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Mittwoch, 25. Oktober 2023

Reisebericht Kyoto 2023 - Vierzehn... Teil 2

Hier nun der zweite Teil unseres Reiseberichts...

Auf unserer ersten Reise nach Japan hatten wir das Glück in einem Ryokan Hotel zu nächtigen. Dieses beinhaltete auch ein traditionelles Frühstück jeden Morgen. Uns wurde damit ein Stück japanischer Essenskultur näher gebracht. Damals wurde alles direkt für uns zubereitet, und ich kann mich erinnern, dass es wirklich gut war, aber wir uns davon eigentlich gar nichts behalten haben. Eigentlich schade, denn in unserem Hotel gab es auch die Möglichkeit japanisch zu frühstücken, allerdings wurde es nicht für uns zubereitet und setzte somit voraus, dass man mit den Gepflogenheiten vertraut ist. Kathrin hat sich zwar meist eine Suppe genommen, aber meine Versuche ein taugliches Frühstück zusammenzustellen scheiterten kläglich, weswegen ich dann auf Müsli und Brötchen umschwenkte.

 

Ein paar Eindrücke aus dem Kanra
 
Bicycle, bicycle...

Radfahren in Kyoto ist einfacher als man denkt. Zunächst einmal ist die alte Kaiserstadt relativ flach, weil sie in einer Senke, umgeben von Bergen, liegt. Das begrenzt das Wachstum eigentlich in alle Richtungen, bis auf Süden, wohin sich die Bergketten öffnen. In der Stadt selbst gibt es sehr viele Radfahrer und dementsprechend viele Radläden und -verleihe. Radwege sind auch vorhanden, und auch Radspuren auf der Straße. Und zu guter letzt: Die Autofahrer sind extrem rücksichtsvoll, falls man auf der Straße fährt, statt dem Bürgersteig. Auch die Tatsache, dass Linksverkehr herrscht, bereitete uns keine Probleme. Wir hatten, wie gesagt, das Glück, Räder im Hotel zu bekommen und mussten so nicht noch extra irgendwohin.
Ein paar kurze Tipps fürs Radfahren in Kyoto:
- man kann sowohl auf der Straße als auch Bürgersteig fahren.
- Abstellen geht nur auf ausgewiesenen Plätzen. Die meisten Sehenswürdigkeiten haben jedoch einen, der meist am Autoparkplatz liegt. Manchmal sind sie kostenpflichtig.
- Falls man das Rad nutzt um Strecke zu machen und Zeit zu sparen, sollte man sich Orte aussuchen, die halbwegs auf dem Weg liegen. Kyoto hat nämlich eine ordentliche Ausdehnung. 

 
Higashi Hongan-Ji

Und weil es so schön war, haben wir uns am folgenden Tag gerade nochmal die Räder ausgeliehen. Das Abendessen vom Vortag musste runter und wir wollten drei Sehenswürdigkeiten im Norden abklappern. Wir also wieder die schicken Helmchen mit den Hygienekappen darunter aufgesetzt, auf den Drahtesel geschwungen und los ging es. Das schöne ist, dass die Hauptstraßen in der Innenstadt rechtwinklig angeordnet sind. So konnten wir immer bis zu einer Ecke fahren, dann abbiegen usw. Die Fahrt dauerte ca 45min und unser erstes Ziel war eine der Top Attaktionen des Stadt: Kinkaku-ji, oder Goldener Pavillion. Zugegeben, der goldene Tempel, wie er da im Teich steht, ist unglaublich schön und romantisch, aber der Rest kam z.b. nicht an den Silberpavillion ran. Und dann diese Horden... 
 
 
 
Auch hier soll der Münzwurf ein langes Leben, Glück und ein 
Haufen Geld bedeuten. Wir haben beide in die Mulde vor dem
zentralen Buddha getroffen. :-)
 
Der Roan-ji wiederum liegt etwa 2km entfernt, was mit dem Rad super zu fahren ist. Laufenderweise hätte es bestimmt 20-30Min gedauert, aber so waren wir in weniger als 10Min dort. Er ist schon deutlich weniger überlaufen und durch den verschlungenen parkähnlichen Garten verteilen sich die Menschen auch besser. Es ist ein Ort, der für seinen Zen Steingarten gerühmt wird... Hhmm... ehrlich? Hat mich nicht umgehauen. 25x10m Kiesel und 15 größere Steine... Der Rest war dafür schön. 
 

