Dieses Blog durchsuchen

Posts mit dem Label Masken Festival werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Masken Festival werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 31. August 2024

Reisebericht Papua Neuguinea 2024 - Was hat General Yamamoto mit dem Ritter der Kokosnuss gemeinsam?

 
1943... Mit dem überraschenden Angriff Japans auf die Marinebasis Pearl Harbour Ende 1941, hatten die Japaner das Gleichgewicht in der Pazifikregion empfindlich gestört. Ohne ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis hatte die Kaiserliche Armee innerhalb des Folgejahres nicht nur die Philippinen, sondern auch Indochina und die malaiische Halbinsel bis Singapur, erobert.
Der Angriff auf die Midway Inseln Mitte 1942 war zwar nicht von Erfolg gekrönt gewesen, sollte aber dem Kopf hinter dem Plan nicht zum Verhängnis werden, da das Marinehauptquartier in Tokio seinen Plan zunächst in den Wind schlug, statt die Bedrohung durch die Amerikaner zu erkennen. Vor einem Angriff der Amerikaner auf Tokio hatte Admiral Yamamoto gewarnt, der Mastermind hinter beiden großen Angriffen auf Amerika. Als glänzender Taktiker trieb er die Flotte weiter an um die Reichweite des japanischen Einflusses zu vergrößern.
Teil davon war die Errichtung eines Flugfeldes auf Guadalcanal, einer Insel der heutigen Salomonen. Der geplante Stützpunkt dort sollte die Versorgung der Amerikaner von Australien aus erschweren und die Kontrolle über den Seeverkehr in der Gegend ermöglichen. Weil die Amerikaner aber den Plan durchschauten, hatte dies die schweren Schlachten der Korallensee zur Folge.
Im Zuge dessen, und auch weil sich die Rückschläge in der Region häuften, griff Japan 1942 den Stützpunkt Rabaul an, der von ein paar hundert Australiern gehalten wurde. Die Eroberung war Formsache und damit konnte wiederum der Nachschub der japanischen Front auf Neuguinea gestärkt werden.
 
Die Farben und Symbole der Flagge PNGs

2024... Als wir unseren langgehegten Wunsch endlich erfüllen konnten und PNG besuchten, war knapp ein Jahr der Planung vorausgegangen. Wir hatten verschiedene Kombinationen überlegt wie man Kultur und Taucherei sinnvoll in ca 3 Wochen Aufenthalt packen könnte, ohne zu viel Zeit in Flugzeugen zu verbringen. Erstens sind die Flüge nämlich teuer, und zweitens zeitraubend. Aber dazu später mehr.
 
 

 

Letztendlich haben wir uns für Rabaul entschieden und dann noch für Badeurlaub in der Nähe von Kavieng.
Ein Wunsch war es, ein Sing Sing zu erleben. Das sind Festivals, wo verschiedene Stämme zusammenkommen und ihre Gesänge und Tänze aufführen. Idealerweise sollte das mit der zweiten Etappe der Reise mit einem kurzen Flug zu verknüpfen sein, statt, wie meistens, den Weg über Port Moresby zu nehmen.
In Rabaul gibt es ein solches Festival, das lange nicht so bekannt ist wie seine Gegenstücke in Goroka oder Mt Hagen. Deswegen war es für uns schnell klar wohin es gehen sollte.
Als wir anfingen uns ein wenig einzulesen, stellten wir jedoch fest, dass diese Gegend viel mehr zu bieten hatte als das Maskenfestival.

Als wir Port Moresby erreicht hatten, nahm uns Evah, eine resolute aber sehr freundliche Dame in Empfang. Sie hatte unseren Reiseplan ausgearbeitet und war uns auf Anhieb sympathisch. Ihr angenehmes Wesen sollte aber nur ein Vorgeschmack auf die Menschen sein, denen wir noch begegnen würden. Mit ihr überbrückten wir die Zeit bis zum Weiterflug nach Rabaul. Sie kannte sich offensichtlich gut aus und hatte uns im handumdrehen für den Inlandsflug eingecheckt, und bevor wir uns umsahen, saßen wir bei einem gemeinsamen Kaffee, während wir andere Passagiere, die wir auf dem Flug von Singapur gesehen hatten, noch in der Schlange stehen sahen. In den folgenden Stunden haben wir schon einiges von ihr erfahren gehabt, nämlich, dass sie lange für Air Niugini gerbeitet hatte und am Flughafen jede Tür kannte (da wurde uns einiges klar). Außerdem kam ihre Mutter aus Rabaul, und ihr Vater aus Kavieng. Wenn das mal kein Zufall war. Jedenfalls merkten wir bald, dass wir einen guten Draht zueinander hatten und die Wartezeit verging wie im Fluge. Das sollte sich später noch auszahlen. 
 
