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Sonntag, 5. November 2017

Reisebericht Lissabon 2017 Teil 3

Ok, letzte Runde... Unsere Reise neigte sich dem Ende zu.
Die zweite Woche begann für uns erstmal mit einem Umzug. Die Wohnung war uns zu klein und deshalb brauchten wir etwas represäntativeres.


Nein, das war natürlich nicht der Grund für unseren Umzug. Wir waren vollauf zufrieden mit unserer Bleibe, aber da sie eher für zwei bis drei Personen war, und wir für die kommenden Tage Tochter und Oma erwarteten, benötigten wir mehr Platz, Vor allem Schlafgelegenheiten. Somit begründete sich der Ortswechsel, der aber nur 100m Strecke bedeutete. Das hatten wir schon so geplant und uns damit einige Mühe erspart.
Wie schön das doch heutzutage ist. Dank Internet kann man solche Dinge wirklich unkompliziert von daheim aus erledigen und sich im Urlaub Zeit und Geld sparen. Wenn ich noch an früher denke, wie man von Pontius nach Pilatus gelaufen ist und dann wieder woandershin, hat sich das Leben doch ziemlich vereinfacht.
Nachdem alles vollzogen war, begaben wir uns an den Flughafen um die beiden Damen in Empfang zu nehmen. Allerdings bestätigte sich auch hier der Boom, den die Stadt derzeit erlebt. Flüge ohne Ende und Menschenmassen die dorthin und wieder weg bewegt werden. Dies hatte zur Folge, dass der Flug Verspätung hatte und wir am Ende fast zwei Std warten musste. Dementsprechend war auch die Laune bei den beiden Ankömmlingen nicht toll, besserte sich aber, als sie in die Wohnung kamen und diese deren Zustimmung fand.
Für den restlichen Tag hatten wir kein besonderes Programm mehr auf dem Plan, sondern dachten uns, dass eine Stadtrundfahrt genügen würde um einen ersten Überblick zu verschaffen. Wir waren ja vor einigen Jahren bereits einmal mit der Tochter in Lissabon gewesen, jedoch hatten wir damals etwas Pech mit dem Wetter, was den ersten Eindruck vielleicht etwas getrübt hatte und dazu führte, dass sie unsere Begeisterung für die Stadt nicht ganz nachvollziehen konnte. Diesmal war das Wetter jedoch kein Gegenargument und somit waren die Voraussetzungen gut für ein ungetrübtes Erlebnis.
Die Stadtrundfahrt im Bus war jedoch nur bedingt eine gute Idee. Durch die Verspätung war es schon so spät, dass wir voll in den Feierabendverkehr kamen. Für eine Strecke, die im Normalfall etwa eine halbe Std gedauert hätte, haben wir schon 1,5 Std gebraucht, so das wir am Estreladom abbrachen und mit der Tram zu unserem Domizil fuhren, was allerdings auch dauerte.


Zwischenzeitlich stellte sich bei uns allen der Hunger ein. Der Wunsch nach etwas typisch portugiesischem wurde geäußert und deshalb entschlossen wir uns den "Bairro do Avillez" zu besuchen. Es hatte zwei Vorteile: Die laufnähe und unter einem Dach befinden sich mehrere Restaurants, so dass wir auch ohne Reservierung bestimmt etwas finden würden. Nach zehn Minuten waren wir da und mussten feststellen, dass wir mind eine Std hätten warten sollen. Im gleichen Atemzug aber wurde uns mitgeteilt, dass die Cantina Peruana im gleichen Haus, sofort einen Tisch für vier frei hätte. Nach kurzer Beratung willigten wir ein und wurden nach hinten geleitet. Im Obergeschoss, das eine Veranda war, die den Blick auf das Hauptrestaurant eröffnete, bekamen wir einen Tisch zugeteilt und auch die Karte, die wir eine ganze Weile etwas ratlos betrachteten. Der nette Ober bot uns Hilfe bei der Wahl an und so entschieden wir uns, ihn zu fragen um die Wahl zu erleichtern. Er schlug uns sogleich ein Degustationsmenü vor, das für zwei Personen vorgesehen ist. Das hörte sich gut an, weswegen wir zwei dieser Menüs bestellten. Diese wurden dann auch recht schnell aufgetischt. Sie bestehen aus Tapas, also kleinen Häppchen, und waren überwiegend aus rohem Fisch. Ceviche war eines davon. Das ist eine Art Fischsalat mit einem würzigen Dressing und derzeit einer der großen kulinarischen Trends. Kaum ein In-Restaurant, das nicht eine Ceviche anbietet. Ansonsten gibt es auch gut angemachtes Fleisch und Gemüse. Alles in allem war es eine überraschend leckere Erfahrung und hat auch allen gut geschmeckt, wenn auch die Happen nicht unbedingt für den großen Hunger ausreichend sind. Was leider etwas negativ auffiel, war die Getränkeversorgung, denn die klappte überhaupt nicht. Die Weine wurden spät oder garnicht gebracht und hat den Gesamteindruck etwas getrübt. Aber ansonsten war es ein gelungener Abend.