 

 
Roan-ji
 
Das letzte Ziel lag wiederum nur ca 1km entfernt, und hatte noch weniger Besucher. Der Ninna-ji Tempel ist eine sehr schöne Anlage. Ein kleiner Palast, etwas Zengarten, eine fünfstöckige hölzerne Pagode und diverse Tempel. Dazu verschlungene Pfade durch einen schönen Garten. Warum hier kaum Menschen waren, erschloß sich uns nicht, aber wir wollten nicht meckern, denn somit hatten wir Zeit und Platz um uns umzusehen. 
 
 


Ninna-Ji
 
Das eigentliche Highlight erlebten wir aber auf dem Rückweg. Es stand zwar auf unserem Plan, wir hatten aber etwas getrödelt und so war es schon recht spät. Myoshin-ji ist wie ein kleines Dorf. Es sind mehrere buddhistische Tempel auf einem Gelände verteilt. Sie sind teilweise mit Mauern umgeben aber es gibt auch einige Stätten, die man sich ansehen kann. Insgesamt gibt es dort über 40 Tempel/Gebäude, von denen sieben (teilweise) öffentlich zugänglich sind. Die restlichen Gebäude sind den Schülern und Lehrern vorbehalten. Vieles ist in alter Holzkonstruktion (und meist ohne einen einzigen Nagel) gebaut,  und irgendwie entfuhr mir der Vergleich: Wie Hessenpark, nur auf japanisch... Es ist die Zentrale der Rinzai Bewegung des Zen und selbstverständlich ihre größte und bedeutendste Anlage. Wir waren jedenfalls ziemlich begeistert, doch leider wurde es schon langsam dunkel, weswegen wir uns nur mal kurz umschauen konnten.
 

 
Myoshin-Ji und Sonnenuntergang

Für den Abend hatten wir nichts vorgebucht und uns auf die Empfehlung unseres tollen Concierge Takashi verlassen. Ein Sobanudel Restaurant, das Soba-no-mi Yoshimura. Recht einfach, aber typisch japanisch und mit Warteschlange vor dem Eingang. Ein gutes Zeichen, und auch etwas dem man in Japan oft begegnet. In einer Reihe anstellen. Warum klappt das nirgendwo sonst? Ok, England vielleicht noch, aber dort ist es ja eine der Lieblingsbeschäftigungen.
Das Resto hat sich gelohnt. Schon im Erdgeschoß konnten wir dabei zusehen wie die Nudeln frisch und von Hand zubereitet werden. Mit einer englischen Karte und Bildern gelang uns die Wahl und wir hatten ein tolles Essen bei dem wir echt Spaß hatten. Sobanudelsuppe, Tempura, Sashimi, Thuna-Tataki, Gyoza....Lecker! 

 Das war alles richtig lecker
 
This is the end....
 
Ein Wort zum Besuch von Tempeln und Schreinen. Fast immer wird man, unabhängig von der Glaubensrichtung, am Eingang einer Anlage einen rituellen Brunnen, Temizuya genannt, finden. Er ist dadurch erkennbar, dass Holz-/Bambuskellen ausliegen und fast immer Menschen sich dort nach einem bestimmten Ritual die Hände und manchmal auch den Mund waschen. Diese Brunnen können recht einfach ausschauen, oder aber auch gerne mal etwas aufwendiger, wie z.B. einen wasserspeienden Drachen zeigen. Wenn man sich einmal mit dem Ritual vertraut gemacht hat, ist es gar nicht so schwer und, wie ich finde, benimmt man sich respektvoll an einem besonderen Ort. 

Ein Temizuya mit Drachen
 
Die Mission war in vollem Gange, denn wir hatten vier Orte noch nicht besucht. Doch zuerst ging es in den Süden der Stadt und zu einem anderen Highlight. Fushimi Inari Taisha ist berühmt für seine hunderten von Toriis, den rotorangenen Toren, die immer am Eingang vor Shinto Schreinen stehen, und die es in verschiedensten Größen gibt.
 
