Eigentlich sind die Berge ja nicht so wirklich mein Beritt, denn ich tauche lieber ab als hoch hinaus zu wollen... Eigentlich! Als Kathrin mit der Idee um die Ecke kam, klang sie ziemlich gut. Und wenn ich anfänglich daran dachte die Sella Ronda mit dem Bike zu fahren, kam es doch anders, aber trotzdem gut.
Kathrins Vorstellung war mal wandern zu gehen. Nur für einen kurzen Augenblick sah ich uns mit groben Wollsocken in alten, ledernenen Wanderstiefeln und Wanderstöcken mit Plaketten den Berg hochstiefeln, bevor ich den Gedanken beiseite wischte und zu ihr meinte: "Ja, mach mal!".
Ein paar Monate später saßen wir dann am Brenner im Stau und obwohl wir bis dahin gut durchgekommen waren, kosteten uns die paar Kilometer zwischen Innsbruck und der Grenze über eine Stunde. Als es dann aber bergab auf der Autobahn ging, und die Berge von der Abendsonne angestrahlt wurden und förmlich glühten, waren die Strapazen vergessen.
So wurden wir empfangen
Unsere Bleibe für die nächsten Tage lag in Völs am Schlern, in der Nähe von Bozen. Das Hotel Gfell liegt ziemlich weit oben und man sollte dem Navi bzw Google Maps genau zuhören um nicht die Abfahrt zu verpassen, die dann über eine schmale Straße zum Hotel führt.
Wir hatten Glück gehabt nicht eine Woche vorher gefahren zu sein, denn Südtirol und alles östlich davon war von heftigen Regenfällen mit Überschwemmungen und Erdrutschen heimgesucht worden. In der Region um Bozen machte sich das an Schnee auf den Gipfeln bemerkbar, der wenige Tage zuvor sogar noch vor dem Hotel gelegen hatte.
Das Hotel ist familiengeführt und wurde erst vor vier Jahren komplett umgebaut und ins neue Jahrtausend gebracht. Die modern gestalteten Zimmer haben uns sehr gut gefallen und gepaart mit der alten Scheune, die heute Frühstücksraum ist, ist hier eine Wohlfühloase entstanden.
Hotel Gfell
Zum Hotel gehört noch das Restaurant Schönblick, dass südtiroler Küche mit modernem Touch bietet. Wir waren fast jeden Abend dort essen und hatten auch keinen großen Grund woanders hinzugehen wenn nicht... Aber dazu später mehr.
Leckereien aus dem Schönblick
Ein großer Vorteil des Hotels ist die Lage. Sie ist so weit oben, dass von dort schon einige Wanderwege direkt losgehen. Man spart sich Autofahrten oder sonstige Zeitverschwendung und kann sofort loslegen.
Für den ersten Tag aber hatten wir vor erstmal Bozen zu erkunden. Vom Hotel ist man mit dem Auto in ca 20 Minuten unten. Ein Plan von Kathrin war der Besuch des archäologischen Museums mit seinem berühmten Bewohner: Ötzi. Dummerweise hat man uns bei der Touristeninfo aber darauf hingewiesen, dass Montags die Museen alle zu seien. Ok, also kurzerhand umgeplant und wir sind stattdessen mit der Seilbahn hoch nach Oberbozen gefahren um uns die Sandpyramiden anzuschauen. Mit der Bahn sind wir weiter nach Klobenstein und von dort zu den Erdpyramiden von Lengmoos gelaufen. Obwohl es durch beschauliche Dörfer ging, bekamen wir schon einen Eindruck von der Bergwelt Südtirols. Von unserer Seite konnten wir den Schlern und die Seiser Alm sehen und ich muß sagen, das war schon recht beeindruckend. Auch die Erdpyramiden, die über Jahrtausende durch Erosion entstanden sind, waren schön anzusehen.
Erdpyramiden und Blick auf Bozen
Nach der Fahrt zurück nach Bozen, ließen wir uns etwas durch die Stadt treiben. Sie ist weder sonderlich groß noch spektakulär, aber hat einige schöne Ecken. Jedoch ist sie eher auf die typische Senioren- und Wandererklientel ausgerichtet.
Ein paar Eindrücke aus Bozen
Wegen Ruhetag des Restaurants im Hotel, hatte Kathrin einen Tisch in der Löwengrube reserviert. Es ist das älteste Gasthaus der Stadt und bietet einen kreativen Mix aus regionaler Küche mit internationalen Einflüssen. Uns hat es sehr gut gefallen und natürlich auch geschmeckt.