Cantina Peruana

Am nächsten Tag gingen wir zunächst frühstücken und danach wollte ich mit allen einen neuen Aussichtspunkt kennenlernen, der sich auf der Dachterrasse eines Kaufhauses befindet. Das Pollux liegt an der Rua da Madalena und wenn man hineingeht und bis ins oberste Geschoss fährt, kommt man in ein Café mit einer tollen Aussicht. Dort nahmen wir noch ein paar Getränke zu uns bevor wir die Bustour nachholten.

Aussicht von der Dachterrasse des Pollux

Glücklicherweise gelten die Tickets für 48 Std ab dem Zeitpunkt des Kaufs und wir konnten sie nach dem Frühstück gleich einsetzen. Diesmal klappte es gut. Die Hauptverkehrszeit war für den Morgen schon rum und wir konnten, bei bestem Wetter, viele Primespots sehen, die für einen ersten Überblick reichten. Schwiegermama war voll des Lobes und sichtlich begeistert, unsere Tochter mehr mit ihrem Handy beschäftigt. Schade eigentlich, auch wenn sie es schon kannte, das man sich solche Möglichkeiten nimmt, indem man dann doch lieber in der digitalen Welt rumturnt, statt mal etwas neues zu sehen.


 Campo Pequeno und Marquês de Pombal

Nach der Tour merkten wir schon, dass Sightseeing nicht das richtige für Lea war, und teilten uns auf. Kathrin ging mit ihrer Mutter durch die Alfama zur Burg und ich nahm Lea mit auf einen Bummel durch die Trendviertel.


Castelo S. Jorge

Zunächst spazierten wir durch den Bairro Alto, der abends nicht wiederzuerkennen ist. Die vielen Kneipen verleihen ihm ein komplett anderes Bild, als tagsüber, wo es eher anmutet wie eine Kleinstadt in der die Hausfrauen ihre Wäsche waschen, einkaufen gehen und das Trottoir kehren. Zwischendrin waren immer wieder kleine Läden und Restaurants, die, im Gegensatz zu den Kneipen und Bars, nicht zu hatten.


Embaixada

Wir kamen wieder zum Principe Real und fingen an uns ein paar Läden anzusehen. Junge Menschen bzw jemand der sich für Mode und Accessoires interessiert, kann dort ja Stunden, wenn nicht Tage verbringen. Ich beschränkte mich darauf, den ersten Schritt in potentiell interessante Shops zu machen, den Rest bekam sie auch gut ohne mich hin. Aber erfreulicherweise gefielen ihr auch die Läden an sich, also nicht nur das Angebot. In der Embaixada, die ich ja bereits erwähnte, war sie sehr angetan und auch in einem "Konzeptstore" den wir noch entdeckten, dem "Pau Brasil", fühlte sie sich wie ein Fisch im Wasser. So muss ich sagen, dass es ein schöner Nachmittag wurde, den wir später im Park, bei einem Sandwich und Kaffee abschlossen.


Pau Brasil

Der Abend stand nämlich wieder im Zeichen des Fußballs. Es war CL und mit Sack und Pack ging es zu Stadion. Essen gab es traditionell vor dem Stadion, in Form von Schnitzelbrötchen, und dann ging es hinein in die Kathedrale. Das Spiel war leider eher mau, aber trotz allem, war es für alle ein Erlebnis.

Estádio da Luz

Nach dem Frühstück auf dem Platz vor Sao Roque und einem kurzen Abstecher bei S. Pedro de Alcântara, fuhren wir mit der Standseilbahn da Gloria runter um am Rossio nochmal einen der Aussichtsbusse zu besteigen. Da die Tickets ja insgesamt 48 Std gültig waren, wären wir ja schön blöd gewesen, wenn wir sie nicht genutzt hätten. Wir wählten die Osttour, die uns zum Parque das Nacoes bringen sollte.



Elevador da Glória

Ich weiß nicht ob es euch schonmal aufgefallen ist, aber in fast allen Städten, die ich kenne, wird der Osten immer als Industriegebiet oder Wohngebiet für sozial Schwächere ausgewiesen, und meist vernachlässigt. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber in Lissabon ist es nicht anders. Schon seit Jahrhunderten leben die Wohlhabenden im Westen und auch sonst spielt sich das meiste dort ab. Die Viertel jenseits des Hauptbahnhofs Sta. Apolonia sind teilweise wirklich in erbärmlichem Zustand. Dazwischen befinden sich immer wieder Fabrik- und Lagerhallen, sowie Brachgelände. Doch die vergangenen Jahre des Baubooms und steigender Immobilienpreise haben dazu geführt, dass sich eine Speerspitze gebildet hat, die anfängt diese vernachlässigten Viertel gezielt nach interessanten Möglichkeiten abzugrasen und zu nutzen. So erzählte mir mein Cousin, der in der Künstlerszene gut vernetzt ist, dass eine bekannte Galerie bereits vor einigen Jahren ein solches Gebäude für sich entdeckt hat und dorthin gezogen ist. Andere ließen nicht allzulange auf sich warten und folgten dem Beispiel. Somit hat sich dort schon eine gewisse Künstlerszene gebildet und es scheint, als wäre der Zustrom noch nicht abgeebbt.