Toriis, wohin das Auge blickt

Hier betritt man das Gelände mit diversen Schreinen und Gebäuden, und wenn man diesen Bereich hinter sich gelassen hat, steigt man den Berg hinauf und durchwandert dabei unzählige Toriis. Das ist natürlich beliebt bei alt und jung, und entsprechend gut war es auch besucht, aber das muß ich ja nicht weiter ausführen.
 
 


 
Nicht voll wie in Indien, aber fast...
 
Man kann bis oben wandern, was ca 1 Std dauert, und auch genauso lange wieder zurück, aber wir haben auf etwa der Hälfte kehrt gemacht, weil es für den Eindruck schon gereicht hatte und wir das Gefühl hatten runter seien weniger Menschen unterwegs, was uns die Möglichkeit eröffnen könnte 
a) etwas ungestörter alles ansehen zu können
b) ein paar Bilder ohne bzw mit weniger Leuten machen zu können
Und so war es auch. Es gab immer mal Lücken im Strom und so konnten wir fotografieren und auch mal das Ganze besser wirken lassen ohne rumgeschoben zu werden. 

 
Ja, wenn man die ausgetretenen Pfade mal verlässt, 
kann man auch ungestört sein.
 
Die dadurch gewonnene Zeit haben wir mit einem Besuch einer weiteren WKE genutzt. Der To-ji Schrein liegt in der Nähe der Kyoto Station und ist gut mit der privaten Bahn der Kintetsu-Kyoto-Line erreichbar.
Ja, die Subways und Nahverkehrszüge sind nicht alle gleich und in einem Verbund. Es gibt welche die von JR betrieben werden, und mit dem JR Pass befahren werden können, und dann die von privaten Betreibern. Diese werden meist mit einer lokalen Zahlkarte (ICoca bzw Suica/Pasmo in Tokio) genutzt. Das führt dann oft dazu, dass man an größeren Bahnhöfen bzw Hubs, den Bereich des einen Verbunds verlassen muß und den eines anderen, unter neuer Bezahlung, betritt. In wenigen Fällen verlässt man sogar die Station um auf der anderen Straßenseite eine andere zu betreten.
Was aber wirklich hilfreich ist, sind die Infobildschirme in den Zügen, die die nächste Station anzeigen, und kurz vor Ankunft auch die Station, mit Lageplan in welchem Wagen man ankommt und wo sich die Ausgänge bzw Rolltreppen befinden. Alles in allem wirklich ein hervorragendes Nahverkehrssystem, das es einem wirklich leicht macht sich fortzubewegen und zu orientieren.
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, der Toji Schrein. Es ist die höchste Holzpagode des Landes und auf dem Gelände befinden sich noch die "heiligen Hallen" mit Kunst aus der Shogun Zeit. 
 
 
To-ji Pagode
 
Obwohl die Challenge witzig war, war schon kurz nachdem wir sie ins Leben gerufen hatten klar, dass wir sie nicht packen würden. Eine der Sehenswürdigkeiten ist nicht so ohne weiteres zugänglich. Der Sahoji Tempel erfordert vorherige Reservierung, und wenn man Glück hat, muß man zuvor eine religiöse Tätigkeit, wie das Abschreiben einer Sutra, absolvieren, bevor man in den Garten darf. Dass die Besucherzahl auch sehr begrenzt und er meist ausgebucht ist (und zu unserer Zeit auch war), muß ich wohl nicht erwähnen.
Abgesehen davon hatten wir beschlossen zwei weitere WKE nicht zu besuchen, weil sie etwas weiter weg liegen und zuviel der kostbaren Zeit in Anspruch genommen hätten. So ist es am Ende bei 11 der 14 Ziele geblieben und die Challenge ist failed.... Alles nicht so schlimm, denn wir waren ja nicht da um uns zu stressen, sondern eine gute Zeit zu haben. So haben wir noch die Zeit genutzt uns mal die Innenstadt anzusehen und uns, nach all den spirituellen Orten, mal ganz irdischen Bedürfnissen, wie dem Konsum, zu widmen. Vor allem wollten wir den Nishiki Markt besuchen in dem es viel frische Lebensmittel, japanische Spezialitäten und originelle wie alltägliche Waren gibt. Perfekt also um mal etwas vom Alltag in Japan mitzubekommen und kennen zu lernen. Man bekommt oft Kleinigkeiten zum probieren angeboten und kann sich quer durch die japanische Küche essen. Wirklich ein schöner Ort, der unser Abschluß in Kyoto war.
 