 Mt Tavurvur, rechts mit der abgesprengten Kuppe

Den Flug absolvierten wir im kleinsten Flugzeug, das wir je bestiegen hatten. Unsere Reihe 5 war die letzte und außer uns füllten ganze 19 weitere Passagiere den gesamten Flieger.
Unsere Unterkunft lag in Kokopo, nahe Rabaul. Rabaul selbst wurde nämlich 1994 von einem heftigen Vulkanausbruch des Mt Tavurvur praktisch unbewohnbar gemacht und war von einer meterdicken Ascheschicht bedeckt worden. Das zwang die Bevölkerung zur Umsiedlung, wodurch Kokopo mehr Bedeutung erlangte. Erst später siedelten sich wieder Menschen in Rabaul, heute Neu Rabaul, an. Dennoch ist das Gebiet, auch aus hstorischer Sicht, besser unter Rabaul bekannt als Kokopo.
 
 

Das KBB
 
Das Kokopo Beach Bungalows Resort (KBB) ist sicher eines der am schönsten gelegenen Hotels der Gegend. Mit Blick auf den "Übeltäter" Mt Tarvurvur und die Bismarcksee, ist das gleich Südseefeeling pur und es leuchtete uns ein, warum Rabaul mal die Perle der Südsee genannt wurde. Das Gefühl willkommen zu sein, stellte sich aber erstmal nicht wirklich ein, denn das Zimmer, das wir bekamen entsprach weder der gebuchten Kategorie noch gefiel es uns. Wir hatten sogar den Verdacht downgegraded worden zu sein. Von Seiten des Hotels gab es jedoch weder ein Einsehen noch ein Angebot für ein anderes Zimmer. Ein klarer Fall also für Evah. Nachdem wir ihr den Fall beschrieben hatten, dauerte es keine halbe Std bis wir ein Ersatzzimmer hatten, nämlich eines der gebuchten Kategorie. Mit über 33 Std Anreise und dem Wunsch ausschlafen zu können, bekamen wir auch unseren Ablaufplan für die kommenden Tage. Der besagte, dass wir am folgenden Morgen um 3.45h abgeholt würden um dem Beginn der Festlichkeiten beizuwohnen. Na sauber! 
 

Ausblick auf die Bucht von Rabaul
 
Wir wurden in die Nähe des Hafens von Rabaul gebracht. Kinavai, wie das Zeremoniell heisst, stellt die historische Eroberung von Ost-Neu-Britannien durch das Volk der Tolai nach. Die Tolai waren ursprünglich ein Volk, das von Neu Irland kommt, dann aber mit Booten übersetzte und den eigentlich einheimischen Baining Stamm von der Küste in die Berge vertrieb. 
 

Das Ganze startet bei totaler Dunkelheit und wir waren vielleicht ein paar Dutzend Touristen inmitten von einigen hundert Einheimischen. Worauf wir warteten war nicht so ganz klar, aber dann hörten wir aus der Ferne Schreie und Gesänge, die aber genauso abrupt aufhörten wie sie begonnen hatten. Ab und zu gab es Gegenrufe, die wie ein Echo zurückgegeben wurden. Eine gewisse Spannung baute sich auf und immer wenn man mal abgelenkt war, hallten wieder die Rufe durch die Dämmerung. Die Dynamik wurde dadurch verstärkt, dass man nie jemanden sah und die Rufe und Gesänge auch aus unterschiedlichen Richtungen kamen. Inzwischen waren auch richtig viele Menschen am Strand und die Abstände zwischen den Rufen und Trommeln wurden immer kürzer. Als es dann hell wurde konnte man die Boote erkennen, die, begleitet von den Gesängen, näher kamen. 
 
Warten auf die Boote

Wir wechselten unsere Position und da kam uns auch der erste DukDuk entgegen. DukDuks sind die personifizierten Geister des gleichnamigen Geheimbundes der Tolai. Sie sind blätterverzierte Wesen mit einem kegelförmigen Haupt. Man konnte die respekteinflößende Aura der Verkleideten, wie auch der unverkleideten Mitglieder spüren. Gerade die älteren Tolai, die Ketten von Muschelgeld verteilten, und Betelnuss kauend den Ankömmlingen etwas zuriefen, schienen den höchsten Grad der Hochachtung zu erfahren. Die Besucher wahrten Abstand und an manchen Blicken konnte man auch etwas wie Furcht, oder zumindest Respekt, erkennen. Bei den Touris war es weniger so, denn da ging es überwiegend um gute Bilder. 
 
