet, wird bestimmt nicht enttäuscht, wenn er eine gewisse Experimentierfreudigkeit mitbringt.

 
 

Anfang September ist es zwar noch etwas früh, aber wir haben sie schon gerochen: die ersten gebrannten Maronen. Wir waren etwas überrascht, denn normalerweise gibt es sie erst Ende September/ Anfang Oktober, aber scheinbar hat auch in diesem Business der Klimawandel seinen Einfluss und sie reifen früher. In den kommenden Wochen jedenfalls werden die Straßen wieder duften nach diesen Leckereien und an fast jeder Straßenecke werden die mobilen Verkäufer an ihren kleinen Öfen stehen und sie Tütchenweise verkaufen. Auch das gehört nämlich zu Portugal. 

Das Epur war für uns eigentlich nur ein "Nachrücker", weil ein anderes Restaurant uns kurzfristig abgesagt hatte. Jedoch wurden wir nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Mit seiner Lage am Rande des Chiado liegt es schon in einer fürstlichen Gegend. Beim Betreten des Restaurants kann man gleich einen Blick in die atemberaubend schöne Küche erhaschen und dem Maître zusehen bevor man, ein paar Schritte später, das eigentliche Highlight der Location, nämlich den unbezahlbaren Blick auf die Baixa und die Burg genießen kann. Vincent Farges ist ein französischer Koch, der schon seit Jahren in Portugal arbeitet. Zunächst war er Herr in der Fortaleza do Guincho und hat sich dort seinen ersten Stern erkocht, den er auch bis zu seinem Abgang 2017 hielt. In seinem eigenen Restaurant hat er sich der kulinarischen Annäherung von Portugal und Frankreich verdient gemacht. Seine Küche ist klar dem frankophilen Raum entsprungen, jedoch hat auch er fast nur regionalen Bezug von Zutaten und verquickt beide Küchen auch in einigen Gerichten zu sehr gelungenen Fusionen. So puristisch wie die Räume sind auch die Gerichte, die seine Handschrift tragen. Kleine Kunstwerke mit tollen Details und feinen Nuancen in den Geschmacksnoten. Auch der Service stand in nichts nach. Die Sonderwünsche wurden beachtet und das wir den gewünschten Fensterplatz bekamen, kann bei diesem Ausblick nicht hoch genug angerechnet werden.


 
 
 
 

Der Sommer ist heiss in Portugal. Dieses Jahr vielleicht nicht ganz so wie die Jahre zuvor, aber immernoch besser als hierzulande. Was passt also besser als ein Eis? In den vergangenen Jahren haben die Italiener Konkurrenz bekommen. Nicht nur beim Fußball, sondern auch beim Eis. Ja genau. Es haben sich einige Manufakturen hervorgetan, die mit wirklich leckerem Eis aus eigener Produktion aufwarten können. Neben dem landesweit bekannten Santini Eis, das auf den italienischen Einwanderer Attilio Santini zurückgeht, haben sich ein paar jüngere Semester der Herstellung des kühlenden Genusses verschrieben. Da wäre z.B. Pizpireto, das Eis am Stiel mit extrem hohem Fruchtgehalt anbietet, oder aber Colé, das ebenfalls Eis am Stiel produziert, bei dem aber große Fruchtstücke das Gesamtbild verschönern und noch dazu gut schmecken. 

Für das Wochenende hatten wir uns nichts besonderes vorgenommen und waren somit frei in unserer Entscheidung wohin wir gehen würden. Nach einem anstrengenden Tag auf dem Rad, hatten wir Lust auf Sushi und fingen genau damit an, weswegen wir normalerweise immer vorher buchen. Wir klapperten die Läden ab, die uns ansprachen. Aber da Corona auch bei den Touristenzahlen seine Spuren hinterlassen hat, dauerte es nicht lange bis wir fündig geworden waren und einen Platz bekamen. In der Nähe des Cais do Sodré liegt Confraria LX. In einem extrem stylischen Ambiente bekamen wir sehr gute Sushi serviert, die allerdings mehr auf der fancy Seite liegen, als auf der traditionellen. Die Kreationen waren optisch und qualitativ sehr gelungen, aber in unseren Augen zu Lachs und Thunfisch lastig. Es gab wenig anderen Fisch, was aber den Gesamteindruck nicht schmälern soll.

 
 

Cacilhas ist einer der Orte auf der anderen Uferseite des Tejo. Es ist der am einfachsten und schnellsten zu erreichende. Wir verbrachten einen Tag auf der anderen Seite und als wir am frühen Abend wieder übersetzen wollten, fragten wir uns was wir essen sollten. Da wir schon bei Ankunft die einfachen Fischrestaurants vollbesetzt gesehen hatten und noch immer der Geruch von gegrilltem Fisch in der Luft lag, entschieden wir uns spontan für einen portugiesischen Klassiker, nämlich Sardinen. Die Restaurants liegen direkt am Fährhafen, und die Preise für die Sardinen sind auch gleich. Wir ließen uns im "Estrela do Sul" nieder. Möglicherweise nicht die beste Wahl, wie wir gleich erfahren sollten, denn der Kellner war etwas pampig als wir zwei, drei Fragen zu den Beilagen stellten. Egal, für 5€ war es verschmerzbar und der Kollege am Grill verstand sein Handwerk. Der Fisch war lecker, die Kartoffeln auch und nach 20 Min waren wir auch schon wieder weg. Nächstes mal würde ich den "Farol" nebenan wählen. 

