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Sonntag, 1. Dezember 2013

Reisebericht Lissabon 2013

Das stark nachlassende Wetter und die Herbstferien haben uns veranlasst mit unserer Tochter dieses Jahr nach Lissabon zu fliegen um noch etwas Sonne zu tanken.


Schon oft hatte unsere Tochter uns gefragt warum wir sie nicht mit auf Städtereisen mitnehmen würden. Leser unseres Blogs dürften sich vielleicht schon denken was ein Grund dafür sein könnte. Da wir viel laufen und uns meist viel Programm auferlegen, hielten wir es bislang nicht für eine gute Idee das Kind mitzunehmen. Außerdem sind das immer Reisen gewesen, die uns zu zweit auch mal gut tun, und dieses Recht nehmen wir uns.
Dieses Jahr jedoch, und auch weil wir die Stadt schon gut kennen, haben wir sie gerne mitgenommen.


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Als Unterkunft haben wir diesmal nicht standardmäßig ein Hotel gewählt, sondern wurden durch eine Freundin auf eine Seite aufmerksam gemacht, auf der weltweit Appartments von privat vermietet werden. Nach kurzer Suche auf airbnb waren wir schon fündig geworden. Die "Buchung" lief recht einfach und nach weniger als einer Std hatte uns der Eigentümer auch schon kontaktiert, wodurch wir die Formalitäten schnell und unkompliziert abklären konnten.
Als wir in Lissabon ankamen war das Wetter eher bewölkt und es sollte sich noch als einer der besseren Tage herausstellen, was aber nur dann ein Problem ist, wenn man keinen Plan B hat. Mit der Metro, die nun bis zum Flughafen fährt, ist man in kurzer Zeit in der City, wo auch unser Apartment lag. In einem alteingesessenen Wohnviertel hatten wir für 4 Tage unsere Bleibe und ich muss sagen, dass mir dieses Gefühl mittendrin zu sein sehr gefiel.
Wie schon gesagt, war das Wetter ganz passabel, weswegen wir auch gar nicht lange warteten, sondern uns zügig auf den Weg machten. In dieser Jahreszeit duftet es an allen Ecken nach Kohlefeuer und frisch gerösteten Maronen. Ja, wo der Herbst doch schon an die Tür klopft, warum nicht gleich mit dieser warmen Köstlichkeit in den Tag starten?
Über die Baixa schlenderten wir in Richtung Chiado, wo viele schöne Geschäfte Kunden anzulocken versuchen und auch unsere Tochter schon in den Bann gezogen hatten, doch wir wollten etwas Programm durchziehen und so ging es weiter.

Elevador Sta. Justa

Wir fuhren auf den Elevador de Sta. Justa hinauf, von wo wir die tolle Sicht über die Unterstadt hatten und marschierten im Anschluß weiter hoch ins Bairro Alto, wo wir einen Miradouro, einen Aussichtspunkt, ansteuerten. S. Pedro de Alcantara ist womöglich der bekannteste dieser Spots, aber seinen Ruf hat er nicht ohne Grund. Von dort genießt man einen wirklich tollen Blick auf die Stadt, am besten zu Sonnenuntergang oder am frühen Abend wenn die Burg auf der gegenüberliegenden Seite von der orangeroten Sonne angestrahlt wird oder die Baixa im Schein der Laternen erstrahlt. Wir nutzten die Sonne, die sich zu diesem Zeitpunkt zeigte für eine Kaffeepause und nahmen noch einen kleinen Snack zu uns.


 Miradouro S. Pedro de Alcantara

Im Vorfeld hatten wir natürlich hin und her überlegt wie wir eine Städtereise auch für unser Kind halbwegs interessant gestalten könnten. Neben Eindrücken der Stadt sollte natürlich auch Vergnügen nicht zu kurz kommen, denn sonst kann ein solcher Trip schnell mal in die Hose gehen. Also hatten wir ein paar "kindgerechte" Ziele ausgesucht, aber auch unsere Tochter gebeten selbst tätig zu werden und zwei, drei Sehenswürdigkeiten rauszusuchen die sie selbst interessierten. Das hatten wir mit einigen Wochen Vorlauf gemacht, aber sicher kennt ihr das auch, denn erst am Tag vor der Abreise nahm sie sich die Zeit, obwohl jeden Tag genug Zeit im Internet verbracht wird. So war ein Ziel auch von uns schon auf der Liste und das andere schien uns eher ein Verlegenheitsvorschlag.