 
 


Diese Teller sind nicht etwa mit frischem Essen gefüllt. Es sind 
perfekte Plastikattrappen, Sanpuru genannt, die auch gerne als
Mitbringsel dienen.
 
Am Abend waren wir dann wieder Essen. Diesmal in einem chinesisch geprägtem Restaurant, dem Velrosier. Was vielversprechend anfing, erlebte etwa zur Mitte des Menüs eine ungeahnte Wendung. Während wir einen Gang präsentiert bekamen, wurde fast beiläufig die Zutat "shark-fin" erwähnt. Mir stockte der Atem und nachdem der Angestellte gegangen war, fragte ich Kathrin, ob sie das gleiche verstanden hat. Ja, kein Zweifel. Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf.... Zurückgehen lassen? Szene machen? Probieren? Ich bin überzeugt davon, dass der Haifischfang und das Abschneiden der Flossen bei lebendigem Leibe an Grausamkeit kaum zu überbieten ist. Es ist ein Wahnsinn was wir Menschen den Tieren antun und nun hatte ich uns in eine Situation gebracht, die mich ziemlich auf die Probe stellte. Die Minuten vergingen und wir beide waren hin- und hergerissen, was wir tun sollten. Wenn wir es zurückgehen ließen würde der Hai einerseits nicht wieder lebendig werden, andererseits aber auch sicher die Nachfrage nicht schmälern. Unseren Unmut öffentlich machen schied auch aus, weil es bis dahin wirklich ein sehr gutes Menü war, und in Japan andere Sitten herrschen, was Kritik äußern angeht (Gesicht verlieren, usw).
Also aßen wir die Suppe und ich kann sagen, dass ich selten etwas weniger gern getan habe. Mir blutete das Herz, aber ich hatte beschlossen, im Nachhinein eine Mail zu schreiben und unseren Standpunkt und Empfinden klar zu machen. Ich wollte auch darauf hinweisen, dass die Fangmethoden ethisch nicht vertretbar sind und das sie das in die Menüentscheidung mit einfliessen lassen sollten. Da ich mir aber ganz sicher sein wollte, ob wir alles richtig verstanden hatten, wollte ich mich erstmal rückversichern und das Menü nachfragen. Das habe ich noch am gleichen Abend getan, und leider hat sich unsere Vermutung bestätigt.
Also werde ich obiges tun und hoffen, dass es dazu beiträgt jemand zu überzeugen davon abzusehen SF zu verwenden. 
 
 

Velrosier
 
Spätabends durch Gion, dem Geishaviertel, zu laufen war wiederum etwas sehr schönes. Das schummerige Licht, das die Gassen kaum erhellte, vermischt mit den dumpfen Geräuschen aus den Izikayas und Ryoteis, wo oft nur die Eingangstür beleuchtet war, verliehen der Szenerie etwas mystisches. Ab und an huschte eine Gestalt vorbei und wir bekamen auch unsere erste Geisha zu Gesicht. Es war eigentlich wenig los aber auch hier wieder diese strengen Sitten, als wir drei Leute aus einem Lokal kommen sahen. Sie verabschiedeten sich, und schnell war klar, wer der höchstgestellte war. Während er ging, blieben beide anderen, teilweise leicht gebeugt, an der Stelle stehen wo sie sich verabschiedet hatten, bis der Chef nicht mehr zu sehen war. Erst dann setzten sie sich in anderer Richtung in Bewegung. Faszinierend und doch fremdartig zugleich.
 


Diese Laternen heißen Chochin und können ganz unterschiedliche
Bedeutung haben. Man findet sie an Kneipen, genauso wie in 
Tempeln oder auch auf Straßenfesten.
 