Straße der Nationen

Auf unserer Fahrt in Richtung Expogelände haben wir auch einige wirkliche Perlen entdeckt, die, wenn noch nicht geschehen, sicher bald wieder zum Leben erweckt werden. Und so fängt es langsam an, dass sich die vermeintliche Lücke zwischen Zentrum und Osten der Stadt schliesst, denn seit 1998 hat sich um das ehemalige Expogelände schon ein recht modernes Stadtviertel entwickelt, das zwar ein wenig deplatziert wirkt, jedoch vielen Menschen, die sich ein moderneres Leben wünschten, ein neues Zuhause gab. Das Expogelände, auch bekannt als Parque das Nacoes, ist noch heute ein beliebtes Ausgehviertel und wird auch zur Naherholung genutzt. Überragt wird es von der 1997 erbauten Brücke Vasco da Gama, die eine der längsten in Europa ist. Wir kamen über das südwestliche Ende herein und stellten fest, dass z.b. die Jardins da Água, mit ihren archimedischen Konstruktionen etwas in die Jahre gekommen waren, aber trotzdem noch alles da ist und genutzt wird. Schwiegermutter war, wie die ganze Zeit schon, sehr begeistert und voll des Lobes, und als wir dann noch mit der Seilbahn über das Gelände schwebten, kam sie aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus.



Parque das Nacoes

Auf dem Rückweg wollten ich natürlich die Messlatte hoch halten, die Fahrt mit der Metro und ihren teilweise künstlerisch anspruchsvollen Stationen war ein Punkt, aber der Elevador de Sta Justa durfte natürlich nicht fehlen. Neben dem Parque S. Pedro de Alcântara, der wohl beste Punkt um von Westen über die Baixa zur Burg zu schauen.


Elevador de Sta Justa

Während ich noch einmal meinen Cousin traf, wählten meine Ladies die Shoppingoption. Als ich dann heimkam, hörte ich Musik vom Chiado her und als ich näherkam, stellte ich fest, dass es ein Konzert vom Einkaufszentrum aus gab. Das Publikum konnte, dank der herabführenden Rua Garrett, wie in einem Amphitheater den Klängen lauschen, die vom Balkon und den Häuserwänden schallten. Eine Stimmung die jung wie alt fesselte und mehrere hundert Leute gebannt zusehen ließ. Auch ich hielt kurz inne um etwas von der schönen Stimmung wahrzunehmen und als ich in unser nahegelegenes Apartment ging, sah ich auch meine Ladies auf dem Balkon, wie sie das Schauspiel genossen.


Fadosession

Ein weiterer Tag stand an und damit ein Besuch in Belem. Kathrin und ich kennen den Stadtteil ja schon, aber die anderen beiden noch nicht und somit war klar, dass wir dorthin mussten. Nach einem guten Frühstück im Cafe Zarzuela, das auch übrigens für Zölis und Veganer ein reichhaltiges Angebot hat, ging es kurz zum Timeout Market, da vor allem Lea es noch nicht kannte. Danach nachmen wir einen Bus am gegenüberliegenden Cais do Sodré und fuhren nach Belem. Eigentlich wollten wir ins Hieronymuskloster, jedoch änderten wir unseren Plan als wir die Menschenschlangen sahen, und besuchten nur die nebenan gelegene Kirche. Sie ist frei zugänglich und ermöglicht auch einen guten Eindruck von der Pracht des gesamten Komplexes. Der manuelinische Baustil mit all seinen Schnörkeln und Bändern ist eine Abwandlung der Gotik und zurecht die Größe und Schönheit machen es zurecht zu einem Teil des Weltkulturerbes.


Hieronymuskloster

Wir gingen durch den Jardim da Praca do Imperio um die Stadautobahn zu unterqueren. Auf der anderen Seite befindet sich das Entdeckerdenkmal, das eine Aussichtsplattform hat. Ich war schon lange nicht mehr oben und somit bot sich für alle die Gelegenheit eine neue Perspektive zu erleben. Mit dem Aufzug ist man schnell die 40m hochgefahren und kann ein wirklich beeindruckendes Bild von oben genießen. Man blickt von Algés bis zur Brücke und kann auch alles was dazwischen liegt gut erkennen. Warum hatte ich das nur schon verdrängt? Die Plattform ist nicht sonderlich groß und ich schätze mal für max. 20-30 Personen auf einmal zugänglich. Aber 15-20min dort oben reichen auch, wenn man nicht gerade ein besonderes Fotomotiv abwarten will.


Blick vom Entdeckerdenkmal

Hinterher ging es wieder zurück und wir wollten uns bei der Antiga Confeitaria de Belem mit den original Pateis de Belem stärken. Auch an diesem Tag war der Andrang beträchtlich, obwohl es ein Wochentag war. Aber diesmal mussten wir uns anstellen und es dauerte eine gute halbe Std bis wir einen Sitzplatz hatten. Die Pasteis allerdings ließen die Warterei schnell vergessen und Schwiegermama war wieder einmal voll des Lobes.