 

 
DukDuks
 
Später landeten die Boote abwechselnd an und obwohl wir nicht viele Ausländer waren, vielleicht 50-100, war immer viel um die Tolai los. Frauen durften bei bestimmten "Zeremonien" nicht zugegen sein und mussten dann gehen. 
 

 
 
Etwa gegen 9h, das Schauspiel der Landung war inzwischen vorüber, versammelten sich die Angehörigen oberhalb des Strandes. Die Schaulustigen standen etwas Abseits und wir bekamen Gelegenheit mit Ausländern zu sprechen, die als Entwicklungshelfer, Seelsorger oder in anderen Positionen in der Region lebten und arbeiteten. Sie erzählten ein wenig zu einzelnen Personen und auch zu den Hierarchien der Tolai. So war u.a. auch der Gouverneur von East New Britain anwesend, der mir auch schon am Strand aufgefallen war, weil man gemerkt hat, dass es eine hochgestellte Persönlichkeit ist. 
 
Die Tolai tragen zu festlichen Anlässen meist einen roten Wickelrock.
Der Herr in der Mitte, mit dem Iro, ist der Gouverneur von ENB
 
Apropos Persönlichkeit... Während einer mehrstündigen Pause, bevor es auf dem Festplatz weitergehen sollte, wurden wir wieder ins Hotel gebracht. Dort saßen wir beim Frühstück und am Nebentisch saßen einige Leute im Anzug. Wir hatten es zwar bereits zuvor gehört, aber es wurde uns erst vor Ort bewußt, dass es die Gruppe um den Ministerpräsidente PNGs sein musste. Ja, wir saßen tatsächlich am Nachbartisch des Regierungsoberhaupts (ok, wir mussten ihn erst googeln) während die Herren (es waren u.a. auch der Finanzminister und der Außenmininster dabei) ihr Frühstück einnahmen. In unseren Gefilden völlig undenkbar. Keine Sicherheitskräfte oder erhöhte Vorkehrungen. Aber irgendwie wirkte die Entourage auch eher wie ein Rockerverein in Anzügen...
Dafür hatte ich bei der Auswahl am Frühstücksbuffet etwas entdeckt, dass mir eine Liedzeile ins Gedächtnis rief: "...he just smiled and gave me a Vegimite Sandwich.." Der alte Song von Men-at-work, weckte die Experimintierlust und ich griff zum kleinen Schälchen mit der bräunlichen Paste. Ich schmierte die teelöffelgroße Menge auf mein Toast und biss beherzt zu... Kennt ihr das: In Erwartung eines bestimmten Geschmacks passiert etwas völlig unerwartetes? Mir zog sich alles im Mund zusammen. Ich bekam Gesichtszuckungen und dachte mir nur: " Das ist ja ungenießbar". Ein so salzig und malziges, undefinierbares Zeug, wo ich doch etwas marmeladenartiges erwartet hatte? Schreck lass nach... Mein Überlebenswille hatte mich schlagartig wieder hellwach gemacht. Die spinnen jedenfalls, die Aussies. Wie kann man sowas freiwillig essen?
Als ich mein Vegimite Erlebnis später einer Australierin erzählte lachte sie nur. Die Menge, die ich aufgetragen hatte sei viel zu viel, und sie bot mir an ein Tost zu schmieren, wie es sich gehört. Es war wirklich weniger schlimm, aber mein Bedarf an Vegimite ist auf Jahrzehnte gedeckt.
 
Never again...

Mittags waren wir dann auf dem offiziellen "Mask and warwagira" Festival, dem Hauptgrund unserer Reise. Gesponsort von Coca Cola, Vodafone, und noch 20 anderen.... Warum ich das erwähne? Nunja, wir mussten uns gefühlt von jedem dieser Sponsoren erstmal eine Rede anhören bei denen wiederum immer wieder Lobeshymnen auf die restliche Sponsoren angestimmt wurden.
Langeweile machte sich breit, aber dann ging es los mit den Vorführungen. 
 
 
Der Festplatz war eine große Rasenfläche, das örtliche Rugby Stadion, wo schon die DukDuks dabei waren sich in Trance zu singen und zu tanzen. Außer ihnen sollten noch Gruppen aus verschiedenen Gebieten East New Britains und New Irelands Vorführungen darbringen. Das Festival war auf drei Tage angesetzt, wovon aber eigentlich nur die ersten beiden kulturell interessant waren, weil später nur Bands aus der Gegend spielen sollten. 
 