Löwengrube
Am nächsten Tag ging es los mit der Wanderei. Im Hotel gab es eine Übersicht über ein paar mögliche Routen und deren Schwierigkeitsgrade. Wir entscheiden uns für eine mittelschwere Tour auf die Tschafonhütte, die auf etwa 1700m liegt. Sie sollte in etwa 1.5 Std zu erreichen sein, mit einem Höhenunterschied von ca 400m. Das Wandern durchaus anspruchsvoll bzw anstrengend sein kann, dürften allen, die es betreiben bekannt sein. Ich kannte es aus der Theorie und kann nun bestätigen, dass man auch beim Wandern gut ins Schwitzen gerät. Jedoch ist diese Anstrengung es wert, denn sobald man im Wald abtaucht, ist das wie "Fensteröffnen für den Kopf". Man lüftet ordentlich durch und vergisst schnell alles andere. Wir atmeten tief ein und aus und mit jedem Schritt wurden wir entspannter. Man konzentriert sich auf das Wesentliche und unserer Blicke wurden teilweise auf Kleinigkeiten gelenkt, wie eine Blume am Wegesrand oder ein Spalt zwischen den Bäumen, der den Blick auf die ein oder andere Wand freigab. Es war einerseits anstrengend aber auch wirklich schön als uns wundervolle Ausblicke zu einem kurzen Stop veranlassten. Das Wetter war schön und die Sonnenstrahlen, die langsam über den Bergkamm krochen, wärmten die ansonsten kühle Luft ein wenig. Das ich dabei nur in Sneakern lief, stellte sich als kein Problem heraus. Ich hatte zwar am Vortag noch in Bozen nach Wanderschuhen geschaut, aber die Preise hatten mich dann doch abgehalten, vor allem, da ich wahrscheinlich gar nicht so oft dazu kommen werde zu wandern.
Wanderung zur Tschafonhütte
Nach der angegebenen Zeit hatten wir dann wirklich die Tschafonhütte erreicht. Das war auch kein Problem gewesen, denn die Wege waren gut ausgeschildert. Wir bewegten uns zunächst auf Nr 7, und wenn es an eine Gabelung kam, war immer klar markiert wohin wir mussten.
Sowas wie eine Hütte bzw Refugio kenne ich ja nur aus Dokus. Kathrin als Skifahrerin ist damit besser vertraut. Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Menschen einkehren. Wir waren vielleicht eine Stunde oben, und in der Zwischenzeit kamen bestimmt 50 Leute vorbei. Ein ständiges Kommen und Gehen. Natürlich durfte eine Stärkung nicht fehlen. Kaiserschmarrn, und vorher, weil es doch frisch war, eine Markklößchensuppe. Dabei lernten wir einen Fotografen kennen, der in der Gegend beheimatet ist und inzwischen sein erstes Buch herausgebracht hat. Wir haben uns dann noch ein Weilchen mit ihm unterhalten und im Buch, das auslag, geschmökert. Wer Lust hat, schaue mal unter @Michael_Trocker in Instagram.
An der Tschafonhütte
Auf der Rückseite ging es dann über den Weg 4 hinab zum Wuhnleger. Das ist ein kleiner Teich, der aber eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, weil sich, in einem bestimtmen Winkel, der Rosegarten darin spiegelt. Vor allem bei Sonnenuntergang ein beliebtes Fotomotiv.
Wuhnleger
Ja, der Rosengarten... Vor dem Urlaub wusste ich gar nicht was das ist. Als Kathrin sich auf einer anderen Reise mit einem anderen Fluggast über Südtirol unterhielt und es auf den Rosengarten zu sprechen kam, war mein Beitrag zur Konversation, dass im September doch gar keine Rosen mehr blühen. In Wirklichkeit rührt der Namen aus einer Sage um Zwergenkönig Laurin, der den Rosengarten hütete wie seinen Augapfel. Die Kurzform der Geschichte: Nach einer erfolglosen Liebesgeschichte, die in einer Entführung gipfelte, wurde die Befreiung der Geliebten nur deshalb von Erfolg gekrönt, weil die Befreier der Dame Laurins Fähigkeit sich unsichtbar zu machen aushebelten, weil sie anhand der Bewegung der Rosen erkennen konnten wo er sich befand. Der Festgenommene belegte daraufhin den Rosengarten mit einem Fluch, das kein Menschenauge die Pracht des Gartens, weder bei Tag noch Nacht, jemals zu Gesicht bekommen sollte. Er vergaß die Dämmerung, weshalb sich die Enrosadia, das Rotglühen der Felsen, am besten dann erleben lässt.
Ohnehin ranken sich viele Legenden um die Berge des Schlerns. Es soll Hexen gegeben haben am Hexenstein bei Völs, oder aber auch die Schlernhexen, oder auch Zwerge, und andere Geschichten die man sich seit Jahrhunderten erzählt. Hier eine kleine Übersicht.
Die Region Seiser Alm, zu der auch das Schlernmassiv und der Rosengarten gehören, ist mit den Dolomiten inzwischen UNESCO Weltnaturerbe. Und wenn man sich mal dort umgesehen und die Natur erlebt hat, kann man auch verstehen warum. Alles ist irgendwie "down to earth" und einfach nur schön.
Der Wuhnleger hat auch nicht enttäuscht und war wieder ein solcher Ort wo die Schöpfung einfach nur derart großzügig zu Werke ging, dass man erstmal sprachlos ist. Selbst die Rinder, die dort auf der Alm weideten spüren scheinbar diesen besonderen Ort und waren teilweise so zutraulich, dass sie auf einen zukamen und sich kraulen ließen. Und wehe man gab sich keine Mühe...