In der Antiga Confeitaria de Belem

Es wurde wieder zeit für einen Programmpunkt für Lea. Die LX Factory hatte ich ja bereits im ersten Teil beschrieben, weswegen ich nun nicht näher darauf eingehe. Aber wir haben noch ein sehr nettes Restaurant/Bar gefunden, die einen Besuch wert ist. Im Dachgeschoss des Hauptgebäudes befindet sich das Rio Maravilha von wo aus man wieder einen erhöhten Blick auf den Tejo und die Umgebung hat. Besonderheit ist hier das weibliche Pendant zum Cristo Rei auf der anderen Uferseite. Schwiegermama jedenfalls war begeistert...




LX Factory

Apropos Schwiegermama: Einer ihrer Wünsche war die Fahrt mit der Tram 28. Ursprünglich dachten wir auch, das sein kein Thema, aber im Laufe unserer Zeit dort, wurde uns klar, dass es doch nicht so einfach werden würde. Es sollte ja auch eine Fahrt sein, die sie sitzend verbringen sollte, um einen vollumfänglichen Eindruck des so oft beschriebenen Gefühls zu bekommen. Aber diese Tram ist immer voll, sofern man nicht gerade an den Endhaltestellen zusteigt. Selbst wenn mehrere kurz hintereinander eintreffen, ist nicht immer ein Sitzplatz garantiert. Deshalb hier ein weiterer Tipp. Frühmorgens damit fahren. Die Geschäfte machen idr nicht vor 10h auf (außer Cafés) und wenn man vor 9h damit fahren kann, ist die Chance deutlich höher einen Platz zu bekommen und auch mit weniger Verkehr auf dem Weg zu rechnen.



Die allseits beliebten Trams

Wir jedenfalls sollten am folgenden Tag die Fahrt machen, was dann auch nicht ganz ideal verlief. Die Fahrt sollte von der Baixa nach westen führen und wir wollten wirklich bis zum Prazeres Friedhof fahren, der die Endhaltestelle ist. Zunächst einmal warteten wir eine ganze Weile, dann bekamen wir natürlich keinen Sitzplatz, und zum Schluss mussten wir mitten auf der Strecke aussteigen, da eine Tram vor uns den Geist aufgegeben hatte. Wir waren gerade zwischen S. Bento und Estrela, weswegen wir dann das letzte Stück zu Fuß liefen. Aber wie ist es so oft? Wenn etwas schiefgeht, eröffnen sich manchmal ganz andere Möglichkeiten. Wir gingen dann spontan in den Estreladom und schauten uns an was er zu bieten hat. Ein ziemlich imposantes Gebäude, das aber nicht so üppig verziert ist wie z.B. S.Roque. Aber seine schiere Größe trotzt einem aber Respekt ab, und die Highlights erschließen sich erst bei genauerem Hinsehen. Im rechten Flügel gibt es einen kleinen Raum, der die größte Weihnachtskrippe des Landes enthält. Mit über 500 Figuren ist er groß wie ein Schrank. Ein weiterer Höhepunkt ist jedoch ein kostenpflichtiger. Man kann auch auf die Kuppel und das Dach. Das taten wir auch und als wir oben ankamen (es gibt keinen Aufzug), waren wir geflasht von dem Ausblick.



Auf dem Dach des Estreladoms

Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass ich schon so oft in Lissabon war, aber nirgends ist mir eine derartige Vielfalt an Aussichtspunkten, Rooftops und Türmen usw aufgefallen. Klar, die Topografie mit ihren sieben Hügeln ist prädestiniert für sowas, aber in den letzten Jahren haben sich zu den klassischen Miradouros noch diverse Rooftops hinzugesellt, dass man praktisch jedes mal neue Orte findet, die eine andere Perspektive eröffnen. Ich kann nur empfehlen sich auf die Suche nach mehr solchen Punkten zu machen. Viele liegen abseits der Touristenströme und was gibt es schöneres als etwas fast für sich alleine zu haben (zumindest für eine kurze Zeit)?

Blick hinab zur Praca do Comercio

Unsere Abreise nähert sich und es blieb noch etwas Zeit für ein Mittagessen. Wir hatten einen Tipp eines Cousins bekommen, der auch unweit unserer Unterkunft lag. Es handelt sich dabei um ein recht einfaches Restaurant. Eigentlich ist es eine Kantine, nämlich die Cantina das Freiras, die zur ACISJF gehört. Dabei handelt es sich um ein Hilfsorganisation zur Unterstützung misshandelter und in Not geratener Frauen/Mütter, die eine preiswerte, kleine Menüauswahl hat. Die Gerichte mögen einfach sein (aber lecker), jedoch ist der Blick von der Dachterrasse unbezahlbar, wobei wir wieder beim Entdecken von interessanten Spots wären.