 
 
Man muß sich das Festival so vorstellen, dass Vertreter aus verschiedenen Ortschaften der Region zusammentreffen und ein gemeinsames Volksfest abhalten. Vielleicht ein wenig so wie eine Karnevalsumzug oder Schützenfeste bei uns. Nur ist es hier so, dass es geprägt ist von den Traditionen und Masken des eigenen Stammes bzw Gemeinschaft. Man trug die eigenen "Trachten" und Masken mit stolz und wir konnten uns vorstellen, wie sie das in den eigenen Gemeinden aufführten. Das das natürlich eher ein nostalgisches und westlich geprägtes Bild der Lebensweise dort ist, ist auch klar. Aber diese Menschen leben die Traditionen und diese kommen aus Zeiten wo sie wirklich noch in Höhlen oder Hütten lebten und ums Feuer tanzten. 
 

Die Asaro Mudmen stammen nicht aus ENB. 
Sie sind inzwischen sowas wie Popstars bei den Sing Sings
 
Wie wir von den bereits am morgen kennengelernten Entwicklungshelfern erfuhren, ist das auch ein Kampf gegen die Zeit, denn wir konnten in den Gruppen viele ältere (überwiegend) Männer ausmachen, die sich bemühen, die Traditionen am Leben zu erhalten. Die Jüngeren zieht es inzwischen oft in die Städte, auf der Suche nach einer Perspektive, aber noch gibt es sie und diese Festivals tragen dazu bei, dass sie nicht so schnell aussterben.
 

 

Die Masken waren teilweise einfallsreich und spiegelten auch deren lange Tradition wieder. Krokodile und Vögel, aber auch Fabelwesen wurden präsentiert, die den mystischen Ritualen und Erzählungen jeder einzelnen Gruppe entspringen. Allerdings fehlte ein wenig das farbenfrohe, das man z.b. von den Bergstämmen der Zentralprovinzen kennt, wo auch die Mitglieder bunt angemalt und mit tollen Federn geschmückt sind. Das zeigt auch die Unterschiede in den verschiedenen Kulturen und Stämmen. In PNG gibt es hunderte davon und geprägt sind sie alle von ihrem Umfeld und den Begebenheiten aus ihren Lebensraum. Das Land ist auch Rekordhalter an gesprochenen Sprachen innerhalb einer Nation. Es existieren über 800 Sprachen und es kommt vor, dass man nur wenige Kilometer fahren muß um eine andere Sprache zu hören. In Kokopo wird z.B. Kuanua gesprochen
 
 
 

 

Was uns aber wirklich angenehm auffiel war die Offenheit und Herzlichkeit der Einheimischen. Ich hatte es ja oben bereits erwähnt als wir Evah kennenlernten, aber sie war kein Einzelfall, sondern verkörperte eher die positive Mentalität, die den meisten Menschen in diesem Land innewohnt. Obwohl deren Leben sicher nicht das einfachste ist und sie mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, haben wir sie immer freundlich und ein stückweit neugierig erlebt. Wir konnten problemlos ein paar Worte wechsen. Es war ein authentisches Interesse an uns und nicht der Wunsch etwas im Gegenzug zu erhalten. Vor allem wenn man ihnen Bilder von sich zeigte, war das Eis schnell gebrochen. Das war wirklich sehr angenehm und zählt zu den schönsten Eindrücken, die wir über die gesamte Dauer der Reise gewonnen haben.
 

 
Obwohl das Festival in der Umgebung recht bedeutungsvoll ist, waren gefühlt nicht viele Menschen da. Das lag mitunter auch daran, dass es Eintritt kostete und außerdem erstmalig wieder in Rabaul stattfand, statt wie die Jahre zuvor, in Kokopo. Die Entfernung war wohl nicht für alle zu meistern und deshalb fielen die Touristen auch eher auf. Insgesamt waren wir in etwa 50-100, wobei immer welche kamen und gingen. Verglichen mit den großen SingSings in Gorokoa und Mt Hagen ist es jedoch ein eher kleines Festival, auch gemessen an den Zahlen der ausländischen Besucher. Dafür wurden wir ziemlich hofiert. Es gab einen eigenen Pavillion unter dem wir uns aufhalten konnten um dem Treiben zuzusehen. Jedoch hielt es uns immer nur kurz dort, denn die meiste Zeit schauten wir den Akteuren aus nächster Nähe zu. Das war prinzipiell möglich, jedoch sollte ein gewisser Abstand gewahrt werden. Etwas, das nicht jeder beachtete, auf der Suche nach einem schönen Motiv.
 