 Typischer Kiosk in Lissabon

Wie auch immer, wir nutzten das gute Wetter für einen Walk hinüber ins Rato Viertel um von dort mit der Metro wieder in die Baixa zu fahren und mit einer kurzen Fahrt mit der weltbekannten Tram 28 in die Nähe der Burg zu gelangen.

Fado Graffiti in der Alfama

Den Rest liefen wir durch die malerischen Gassen der Alfama, wo sich Einheimische, in Gesprächen vertieft, mit Touristen mischten und der Anteil der Lisboetas kontinuierlich in dem Maße abnahm, wie man näher an die Burg kam.
Das Castelo S. Jorge ist einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt und man hat von dort einen weiteren, tollen Ausblick auf die Stadt. Auch unsere Tochter fand Gefallen daran und machte eifrig Fotos.



Castelo S. Jorge

Beim Abstieg später stand uns der Sinn nach etwas zu Essen und ich kenne einen schönen Ort wo man hingehen kann. Das Chapitô à mesa bietet pfiffige Küche zu moderaten Preisen und eine sagenhafte Aussicht, wenn man einen der Fensterplätze bekommt. Wir hatten nur etwas Süßes und Tee, aber haben es sehr genossen.

 Chapito

Abends haben wir gar nicht lange gesucht, denn in unserer Straße gab es gleich mehrere nette Restaurants und so ließen wir und einfach vom ersten Eindruck leiten und sind damit auch sehr gut gefahren. Der Fisch war frisch (teilweise vom Grill), die Kreationen wie bei Muttern und alles zusammen hat einfach gut geschmeckt. Das Restaurant heisst Verde Minho in der Calcada Sant'Ana 17.

 Praca do Comercio

Am nächsten morgen haben wir mal eine etwas andere Stadtrundfahrt gemacht, nämlich mit einer Tram. Diese startet an der Praca do Comercio und kommt auch dort durch, wo Busse die Segel streichen müssen. Insbesondere in der Alfama wird es eng und durch das auf und ab ist die kleine Tram, die über die alten Gleise rumpelt, ein willkommenes Fortbewegungsmittel.

 Inside Tram


 Trams in Lissabon

Auf halber Strecke, an der Basilica da Estrela, stiegen wir aus und wir besuchten ein Ziel, dass ich im Jahr zuvor entdeckt hatte. Die Tapada das Necessidades ist ein ehemaliges Jagdrevier des Königs und nun ein verstecktes Kleinod und Aussichtspunkt, den man nicht oft in Reiseführern findet. Heutzutage ist es ein öffentlicher Park und wir durchquerten ihn um unsere Fahrt mit der Sightseeingtram fortzusetzen.

Tapada das Necessidades

Als wir wieder an der Praca do Comercio ankamen, hatte es zu regnen begonnen und wir mußten einen Plan B auskramen. Dies war aber kein Problem, denn direkt am Platz liegt das Lisboa Story Centre, ein interaktives Museum, dass in kurzweiliger Form und bei einem Spaziergang durch die Epochen, die Geschichte der Stadt zeigt und erklärt. Innerhalb von weniger ca 1,5 Std waren wir fit und viele Fragen waren beantwortet worden.
Abends stand natürlich ein Fussballspiel auf dem Programm. Wie ich schon in einem vorangegangenen Bericht schrieb, gibt es nur rot oder grün (ok, manchmal auch blau) und jeder Lisboeta hat eine Farbe für die er sich irgendwann einmal entschieden hat, aber fast jeder wird sich zu einem Team bekennen. Gleichgültigkeit diesbezüglich gibt es nicht. Für mich war es wichtig, meine Ladies auch einmal dieses Gefühl und die Emotionen im Estdio da Luz zu vermitteln. Vorher haben wir noch das übliche Stadionessen zu uns genommen, das dort aus leckeren Schnitzelbrötchen besteht und wobei man herrlich über Fussball quatschen kann.
Am Tag drauf hatten wir eine Tour ins Umland gebucht. Der Titel des Veranstalters weckte unser Interesse und deshalb buchten wir seine Tour in westlicher Richtung nach Sintra, Estoril, Cascais usw. Wehatetourimtours hat das Konzept, dass die Touren zwar eine festgelegte Route haben, aber abweichend auch Ziele aufgenommen bzw. weggelassen werden können. Des weiteren steht nicht ein Reiseleiter vorne, der seinen üblichen Text herunterspult, sondern junge Leute, die sich mit den Gästen unterhalten und nur soviel Information vermitteln wie gewünscht wird. Der Rest kann auch mal nur aus einer Unterhaltung über Gott und die Welt bestehen. Aber bitte nicht flasch verstehen: Wenn man Fragen hat, können die Guides auch sehr ins Detail gehen und die Rolle eines klassischen Touristenführers übernehmen. Für uns jedenfalls war es schön, dass auch unsere Tochter dadurch angespornt wurde an der Unterhaltung teilzunehmen und nicht nur gelangweilt alles über sich ergehen zu lassen.