Cantina das Freiras

Hinterher ging es schon wieder Richtung Flughafen, denn unser Urlaub war wieder einmal viel zu schnell vergangen.
Nach unseren Urlauben ziehe ich ja gern ein Fazit. So soll es auch diesmal sein, wobei schon viel davon geschrieben steht, was ich ausdrücken möchte. Die Stadt hat sich verändert. Sie ist vom Rand Europas viel mehr ins Bewusstsein der Menschen in aller Welt geraten. Über die Gründe habe ich mich ja bereits ausgelassen. Ob das gut oder schlecht ist, liegt im Auge des Betrachters und wird sich womöglich auch erst in ein paar Jahren abschließend sagen lassen.
Trotzdem hat diese Stadt noch unheimlich viel zu bieten. Neben den klassischen Sehenswürdigkeiten entsteht gerade unheimlich viel und dazu werden bereits vorhandene Ressourcen wiederbelebt. Aber die Stadt wird auch moderner und bietet viel mehr Annehmlichkeiten als noch vor einigen Jahren. Es ist eine Stadt die jeden mit offenen Armen empfängt und sicherlich in ihren Bann zieht. Versucht es selbst einmal.

Sonntag, 24. September 2017

Reisebericht Lissabon 2017 Teil 1

Nach den erholsamen Tagen am Meer ging es für uns in die Stadt. Lissabon war wieder einmal unser Ziel und uns zieht es, nicht nur wegen Familie, immer wieder dorthin. Für uns gehört sie zu den schönsten, stimmungsvollsten und einladensten Städten, die wir kennen.
Die Fahrt über Land zeigte schon recht schnell, dass das Klima ein anderes war. Die hügelige Landschaft zwischen der Küste und dem Hinterland trennt das Wettergeschehen ziemlich deutlich. Während wir an der Küste morgens meist bedeckten Himmel hatten, der im Laufe des Tages aufklarte, war es im Hinterland und auf der Fahrt (mit dem Shuttle des Hotels) Richtung Süden wolkenfrei und heiss. Es ist wohl auf ein Mikroklima der Region um Torres Vedras zurückzuführen, dass es dort milder und feuchter ist.



Bei der Fahrt in die Stadt fühlten wir uns als wären wir nicht weg gewesen. Insbesondere für mich ist es immer ein Stück wie heimkommen. Alles ist vertraut und zurechtfinden ist kein großes Problem.
Wir hatten uns ein Appartment über Air bnb gebucht, das genau zwischen Baixa und Chiado liegt. Im Prinzip ein Volltreffer, weil man von dort aus überall schnell hinkommt. Die Praca do Comercio ist ein Katzensprung entfernt gewesen. Chiado ebenfalls nur wenige Minuten und den Rossio konnte man auch schnell erreichen.

Im Chiado

Die Lage war also schonmal perfekt, wir mussten uns nur noch von der Qualität der Bleibe überzeugen, was aber schon beim Betreten eindeutig war und sich auch später nicht änderte. Nach Erledigung der Formaliäten, packten wir unsere Sachen aus und zogen los ins Chiado Viertel. Was uns sofort auffiel, waren die Horden an Touristen. Die Hauptsaison war schon rum, aber wir empfanden es dennoch als voll. Aber darauf werde ich später nochmal eingehen.
Wir bummelten über die Rua do Carmo, die inzwischen als eine der beliebtesten Einkaufsstraßen zählen dürfte, ins Trindade Viertel und dann zum bekannten Aussichtspunkt, dem Miradouro Sao Pedro de Alcantara. Dort gönnten wir uns auch die erste bica, den portugiesischen Espresso. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand und dem Blick auf die Burg, das alles unter südlicher Sonne... So konnte es weitergehen.

S. Pedro de Alcântara

Bairro Alto liegt zwischen Chiado und Principe Real. Es ist das klassische Bar und Kneipenviertel der Stadt, und wer es tagsüber sieht und abends wiederkommt, erkennt es nicht wieder. Während tagsüber die Spuren des Vorabends beseitigt werden und die Hausfrauen ihre Erledigungen machen, sind die Kneipen und Clubs alle zu. Zwar gibt es ein paar kleine Läden, jedoch ist alles so verschlafen wie zur Mittagszeit in einer Westernstadt. Es geht schon fast beschaulich zu, in diesem Viertel alt eingesessener Lisboetas. Abends wandelt sich dann das Bild und die ausgehwillige Jugend und Nachtschwärmer kommen um die ganzen Gassen und Läden zu bevölkern. Wir schlenderten tagsüber durch das Viertel und schauten uns die bunten Häuser an mit ihren Azulejos und den Pflanzen auf den Balkonen, die so typisch sind für den Süden.




Im Bairro Alto
Von dort gingen wir weiter zu einem weiteren Miradouro, nämlich den Sta. Catarina. Mit seinem Blick auf den Tejo und die Brücke, ist er lange kein Geheimtipp mehr und so fanden wir uns inmitten von Dutzenden von Leuten wieder. Jedoch war es auch schön dort mal wieder gewesen zu sein und wir konnten etwas Zeit "totschlagen" denn wir waren mit meinem Cousin verabredet, der uns dann auf einen kleinen Streifzug mitnahm.