 

Auf meine Frage an einen australischen Seelsorger, der dort schon seit langem lebt und arbeitet, und den ich schon am Morgen gesprochen hatte, worum es in den Darbietungen der einzelnen Gruppen ging, konnte er nur antworten, dass er es nicht im Detail weiß. Auch wegen der Sprachen in denen die Lieder gesungen wurden, ist es kaum flächendeckend möglich alles in Erfahrung zu bringen. Die Hauptsprache ist Pidgin, ein Mischmasch aus Englisch und Deutsch, aber wenn man die lokalen Sprachen dazunimmt, die in den Dörfern gesprochen werden, übersteigt das so ziemlich alles was man im Laufe eines Lebens lernen kann. Das Meiste ist alt hergebracht und basiert auf Erzählungen, die viele Generationen bereits überdauert haben. Am ehesten konnte man sich noch einen Reim darauf machen, wenn Objekte wie Abbildungen von Tiere mit eingebunden waren. Vielleicht ging es um die Geschichte eines Krokodils, oder die Vögel in der Heimat etc. Was aber ziemlich alle Aufführungen einte, waren die treibenden Rythmen, die durch ihr Trommeln von Bambusstämmen auf Holzblöcken zwar monoton, aber durchaus eingängig waren. Meist wurde es extatisch und die Tänzer bewegten sich fast wie in Trance. Jedenfalls war es auch für uns Außenstehende fesselnd das Treiben zu beobachten.
 

 

 
Am zweiten Abend, unserem Abschluß des Festivals, ging es in die Berge, nach Gaulim. Das kleine Dorf wird von Baining bewohnt, das Volk, das vor langer Zeit von den Tolai in die Berge vertrieben wurde. Ihre "Spezialität" ist der sogenannte Firedance. Diesen führen sie nicht auf Tolai Land auf, sondern nur in ihrem angestammten Umfeld. Und deshalb wurden wir dorthin gebracht, um mit Einbruch der Dunkelheit, diesem Zeremoniell beizwohnen. Ein großes Feuer wurde entzündet und wir sollten Zeugen von drei Aufführungen werden. Die erste wurde von den unverheirateten Frauen eingeleitet. Wie auch schon nachmittags, war es auch hier eine Combo "Trommler" die mit Bambusrohren senkrecht auf Kanthölzer schlugen um den Rythmus vorzugeben. Gepaart damit ein lauter Gesang, der in Tempo und Intensität variierte und sich wiederholte, sodass man manchmal das Gefühl hatte, dass sie irgenwann in Trance verfielen. Als zweites waren die verheirateten Frauen dran. Der Tanz war ähnlich und eigentlich eher ein Laufen um das Feuer.
 

 Lovedance der Frauen
 
Später kamen dann die Männer mit ihren auffälligen Masken. Masken mit übergroßem Gesicht. Die Augen waren hypnotisch als Spirale angedeutet, dazu ein großer Schnabel. Wir hatten sie zwar schon tagsüber gesehen, aber im Schein des Feuers entfalteten sie einen viel prägenderen Eindruck. Während die treibenden Rythmen unablässig über den Platz hallten, wandelte sich das Spektakel von einem langsamen annähern in totale Extase, wobei die Tänzer auch das Feuer kickten, als wären es böse Geister, die es bewohnten. 
 

 
 
 
 

Firedance der Männer

Nach zwei Tagen mit viel Fahrerei und enormen Eindrücken, gönnten wir uns einen Tag Ruhe, bei dem wir lediglich mal durch Kokopo liefen, den Markt besuchten, und auch hier wieder viele Menschen trafen, die offen für kurze Gespräche waren. 
 

 


Auf dem Markt bekommt man alles. Neben Betelnüssen und 
dem obligatorischen geriebenen Kalk, gibt es auch schicke 
Taschen für den Herren. Für 70 Kina gibt es auch eine Kette 
Muschelgeld, die bei Zeremonien immernoch als Zahlungsmittel gilt.
 
Ursprünglich waren ja die Maskenfestivals der Hauptgrund für die Reise. In Verbindung mit Tauchen in einer der besten Regionen der Welt, waren das in etwa die Eckpunkte unseres Plans. Das dazwischen allerdings eine ganze Menge mehr passierte, konnten wir anfänglich nicht wirklich ahnen.
 