 

Wusstet ihr, dass Lissabon einer der besten Orte außerhalb Nepals ist, um die nepalesische Küche zu probieren? Das liegt daran, dass man für Portugal recht einfach ein Visa bekommt und viele Nepalesen davon gebrauch gemacht haben. Mit diesem Bleiberecht können sie nach 6 Jahren dann die portugiesische Staatsbürgerschaft erlangen und anschließend ggf. in andere Länder ziehen. Jedoch ist es so, dass viele sich inzwischen recht wohl fühlen, was an der gewachsenen Community von inzwischen über 20.000 (vor 2010 waren es keine 1000) und dem Klima und recht sicheren Lebensumständen liegt. Somit ist auch die Zahl der nepalesischen Restaurants in den letzten Jahren enorm gewachsen, wovon einige immer wieder auf lokalen Empfehlungslisten auftauchen.

Ein weiteres Restaurant, das wir besucht haben, ist das 100 Maneiras. Im portugiesischen ist der Name etwas zweideutig. Gelesen wie geschrieben, heisst es 100 Methoden bzw 100 Art und Weisen. Wenn man 100 spricht (cem) klingt das wie "sem". Wenn man also "sem maneiras" sagt, bezichtigt man seinen Gegenüber keine Manieren zu haben. Nach diesem kurzen Diskurs wären wir auch schon beim Grund dieses Wortspiels. Der Koch, Ljubomir Stanisic ist Bosnier und kam in den 90ern wegen der Liebe nach Portugal. Hier arbeitete er in einer Küche und entschloss sich irgenwann ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Das ging in die Hose und er musste um Hilfe bitten um wieder auf die Beine zu kommen. Das Thema Küche ließ ihn jedoch nicht mehr los und er versuchte sich, mit unterschiedlichem Erfolg in der Gastroszene. Im Jahr 2011 wurde er als einer der talentiertesten Köche des Landes (er spricht fließend Portugiesisch) in die Jury der Sendung "Masterchef" berufen und somit einem größeren Publikum bekannt. Von dort an ging es eigentlich stetig bergauf und er begann sein Imperium kontinuierlich auszubauen. Man kann ihn sich als einen portugiesischen Jamie Oliver oder Tim Mälzer vorstellen, der auch immer wieder in den Medien auftaucht. Letztes Jahr war er u.a. einer derjenigen, die vor dem Regierungspalast in einen mehrtägigen Hungerstreik trat um auf die Not der Gastronomie im Lande wegen der Coronamaßnahmen aufmerksam zu machen. 

 

Wir hatten das alte 100M schon vor einigen Jahren besucht und es hatte uns gut gefallen, auch wenn K damals gesundheitlich angeschlagen war. In diesem Jahr wurde das "beste Restaurant Lissabons ohne Stern" endlich mit dem langersehnten Etoile ausgezeichnet, was für uns, neben des Gesundheitsproblems damals,  auch Grund war unsere Aufwartung zu machen. Stark verändert präsentierte sich das 100 mit dunklen Wänden und gedimmter Beleuchtung. Alles extrem stylisch und passend zum Provokateur und Wirbelwind Stanisic. Auch das Menü, das ein wenig eine autobiografische Reise durch das Leben des Chefs ist, war phänomenal. Derb und filigran sind hier keine Widersprüche, sondern gewollte Kontraste, die sich auf den Tellern finden. Man bekommt grobe Wurst aus Bosnien genauso wie "Pinzettenkreationen" gleichermaßen. All das auf technisch perfektem Niveau und mit tollen Aromen, die einen komplett mit auf die Reise nehmen. 

 

Weitab der Touristenpfade, nämlich im Stadtteil Benfica, befindet sich eine lokale Institution. Das Edmundo. Es serviert klassische portugiesische Küche ohne großen Schnick Schnack, aber auf exzellentem Niveau. Wen es mal dorthin verschlägt, dem sei der Polvo (Tintenfisch) und der Arroz de Tamboril (Reistopf mit Seeteufel und Garnelen) ans Herz gelegt. Ein wirklich empfehlenswertes Restaurant mit top Qualität zu einem erschwinglichen Preis. 

Unser letztes "Abendmahl" hatten wir in einem unserer Lieblingsrestaurants. Warum das eines der Lieblingsrestaurants ist, erkläre ich gleich im Anschluß, aber warum es nicht nur großartig ist, sondern auch mehr zu bieten hat als den Service am Tisch, zeigte sich schon bei unserer Reservierung. Obwohl inzwischen ein paar Jahre seit unserem letzten Besuch vergangen waren, begrüßte man uns als wiederkehrende Gäste und bedankte sich für das entgegengebrachte Vertrauen. Da war das gute Gefühl doch gleich wieder da, so als würde man einen alten Freund besuchen.

Das Loco von Alexandre Silva verkörpert genau das, was wir uns von hochwertiger Küche erwarten. Saisonale Gerichte mit lokalen Zutaten. Das muß die Kreativität nicht einschränken wie man hier gezeigt bekommt. Man setzt hier konsequent auf beste Produkte mit großem Augenmerk auf faire Haltung bzw Wildfang und kreiert daraus auch Gerichte, die man sonst mitunuter anders kennt. Eine Besonderheit hier, gegenüber vielen anderen in der Stadt, ist die üppige Auswahl an nicht alkoholischen Getränken. Diese sind fast alle hausgemacht und schmecken vorzüglich. Das Restaurant mit dem Olivenbaum im Vorraum ist ein Highlight in der kulinarischen Welt Lissabons und unbedingt einen Besuch wert.

 

 

Ok, das war unser kulinarischer Streifzug durch die Stadt auf den sieben Hügeln. Wir hoffen es hat euch gefallen und war vielleicht sogar Inspiration für einen Besuch.