Miradouro Sta. Catarina

Im Chiado Viertel (ja schon wieder) zeigte er uns ein Gebäude, das zwar ein Hingucker ist, aber bei dem ich immer dachte es sei ein Bürogebäude. Mitnichten! Das "Le Consulat" ist ein Hotel, Bar, Galerie... alles in einem. Durch einen eher unscheinbaren Eingang betritt man es und gelangt in den ersten Stock. Dort erwartet einen die Bar mit einem tollen Ausblick auf den Largo Luis de Camoes. Zu netten Grooves kann man einen der vielversprechenden Cocktails trinken und die Gedanken schweifen lassen. Wenn man die Bar verlässt kann man das Treppenhaus umrunden und findet in den angrenzenden Räumen zeitgenössische Kunst junger Künstler. Weiter oben befinden sich denn die Suiten des Hotels, die den Gästen vorbehalten bleiben.

Im Le Consulat

Ein weiteres Highlight befindet sich in Laufnähe. Der "Palacio Chiado" liegt an der Rua do Alcerim und sieht zwar interessant aus, aber der "Türsteher" vermittelt eher den Eindruck als wäre der Eintritt nur bestimmten Leuten vorbehalten. Dies ist aber eine falsche Annahme, denn er verteilt nur Magnetkarten, die für sie Abrechnung der konsumierten Waren verwendet werden. Sicherlich nicht die beste Art den Laden voll zu bekommen, denn als wir kamen, war er praktisch leer. Was einen aber erwartet ist das, was Lissabon im Moment zu einem der angesagtesten Orte überhaupt macht. Liebevoll restauriert zeigt sich das Interieur. In mühevoller Arbeit wurden alten Malereien freigelegt und zu neuem Leben erweckt. Der Stuck und die Fresken sind wie neu und das Angebot an Kulinarik und Getränken bietet für jeden Geschmack etwas. Es lohnt auch ein Blick in das 1. OG, denn die einzelnen Restaurantbereiche und deren Ambiente sind es wert.


Palacio Chiado

Was ist es also, was Lissabon derzeit so beliebt macht? Ein Erklärungsversuch: Als ich vor fünf Jahren dort war, erlebte ich die totale Depression. Läden wurden geschlossen, Häuser verfielen und die Menschen bangten um ihre Zukunft. Seitdem hat sich einiges getan. Eine neue Regierung hat die monetären Zügel etwas gelockert. Der Mindestlohn wurde angehoben und die Steuerlast gesenkt. Dennoch waren viele gezwungen sich neu zu orientieren und selbst einen Ausweg aus der Krise zu finden. Das hat zu einer ungeahnten Welle der Kreativität, insbesondere junger Leute, geführt. Eine Menge Start-ups wurden gegründet und viele Menschen riskierten die Selbstständigkeit. Seitdem haben unheimlich viele kleine Läden, Designer, Bars, Touristenunterhaltung, Restaurants usw eröffnet. Auch lockte das günstige Umfeld Menschen aus dem In- und Ausland an, die das Potential der Stadt erkannten und kräftig investiert haben. Daraus ist ein Selbstläufer geworden und es folgten mehr Investoren, die insbesondere seit der politischen Ungewissheit im östlichen Mittelmeerraum, neue Anlagemöglichkeiten suchten. Das alles ging mit steigenden Touristenzahlen einher und nun haben wir das Resultat. Die Stadt ist voll und ich befürchte, sie kommt an ihre Kapazitätsgrenzen, was die Balance zwischen Besuchern und die Lebenshaltungskosten für die Einheimischen angeht. Denn eines ist klar: in dem Maße wie das Touristengeschäft brummt und die Wohnkosten gestiegen sind, haben sich die Einkommen nicht entwickelt. Aber ich bin überzeugt, dass die Krise der letzten Jahre das beste aus den Menschen dort hervorgebracht hat. Sie haben das Heft selbst in die Hand genommen und aus der Stadt, in vielerlei Hinsicht, einen Hauptgewinn gemacht. Auch spürt man eine neue Lebensfreude und Aufbruchstimmung, die hoffentlich noch eine Weile anhält.
Mittlerweile haben auch Kreative und Lebenskünstler das Potenzial entdeckt und das angenehme Tempo mit dem man dort den Alltag meistert, zu schätzen gelernt. Jedenfalls hat sich westlich der Baixa, im Chiado, Pricpe Real und Sao Bento, das Trendgebiet überhaupt entwickelt.
Für die folgenden Abende haben wir uns ein paar Restaurants ausgesucht, die von hochtalentierten Köchen betrieben werden und langsam auch die Gourmets der Welt in die Stadt rufen. So haben wir an jenem Abend das "100 Maneiras" besucht, dessen Name, durch die Aussprache im Portugiesischen, zwei Interpretationen zulässt. Einmal wie es geschrieben wird, was in etwa "hundert Varianten" bedeutet. Aber man kann es auch "ohne Manieren" verstehen. Die Doppeldeutigkeit war bei der Namensgebung sicherlich nicht ganz ungewollt, denn was auf den Tisch kommt ist nicht unbedingt alltäglich. Ich sage nur Taubenmassaker und Foyer. Ein Dreierlei von der Taube im "Blutbad" und Letztgenanntes sind verschiedene Variationen von Foie Gras, aber als Nachtisch! Es gibt dort nur ein Degustationsmenü, das, wie wir fanden, Hochs und Tiefs hatte. Nicht immer konnte der Geschmack mit der Optik mithalten, und deshalb waren wir nicht restlos überzeugt, aber hatten dennoch einen sehr abwechslungsreichen und schönen Abend.