In der Tasche befinden sich Betelnüsse, Kalk und was der Mann sonst so braucht

Was hat also General Yamamoto mit dem Ritter der Kokosnuss gemeinsam? 
Hierzu muß ich wieder etwas ausholen. Die Regionen New Britain und New Ireland liegen an der  Bismarcksee. Warum heißen die Inseln und die Meere überhaupt so? Dazu muß man ins Jahr 1885 zurückgehen, wo einerseits die Deutschen, und auf der anderen Seite die Briten, versuchten eine dauerhafte Präsenz in der Pazifikregion zu errichten. Was anfänglich etwas verworren war, wurde kurz darauf durch einen Vertrag geregelt, der den Ostteil von Neuguinea (der Westteil (heute zu Indonesien gehörig) wurde bereits von den Niederländern kontrolliert) in einen Nordteil (dem Deutschen Reich zugeschlagen und Kaiser-Wilhelm-Land genannt) und einem Südteil (Britisch-Neuguinea) teilte. Nach der Unabhängigkeit Australiens, wurde Britsch-Neuguinea dem neuen Staat übertragen. 
 
Deutsche Besatzungen vor dem 1.WK

Das Deutsche Reich machte sich also daran, die Region zu erkunden und geeignete Standorte für die Kolonialisierung zu finden. Die Inseln wurden einfach nach Regionen in Deutschland benannt. So hieß Neu Britannien, zu Zeiten als das Kaiserreich Schutzmacht war, Neupommern. Neu-Irland war Neumecklenburg und die Duke of York Inseln, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, war Neulauenburg. 
Im Jahr 1878 kam eine Dame aus Samoa in die Region und siedelte sich dort an. Emma Coe sollte in der Region, und weit darüber hinaus, Bekanntheit als "Queen Emma" erlangen. Ihr Geschäftssinn, gepaart mit einer gewissen Skrupellosigkeit, machten aus ihr die mächtigste Person am östlichsten Zipfel Neupommerns. Noch bevor die Deutschen sich dort ansiedelten, hatte sie Inseln und Ländereien aufgekauft und sich auf sonstige art und weise unter den Nagel gerissen. Das bemerkten dann auch die ersten Deutschen in der Region, als sie Mioko, eine Insel der heutigen Duke of York Inseln (DOY) als geeigneten Ort für einen Hafen ausmachten. Die Insel gehörte bereits Emma und diese ließ sich das Recht dort Geschäfte zu machen, reichlich bezahlen. Später zog sie auf die Hauptinsel und ließ sich dort ihren Landsitz Gunantambu errichten, der fortan der Treffpunkt aller wichtigen Leute werden sollte. 
Im Zuge dessen, errichteten die Deutschen ihre neue Hauptstadt in der Region: Herbertshöhe, das heutige Kopkopo, in unmittelbarer Nähe Gunantambus. 
 
Im Kokopo War Museum findet man auch das letzte Überbleibsel
von Queen Emma: Ihren "Thron" aus Gunantambu (links)

Scheinbar wurde in den folgenden Jahren mehr gefeiert und intrigiert als erfolgreich zu wirtschaften. Die mit der Erschließung der Region beauftragte Neuguinea-Kompagnie hatte einen Millionenverlust angehäuft, bevor die Verwaltung der Region 1899 direkt dem Deutschen Reich unterstellt wurde. In dieser Zeit erreichten auch viele, mehr oder weniger, objektive Berichte die Heimat. Viele Abenteurer und Glücksritter machten sich daraufhin auf dem Weg in die Südsee um ein neues Leben zu beginnen. Einer von ihnen war August Engelhardt. Er kam 1902 in Herbertshöhe/Kokopo an, nachdem er Deutschland, als Anhänger der Lehren von Adolf und Rudolf Just, die Vegetarismus und Nudismus predigten, den Rücken gekehrt hatte. Der Jungborn, so nannte sich die Organisation der Justs, hatte juristische Schwierigkeiten bekommen und so sah der junge Anhänger sein Heil in der Flucht. Er kaufte, kurz nach seiner Ankunft, die Nachbarinsel von Mioko, Kabakon, von Queen Emma und wollte dort eine Kokosplantage betreiben. Als einziger Weißer, inmitten von Dutzenden Einheimischen, begann er eine Art Lebensphilosophie, oder besser gesagt: Bauplan für eine Sekte, zu entwickeln. Er rief den "Sonnenorden" ins Leben. Kern der Philosophie war, die komplette Ernährung auf die Kokosnuss umzustellen (Kokovorismus) und als Nudist zu leben. Die Kokosnuss war einerseits die der Sonne nächste Frucht, und demnach Gott am nächsten, und der Verzicht auf Kleidung ermöglichte es die "volle Dröhnung" Sonne abzubekommen. Seine geistigen Ergüsse verfasste er in Briefe, die er in die ehemalige Heimat schickte. Sie verbreiteten sich in Kreisen zivilisationsmüder und vegetarisch lebender Menschen auch recht schnell, so dass schon ein oder zwei Jahre später die ersten Interessenten in Herbertshöhe eintrafen. Die fortan als "Sonnenorden - Äquatoriale Siedlungsgemeinschaft" bekannte Organisation scheiterte am Ende krachend. Es gab Krankheit, Lagerkoller und ungeklärte Todesfälle, aber August Engelhardt, der Ritter der Kokosnuss, verfolgte seine Ideologie bis zuletzt. Er starb am 6. Mai 1919 auf Kabakon. 
 