Eigentlich war es schade, dass wir Gion gar nicht soviel Beachtung geschenkt hatten. Unsere Challenge hat uns alles abverlangt und deshalb müssen wir wohl nochmal hinfahren. Wir spazierten noch durch den Maruyama Park und schlenderten zum Hokan-ji Tempel, dem wohl meistfotografierten Motiv Kyotos. Verglichen mit dem Nachmittag zuvor war das eine völlig andere Welt, so ganz ohne Touris und Gedränge. 
 


Gion bei Nacht
 
Big City Lights

Die Mission haben wir nicht gepackt. Am Ende haben von den 14 WKE drei gefehlt. Ist aber auch egal, denn wir wurden noch mit soviel anderen Eindrücken und Attraktionen belohnt, das es gar keine Rolle mehr spielte. Einige haben uns sogar besser gefallen bzw mehr angesprochen. Dennoch besuchten wir vor der Abfahrt, früh morgens den Nishi-Hoan-ji Tempel (Attraktion Nr 11) und konnten sogar einer Morgenzeremonie beiwohnen.
 
 

Nishi-Hoan-Ji mit einem großen Bronze Toro (Laterne)
 
Frühmorgens unterwegs zu sein ist schon irgendwie anders, als tagsüber. Der Ort ist meist noch ruhig. Es sind wenige Menschen unterwegs und das vermittelt ein Gefühl von unverfälschter Realität. Alles ist wie es ist und keiner stört, der meint etwas müsse anders aussehen. Das gilt auch für die vielen Menschen, die ansonsten die Straßen bevölkern und deren Abwesenheit ich sehr schätze. Vielleicht ist das auch ein Grund, dass ich inzwischen gerne morgens unterwegs bin und es mir (neben der senilen Bettflucht) nichts ausmacht weniger zu schlafen. 
 
 

Während wir im Shinkansen nach Tokyo saßen, überkam uns etwas Melancholie, denn wieder einmal lag ein Urlaub hinter uns, der uns aufgetankt hat mit neuen Erfahrungen und Eindrücken.
 
Fuji-san
Um einen ungestörten Blick zu haben, kann man bei der 
Reservierung der Sitze darauf hinweisen.

Rückblickend bleiben, neben den schönen Dingen, die wir gemacht und gesehen haben, vor allem drei Dinge, die zwar nicht spektakulär waren, aber auch eine "Erwähnung ehrenhalber" verdient haben:
1. Das Transportwesen in Japan. Das ein Shinkansen sich verspätet ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. 90 Sekunden an jedem Bahnhof, dann geht es weiter. Der Zug fährt mit einer Präzision, dass er auf die Minute genau ankommt.
Auch im Öffi ist die Taktung hoch und pünktlich. Die Haltestellen sind durchnummeriert und man braucht nur zu schauen ob man abwärts oder aufwärts gezählt fahren muß. In den Zügen sind meistens kleine Bildschirme mit Infos (auf Japanisch und Englisch) zu den Ausgängen und in welchem Wagen man sich befindet. Es ist unglaublich fahrgastfreundlich. Die Menschen warten in Reihen bis alle ausgestiegen sind, und es wird weder gedrängelt noch geschoben (außer in der Rushhour in Tokio).
 
Infobildschirm in einer Metro
 
2. Damit wären wir auch beim zweiten Punkt. Uns mag so manches Verhalten von Japanern verschroben und seltsam vorkommen, aber alles fußt auf einem tiefliegenden Respekt vor der Familie und den Mitmenschen. Das wird schon von Kindheit an vermittelt und man merkt es in allen Lebenslagen. Selbst die ultracoolen Kids stehen in der Bahn für Ältere auf oder lassen jemanden vor. Wir haben im Urlaub, glaub ich, nicht eimal eine Hupe im Verkehr gehört. Jeder wartet bis er fahren kann, und wenn das bedeutet, dass er schon bei Gelb halten muß, dann ist das eben so.
3. Öffentliche Toiletten... Ja, ernsthaft. Noch nie so erlebt. Erst wenn man den ganzen Tag auf den Beinen ist, merkt man, dass es wirklich ein Luxus ist sich keine Gedanken über das Stille Örtchen machen zu müssen. Es gibt alle paar Straßen welche und die sind alle pikobello sauber. Ich will mir gar nicht ausmalen wie sie bei uns aussähen...
Dafür sind Mülleimer Mangelware. Aber das liegt daran, dass Japaner ihren Müll meist mit heimnehmen und dort entsorgen.