100 maneiras

Was wäre der Abend ohne einen Absacker? Wir gingen noch ins "Park". Der Name deutet dabei nicht auf einen Park, sondern auf den Standort, der sich auf dem obersten Deck eines Parkhauses befindet, mit... na, wer kommt drauf? Richtig: einer tollen Aussicht.

Park

Ausblicke sind sowieso ein Thema für sich in Lissabon. Es gibt Dutzende von Spots, die einen tollen Blick auf die Stadt und deren Stadtteile gewähren. Manche sind als Miradouros bekannt, andere nur Balkone oder eben ein Parkdeck. Ist aber auch kein Wunder, dass die Stadt so reich an diesen Orten ist, denn sie wurde, wie Rom auch, auf sieben Hügeln errichtet. Somit kommt es zwangsläufig dazu, dass sich Plätze auftun, an die man gerne zurückkehrt und die Gedanken schweifen lässt, oder einfach nur genießt.
Den folgenden Tag hatten wir für die Erkundung der Trendviertel Principe Real und Sao Bento vorgesehen. Um das etwas besser zu gestalten, bedienten wir uns der "Lisbon Walker" Karten. Das ist ein Kartenset mit verschiedenen Spaziergängen in der Stadt. Wir pickten uns einen passenden aus und zogen erstmal los um zu frühstücken. Dies taten wir, wie auch in den meisten der folgenden Tage, in einem "Saftladen". Es war natürlich kein Saftladen im Sinne von schlecht, sondern eine Bar für  gesunde Ernährung. Im "liquid" gibt es Säfte, Smoothies und Müslis. Alles frisch und meist vor den Augen zubereitet. Somit kann es auch mal zu Wartezeiten kommen, aber das hält die meisten nicht davon ab sich in die Schlange zu stellen. Wir jedenfalls fanden, dass dort der richtige Einstieg für den Tag angeboten wurde, und kamen fast jeden Morgen zurück.

Liquid

Hinterher ging es erstmal ans Stadion von Benfica. Denn: Kein Lissabontrip ohne Stadionbesuch, bzw Spiel. Wir holten die Tickets für die anstehenden Spiele ab und zogen weiter um unser Besichtigungsprogramm zu beginnen. Principe Real habe ich noch als recht verschlafen in Erinnerung. Vor wenigen Jahren gab es entlang der Rua D. Pedro V und der Rua da Escola Politécnica überwiegend Läden, die in einen Dornröschenschlaf gefallen zu sein schienen. Sie hatten zwar ihre Stammkundschaft, aber viel los war nicht.

Rua D. Pedro V

Insbesondere der Palacio Ribeiro da Cunha, heute besser als "Emabaixada" bekannt, war für mich schon immer eine Perle, die nur jemanden mit einer Vision und Mut brauchte um das in ihr liegende Potential zu entfalten. Nach einigem hin und her ist dies nun geschehen und es befindet sich eine Galerie mit kleinen Läden portugiesischer Designer, sowie eine Bar darin.

Palacio Ribeiro da Cunha

Die Läden bieten teilweise tolle Produkte für relativ kleines Geld, aber auch eine Maßschneiderei und eine Kunstgalerie finden sich dort. Das Gebäude selbst verströmt noch etwas von dem morbiden Charme der Vergangenheit, weil es nur soweit wie nötig restauriert wurde und einge Bereiche weitestgehend unangetastet blieben.


Emabaixada

Auch sonst ist hier viel passiert. Neue Bars uns Shops haben eröffnet und somit auch alten Läden zu mehr Kundschaft und Bekanntheit verholfen. So findet sich z.B. eines der angesagtesten Restaurants der Stadt dort, nämlich "a Cevicheria", die den neuen Trend Ceviche, eine Art Salat mit rohem Fisch aus Peru, nach Europa gebracht hat. Es werden keine Reservierungen angenommen und so kommt es gerne mal zu Wartezeit, die man sich mit einem Pisco Sour vertreiben kann. Unweit davon gibt es eine Institution, die lange eher Insidern bekannt war, aber nun auch über die Grenzen hinaus Ruhm erlangt hat, nämlich den "Pavilhao Chinês". Eine Bar, die so unscheinbar wie ungewöhnlich ist. Eine wenig einladen wirkende rote Tür eröffnet dem Gast ein Paradies mit Museumcharme. Man betritt ein Sammelsurium aus Kuriositäten des frühen 20. JH. Es handelt sich dabei überwiegend um Spielzeug aus der Epoche, aber auch Politika und Militaria finden sich dort. Dabei wundert man sich, wie groß die Bar ist, die sich hintenraus über mehrere, verwinkelte Räume erstreckt und wo livrierte Angestellte die Getränke servieren. Die Bar gibt es schon über 30 Jahre und der umtriebige Sammler Luis Pinto Coelho hat darin einen guten Teil seiner Kollektion untergebracht, in dem was mal sein Antiquitätengeschäft war. Inzwischen ist er eher Gastgeber und Eventmanager, denn außer dem P.C. nennt er noch weitere kuriose Bars sein Eigen.