Kabakon
 
Bei unserem Besuch auf die traumhaft gelegenen Inseln des DOY Archipels, konnten wir keine Spuren mehr, weder von Queen Emma, noch von August Engelhardt, entdecken. Das Klima lässt alles natürliche, was nicht schon vorher durch den Menschen zerstört wurde, in kurzer Zeit verrotten. 
Dennoch war der Besuch der Inseln ein Erlebnis. Auf Mioko gibt es drei kleine Siedlungen, von denen wir eine besuchten. Kabakon ist inzwischen unbewohnt und dient lediglich als Plantage.
 
Symeon und die Kids von Mioko

In Mioko wurden wir von Symeon empfangen, der uns ein wenig sein Dorf zeigen wollte. Wir waren überrascht wieviele Menschen dort lebten, und er erzählte, dass es insgesamt etwa dreitausend sind. Er zeigte uns die Schule sowie die Kirche und stellte uns auch einige Leute vor. Darunter auch seine Frau, eine ehemalige Lehrerin auf der Insel. Sie wollte wissen woher wir kämen, und wir entgegneten "Aus Deutschland". Ich ergänzte noch (keine Ahnung warum, denn normalerweise mache ich es nicht), dass ich aber Portugiese sei. "Ah Portugal. Da liegt doch Fatima (ein bekannter Wallfahrtsort)." Das bejahte ich, etwas überrascht, dass sie es kennt. Daraufhin fing sie an zu erzählen, von der Marienerscheinung, die dort 1917 stattgefunden hat und der eigenen Community, die sehr gläubig sei und Maria verehre. Ich entgegnete ihr, dass ich die Geschichte kenne, weil meine Mutter sie mir immer erzählt hat, und das sie Lucia (eines der Hirtenkinder, die die Begegnung hatten), mal kennengelernt hatte. Das schien sie irgendwie berührt zu haben, denn auf dem Weg zurück begegneten wir ihr nochmals und sie fragte, ob sie ein Lied für meine Mutter singen dürfe. Das wiederum berührte mich ungemein und ich konnte diese Geste gar nicht genug würdigen. Aber das war auch wieder ein Beispiel für die Herzlichkeit der Menschen, die ich weiter oben bereits angesprochen hatte. Es erfüllt einen wirklich mit Demut und Dankbarkeit solche Momente erleben zu dürfen. 
 

Und was hat nun General Yamamoto mit August Engelhardt zu tun? Begegnet sind sie sich nämlich nie. Aber beide verschlug es in die gleiche Ecke der Welt. Die Japaner hatten Rabaul zu einem Kommandoposten ausgebaut um einerseits die Gefahr für ihren Stützpunkt auf Truk (Chuuk) durch alliierte Flugzeuge zu reduzieren und andererseits die Expansion nach Süden zu unterstützen. General Yamamoto besuchte den Stützpunkt mehrmals und auch sein Todestag begann dort. Das Blatt hatte sich 1943 etwas gegen Japan gewendet und die Alliierten hatten inzwischen mehr und mehr Erfolge zu vermelden. Ein letzter Rückschlag war der Verlust von Guadalcanal gewesen. Um die Moral der Truppen an der Front zu heben, hatte er sich entschlossen einige Abschnitte zu besuchen. In einer streng geheimen Operation, vor der einige hochrangige Offiziere jedoch warnten, hob seine Maschine am 18. April 1943 von Rabaul in Richtung Süden ab. Er sollte sein Ziel nie erreichen, denn die Amerikaner hatten die Funksprüche mit den Fluginformationen entschlüsseln können und fingen das japanische Geschwader ab. Yamamotos Maschine wurde abgeschossen und er starb bei Bougainville. Somit kann man als Gemeinsamkeit festhalten, dass beide nicht wirklich glücklich geworden sind in und um Rabaul.