Etwas worauf wir uns jeden Tag nach den Wanderungen freuten, war die Sauna. Obwohl es meist recht sonnig war, stiegen die Temperaturen kaum über 15Grad, und vor allem beim Abstieg wurde es auch teilweise etwas frisch. So konnten wir uns dann aufwärmen und die Muskeln, von denen wir teilweise nicht wussten, dass sie existierten, entspannen.
In den folgenden Tagen wanderten wir verschiedene Wege ab, die aber alle weniger anstrengend waren als der erste. Dafür waren die Strecken etwas länger, so dass wir meist 10-15km am Tag liefen. Dabei kehrten wir auch immer wieder in schönen Hütten ein, wie die Hofer Alpl und die Tuffalm. Auf letzterer wird regelrecht ein Zoo gehalten. Neben Rindern, Ziegen und Schafen gibt es auch Pferde, Alpakas und Kamele.
Ein paar Eindrücke von unseren Wanderungen und den Hütten
Wie sagte ein Freund so schön: In Südtirol kann man gar nicht schlecht essen. Wie recht er damit hatte. Egal wo wir waren, es hat immer geschmeckt. Sicherlich hat die viele Bewegung ihr übriges getan, aber die Küche der Region, worauf die Südtiroler auch stolz sind, hat ihren Platz auf der kulinarischen Weltbühne mehr als redlich verdient.
Einer der dabei herausragt, ist Norbert Niederkofler. Er betreibt das Atelier Moessmer in Bruneck. Das war das einzige mal, das wir weiter gefahren sind, aber da ich schon lange mal hin wollte, war es nur ein kleiner Umweg. Sein "Cook the Mountain" ist streng regional und saisonal. Es wird viel haltbar gemacht, wie es seither Tradition in diesen Gegenden ist, und eben auch nur das gekocht, was die Natur grade hergibt. Dabei verfolgt er auch einen "Nose to tail" Ansatz sowie eine ethische Komponente, die eine faire Behandlung der Zulieferer beinhaltet. Wir finden diese Philosophie so spannend, weil es auch ziemlich dem entspricht, wie wir versuchen zu kochen, dass für mich ein Besuch Pflicht war und auch das einzige, was Bedingung in diesem Urlaub war.
Ein Spitzenrestaurant zu besuchen ist immer etwas besonderes. So war es auch hier und wir nach dem wir empfangen worden waren in der Lounge zu den Grüßen der Küche gebeten. Danach zeigte uns unsere charmante Servicekraft die Räume, die sich in einer alten Industriellenvilla befinden und wie man sie der neuen Bestimmung zugeführt hat. Die Tuche der Fabrik dienen z.B. als Wandbezug oder Garnspulen als Vasen. Das Essen, war, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, vorzüglich. Keine Schwächen und was auch bemerkenswert ist: Es braucht keine Gänsestopfleber aus Frankreich, Abalonen aus Japan oder Hummer aus Kanada. Wie man fantastisch kocht, ohne in die Ferne zu schweifen und dazu auch jeden Zulieferer bei der Vorstellung der Gerichte mit einbezieht, zeugte davon, dass hier jeder gewürdigt wird. Jedenfalls war der Abend ein Höhepunkt in jeglicher Hinsicht.
Atelier Moessmer
Wo wir schon beim Essen sind: Eine Sache war dann doch etwas ernüchternd gewesen. So sehr wir uns auch gefreut haben frei laufende Rinder zu sehen und eine gewisse ethische Landwirtschaft zu erleben, so schnell wurde mir meine "Rosa Brille" auch abgenommen. Auf einem der Höfe, die in der Nähe unseres Hotels lagen, konnten wir die typischen Kälberiglus sehen, die verwendet werden wenn die jungen Tiere von ihren Müttern getrennt werden, weil diese eigentlich für die Milchproduktion gebraucht werden. Ein Zwiespalt mit dem ich mich schon länger beschäftige und der mich auch schon zu einer deutlichen Reduktion des Milchkonsums gebracht hat, aber so ganz kann ich auf Käse & Co. halt doch nicht verzichten.
Trotzdem waren unsere Eindrücke fast durchweg positiv, auch was die Haltung von Vieh angeht. Auf den Almen konnten sie frei grasen und wir hatten das Gefühl, dass hier oft noch ein fairer Umgang mit ihnen stattfindet.
Nach vier mehr oder weniger langen Wanderungen, sehr gutem Essen, tollen Erlebnissen in der freien Natur und einer insgesamt sehr erholsamen Zeit, kam der Zeitpunkt des Abschieds. Irgendwie war es schade, aber eine gute Woche war ein idealer Zeitraum um mal Abzuschalten. Ich werde jedenfalls Urlaub in den Bergen nicht mehr als "Notlösung" sehen noch das Wandern mit einem mitleidigen Lächeln quittieren. Es war ein abwechslungsreicher und schöner Trip in eine malerische und bodenständige Region. Fast zu schön um wahr zu sein.