Pavilhao Chinês

Ein weiteres Geschäft, eigentlich ist es nur eine Bäckerei mit Café, möchte ich noch empfehlen. Die Paderia S. Roque, an der Ecke zur Rua da Rosa, lohnt nicht nur wegen der köstlichen Leckereien, sondern auch wegen des Interieurs im Art Noveau Stil. Eigentlich könnten sie Eintritt verlangen, so schön ist es dort...

Einer der vielen schönen Kioske

Im schönen Parque do Principe Real stärkten wir uns vor dem Spaziergang durch Sao Bento. Diesen begannen wir an der Calcada Eng. Miguel Pais und bewegten uns ein wenig im Zic-Zac bergab, vorbei am Jardim Fialho Almeida, über die Rua Sao Marcal durch ein schönes und historisches Wohngebiet, bis wir von der Travessa Arochela den Sao Bento Palast erblicken konnten, der das Portugiesische Parlament beherbergt.




Sao Bento

Da es dann aber schon relativ spät war, nahmen wir die Tram 28, die wahrscheinlich berühmteste Straßenbahnlinie der Welt, und hatten sogar Glück, denn wir fanden sogar mal Platz darin. Sonst konnten wir sie nämlich nur total überfüllt wahrnehmen und ich kann nur empfehlen entweder vor 9h damit zu fahren, oder auf eine der anderen Linien mit historischen Trams, wie die 12, 15 oder 18 auszuweichen. Die sind zwar nicht ganz so pitoresk, aber man bekommt das Gefühl einer Fahrt in einem so alten Gefährt auch gut vermittelt. Wir jedenfalls konnten gut heimtuckern, aber auch nicht ohne dem inzwischen einsetztenden Feierabendverkehr zu entgehen, der immer wieder zu Verzögerungen führt. Außerdem sind die Straßen manchmal auch so schmal, dass keine zwei Fahrzeuge nebeneinander passen.

Im Hintergrund die Tram 28

Für den Abend hatten wir einen Tisch im "Belcanto" reserviert. Es gehört dem inzwischen erfolgreichsten portugiesischen Koch José Avillez und dürfte das bekannteste Restaurant der Stadt sein. Als ich etwa zwei Monate vorher reservierte, bot man mir den Chef Table an, was mir ertsmal nichts sagte, aber mangels Alternativen dann meine Zustimmung fand. Beim Eintreffen erinnere ich mich noch daran, dass auf der Bank direkt davor ein Obdachloser lag und uns ansah. Wahrscheinlich hatten wir beide einen ähnlichen Gedanken. "Draußen bleibt wer nicht anders kann und drinnen erlebt man totale Dekadenz."

Küche des Belcanto

Drinnen herrschte vornehme Zurückhaltung und man führte uns, nachdem wir uns vorgestellt hatten, an unseren Tisch... in der Küche. Ja, wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Chefs Table in der Küche befindet und wir den Köchen bei ihrem täglichen Werk zuschauen könnten. Wir wurden vom Chefkoch begrüßt (der Meister selbst war nicht zugegen) und bekamen eine kurze Erklärung was wo passierte. An dem pultartigen Tisch saßen wir direkt bei den Patissiéren, hatten aber auch Bildschirme mit wechselnden Aufnahmen der anderen Bereiche. So konnten wir live verfolgen was gerade passierte. Fragen und Fotos waren gestattet und so begann eine andere, aber aufregende Reise in die Welt der Gourmetküche. Es war ein unglaubliches Erlebnis. Live in einer der besten Küchen des Landes zu sitzen, den Spitzenköchen bei der Arbeit zuzusehen, und abwechselnd ein Highlight nach dem anderen serviert zu bekommen, war sensationell. Interessant dabei war zu erleben, wie ruhig und abgeklärt alles zuging. Es hatte jedenfalls nichts mit den TV Küchen zu tun in denen Hektik herrscht und rumgebrüllt wird. Irgendwann trauten wir uns auch mal mit den Köchen zu sprechen, als der Abend schon etwas fortgeschritten war und mehr Ruhe einkehrte. Gerne gab man uns Auskunft über das Tun und so bekamen wir einen kleinen Einblick in eine Küche in der wir kein Messer sahen, dafür aber Pipette und Pinzette oft Anwendung fanden. Die Rechnung holte uns dann von der 14 gängigen Reise wieder heim und ich musste wieder an den Obdachlosen zu Beginn denken, der mit dem Betrag sicher einen Monat hätte bestreiten können. Aber ansonsten war es geschmacklich und künstlerisch eines der besten Menüs, die wir je gegessen haben.


Speisen im Belcanto

Bleibt dran für den nächsten Teil. Bald hier an dieser Stelle...