Japanisches Geschütz auf einer Klippe
 
Die Hinterlassenschaften der Japaner erstrecken sich, neben vielen Waffen und Kriegsutensilien, vor allem auf ihre kilometerlangen Tunnel, die wie eine unsichtbare Festung wirken. Wir haben einige davon besucht. 

 
Kokopo War Museum

Da war z.B. ein Tunnel, in dem noch ein Landungsboot stand. Das Boot ist etwa 7m lang gewesen und vielleicht 2-3m hoch. Das Besondere daran allerdings war, dass es bestimmt 20m über Meeresoberfläche und etwa 200m vom Strand entfernt im Berg stand. Es gab wohl mal Schienen, die den Transport in den Hangar ermöglichten, aber das Boot wog bestimmt einige Tonnen und ich will mir nicht ausmalen was es für Anstrengungen bedurfte um es in "Sicherheit" zu bringen. 
 

 
An einem anderen Ort führte man uns in ein insgesamt sechsstöckiges Tunnelsystem, das u.a. auch ein Lazarett beherbergte. Die Tunnel selbst waren i.d.R. etwa 1.5m hoch und vielleicht 2-3m breit. Für den Bau der Tunnel wurden vor allem zwangsrekrutierte Einheimische verwendet, die unter erbärmlichen Bedingungen schuften mussten. Unser Guide erzählte uns von seinem Vater, der daran beteiligt war und der noch Jahre später die japanischen Lieder sang, die er in der Zeit lernen musste. 
 
Ein paar japanische Überbleibsel

Der Yamamoto Bunker ist ein weiteres Relikt aus jener Zeit. Angeblich war es seine Kommandozentrale, was aber bezweifelt werden darf. Dennoch war es Kommandoposten, und obwohl er nach dem verheerenden Vulkanausbruch 1994 ausgeräumt wurde, kann man einerseits ein Gefühl der Beengtheit verspüren aber andererseits auch noch die Betriebsamkeit an jenem Ort, wie die Kuppel mit einer strategischen Karte der Region beweist.
 
Kuppel im Yamamoto Bunker

Nebenan liegt der New Guinea Club. Rabaul war zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg die Perle der Südsee. Man stelle sich den großen natürlichen Hafen mit Blick auf den Vulkan Mt Tavurur vor und die ganzen Menschen aus aller Welt, die ihren Geschäften nachgehen. Es brummen Autos vorbei und die palmengesäumten Strände machen es zu einem Traumspot. "The Place to be" war zu jener Zeit der erwähnte NGC. Ein exklusiver Club wo man sich amüsieren konnte, unter sich (Ausländer) war und über wichtige Dinge sprechen konnte. Wenn man ihn heute betritt ist davon nicht mehr viel übrig, aber allein die Bilder und Relikte aus der Vergangenheit geben einen guten Eindruck davon wieder, wie es mal gewesen sein muß, an diesem eigentlich surrealen Ort. 
 

New Guinea Club
 
Ja, und so entwickelte sich die Region für uns zu einem Buch, das uns, Seite für Seite, eine völlig neue Welt eröffnete. Obwohl wir dachten, dass wir recht gut vorbereitet hingefahren waren, gab es noch viel anderes und Neues. Man darf nicht vergessen, dass innerhalb von 60-70 Jahren mehrere Kulturen dort ihre Spuren hinterließen. Angefangen bei den Briten, den Deutschen, den Australiern nach dem ersten Weltkrieg, bis zu den Japanern im Zweiten. Dazu kommt noch die vielfältige, eigene Kultur der verschiedenen Stämme wie den Tolai oder Baining. All das sind die Zutaten für viele Geschichten, von denen wir vielleicht die bekanntesten gehört haben. Eingebettet in diese herrliche Landschaft mit der malerischen Bucht und dem Vulkan, dem türkisblauen Wasser und den herzlichen Menschen, waren wir nach einer Woche komplett überwältigt.

 
Boina Tuna Kokopo and Rabaul
 
Zeit für etwas mehr Ruhe und für die Verarbeitung der Eindrücke. Aber das gibt es im zweiten Teil des Berichts.

 

G
M
T
Y
Die Sound-Funktion ist auf 200 Zeichen begrenzt