 
Hier braucht man sich nicht ekeln.
 
Und dann spuckte uns der Shinkansen wieder in Tokio raus. Keine völlig andere Welt, aber es war deutlich zu spüren, dass die Uhren anders ticken. Alles etwas schneller, hektischer und lauter.
Nachdem wir im Airport Hotel eingecheckt hatten, wollten wir die letzten Stunden bis zum Abendessen für eine Stippvisite in der japanischen Kapitale nutzen. Um nicht allzu weit zum Resto zu fahren, beschlossen wir die Ungebung des selbigen anzusteuern, und das war Shinjuku und Shibuya.
Die angeblich vollste Kreuzung der Welt in Shibuya, wurde, verglichen zum letzten mal, deutlich entschärft. Der Verkehr ist eingeschränkt und wir haben nur noch wenige Autos dort gesehen. Gleich geblieben sind aber die Leuchtreklame. Überall blinkt und leuchtet es von den Wänden und Dächern.
 
 
Shibuya
 
Die Statue von Hachiko ist noch immer ein Magnet. Das geht soweit, dass sich eine beachtliche Schlange bildet mit Leuten die dort Bilder machen wollen. Wir stellten uns auch artig an, als wir feststellten, dass jeder nur 10-20 Sekunden seine Bilder machte und dann den Nächsten dran ließ. Bis dann zwei Gören kamen und anfingen eine Fotosession zu machen. Sie waren schon bestimmt gute zwei Minuten dran, posedten rum, tauschten das Ersthandy gegen das Zweit- und Dritthandy, während viele der Wartenden die Augen verdrehten. Da platzte mir der Kragen und ich vergaß japanischen Anstand und Netiquette. Ich ging nach vorne und stellte sie, ganz westlicher Touristyle, schön ins Achtung als ich ihnen klarmachte, dass auch andere noch dranwollten. Einige überraschte Gesichter, andere die mir ein "Thank you" entgegenhauchten als ich mich zurück in die Reihe stellte, aber meine Ansage zeigte Wirkung. Kurz darauf waren sie weg und bis wir drankamen, war Zucht und Ordnung.
Auf der Suche nach einem Klo ( ja, hier war das nicht mehr so luxuriös wie in Kyoto) landeten wir in einem Supermarkt. Da schoß mir ein Gedanke durch den Kopf, nämlich: Melonen... Habt ihr doch bestimmt auch schon mal in Reportagen gesehen... viereckige Wassermelonen für mehrere hundert Euro, usw. Wir sahen echtes Kobe-beef für fast 30€ für 100g, und in der Obstabteilung fanden wir zwar keine Wassermelonen, aber die teuersten Honigmelonen, die wir bisher gesehen haben.
 
150 Yen sind etwa ein Euro. 
Ausrechnen dürft ihr selber

Wir liefen noch etwas durch das dämmrige Shibuya bevor wir nach Shinjuku fuhren. Ein Riesenbahnhof. So einer von der Kategorie, dass man sich gut verlaufen kann. Das wurde auch noch dadurch verstärkt, dass in der B-Ebene Bauarbeiten stattfinden, die es zu einem wahren Labyrinth machen. 
Oben angekommen, war alles irgendwie vertraut. So vertraut, dass wir auch ohne weiteres wieder die Piss-Ally fanden, die wir vor 5 Jahren doch etwas suchen mussten. 
 
 

Piss Ally im Herbstlook
 
Als ich dann eine Pachinko-Halle sah, zog ich Kathrin mit hinein. Eines der urtypischsten Spiele der Japaner, mussten wir uns ansehen. Wir waren etwas verwundert, weil man draußen nichts hörte (und aus der Erinnerung vom letzten mal etwas ganz anderes abgespeichert hatten), aber das änderte sich, nachdem wir durch die zweite Glastür ins Innere der Spielhölle traten. Ein Lärm wie von einem Hagelschauer unterm Dach, kam es mir vor. So laut und völlig abgefahren. Davor die Spieler, die auf mich eher den Eindruck von Zombies machten, denn teilweise saßen sie ziemlich teilnahmslos herum. Wenn einer einen Herzstecker bekommen hätte... Ich glaube es wäre erst bei Geschäftsschluß bemerkt worden... Oder haben diese Hallen 24/7 Betrieb? Ich weiß es nicht... Was das Spiel angeht? Kein Plan... Ein wenig wie Flipper, aber senkrecht und mit Dutzenden von kleinen Metallkugeln. Was man damit machen soll...? Ein Rätsel. Wir kamen mit mehr Fragen raus als wir reingegangen waren, aber nichts was uns allzuviel Kopfzerbrechen bereitet hätte.
 
Pachinko
 
Nachdem wir auch einem kurzen Streifzug in Shinjuku gemacht haben, sind wir dann mit der Odakyu Linie ein Stück gefahren um zu unserem Ziel, dem Sio, zu kommen.
 
 

Shinjuku
 
Ein entspannter Laden mit Hinterhof Atmosphäre. Die Küche? Etwas italienisch. Etwas französisch... ganz viel japanisch und alles modern interpretiert. Wir hatten einen tollen Abend, auch weil Moe, uns ganz reizend bewirtet hat. Dabei hat gepasst, dass sie Englisch sprechen und in Übung bleiben wollte, und wir unsere Neugier dazu genutzt haben sie zum Sprechen zu animieren. Eine win-win Situation. Sie beantwortete unsere Fragen zu Japan, und wir erfuhren von ihr, dass sie eine Köchin in Ausbildung sei, und ihr Traum ein eigenes Resto zu haben ist.
 
 

Sio
 
Zurück sind wir dann wieder mit der Bahn, nachdem wir uns vergewissert hatten, dass sie noch fuhren, denn ab Mitternacht wird es schwer. Da wir aber gut in der Zeit waren, haben wir so bestimmt um die 100€ für Taxifahrten gespart und sind etwas in den japanischen Alltag eingetaucht. Obwohl es ca 23h war, waren die Züge knackevoll. Müde Sekretärinnen, angetrunkene Bürohengste, Cyberpunks... Eine bunte Mischung und ordentlicher Querschnitt der japanischen Gesellschaft.
 
Für jede Bahn eine eigene Zone zum Anstellen

Am nächsten Morgen das Übliche dann... Restliches Zeug packen, auschecken, einchecken, Passkontrolle und dann heimwärts...
Ja, das war es dann... Naja, nicht ganz. "Eine Sache habe ich noch", um bei den Wortgebräuchen eines "Gurus des Antropozäns" zu bleiben. Während des Rückflugs wurden wir wach, und die sehr nette Stewardess machte uns auf die Polarlichter vor dem Fenster aufmerksam... Wer diesem Blog folgt, mag sich vielleicht an unsere Reise nach Lappland, Anfang des Jahres, erinnern. Dort war mir kurz vorher meine DSLR in den Eimer gegangen und ich musste mit der Ersatzcam fotografieren. Und so schloß sich der Kreis, denn nun konnte ich endlich mit der neuen Kamera Polarlichter knipsen. Allerdings war das Resultat nicht so besonders...

Grönland... Danke Putin
 
Nachtrag: Ich hatte nach dem Urlaub dann wirklich mit dem Chef des Velrosier gemailt und ihm mitgeteilt, dass es für uns ein sehr "zwiespältiges" Erlebnis war, mit der Haifischflossensuppe. Wie eigentlich nicht anders zu erwarten, hat er natürlich geantwortet und sich für das Feedback bedankt, nicht ohne sich für die Unannehmlichkeiten, die er uns bereitet hatte, zu entschuldigen. Er versprach das sie im Team besprechen würden, wie sie sich in die "richtige Richtung" entwickeln könnten. Was auch immer das heißt, aber vielleicht hat es ja einen Denkanstoß gegeben.