 Queijadas da Sapa

Die Tour führte uns nach Sintra, wo wir uns erstmal stärkten mit den bekannten Queijadas. Das sind kleine Stückchen aus Kokosraspeln und Eiern, für die diese Gegend bekannt ist. Leider regnete es fast ununterbrochen weswegen wir wenig open air machen konnten. Deswegen verlegten wir eine Station in den Nationalpalast und fuhren im Anschluß zum westlichsten Punkt des europäischen Festlands, dem Cabo da Roca.

Picknick à la WHTT

Dort bekamen wir ein Picknick serviert mit allerlei lokalen Leckereien. Neben Chourico, Käse und Obst, gab es auch ein Glas Wein und Obst. Dann ging es zurück, über Cascais und Estoril nach Lissabon. Dabei kamen wir an wunderschönen und wilden Landschaften vorbei, die durch das aufgewühlte Meer noch wilder wirkten.


Cabo da Roca

Am Ende stand ein Abstecher zur Torre de Belem und zur Bäckerei, die die bekannten Pasteis de Belem herstellt. Dort konnten wir uns alle nochmal stärken, bevor wir zum Ausgangspunkt gebracht wurden. Am Ende hat uns das lockere Konzept sehr gut gefallen. Es war wie mit einem guten Freund unterwegs zu sein und weniger ein Lehrer/Schüler Verhältnis. Wir haben viel über das Leben der Menschen erfahren, aber auch über die Orte, die wir besucht haben.


 Torre de Belem und Pasteis de Belem

Ein Ort, den man mit Kindern unbedingt besuchen sollte, ist das Oceanario auf dem alten Expogelände, dem Parque das Nacoes. Es ist eines der größten Aquarien der Welt und bietet für jung und alt viel Anschauungsmaterial in Sachen Meer. Neben vielen spektakulären Meeresbewohnern gibt es auch Bereiche in denen man lernen kann wie der Lebensraum Meer funktioniert bzw. was wir Menschen ihm antun und wie wir es besser machen können. Damit rennt man bei mir ja offene Türen ein, denn als engagierter Fürsprecher der Ozeane sehe ich Lehrmaßnahmen in diesem Bereich als unabdinglich an und freue mich immer wieder wenn Menschen deswegen zum Nachdenken angeregt werden.

Oceanario

Unserer Tochter hat es auch sehr gut gefallen, vor allem, da sie inzwischen auch taucht und einige der Bewohner schon gesehen hat und bei anderen sich mal eine Vorstellung von dem machen konnte, was sie u.U. erwartet. Eine Sache, die wir, aufgrund der Kürze der Zeit nicht gemacht haben, die aber sicherlich ein Erlebnis ist, war die Übernachtung im Ozeanarium, die man buchen kann. Sicherlich eine Überlegung wert, wenn man den Kids mal was wirklich ungewöhnliches bieten möchte.
Während meine beiden Ladies im Anschluß dem größten Ereignis des Trips entgegenfieberten bzw. entgegengingen, nämlich einer ausgedehnten Shoppingtour, nutze ich die Gelegenheit mir auch einen Wunsch zu erfüllen. Im Colombo, einem der größten Einkaufszentren Europas, frönten beide dem Konsumgott, und ich konnte in Laufnähe das neueröffnete Museum meines Vereins Benfica besuchen. Ein Vorhaben, das schon viele Jahre zurückreicht, ist Mitte des Jahres verwirklicht worden. Ich hatte schon im Vorfeld Gelegenheit gehabt das Magazin des Vereins zu besuchen, da ich eine Einladung bekommen hatte einige Objekte zu begutachten und Informationen beizutragen, weswegen ich schon viele der Objekte gesehen hatte. Aber wie die Auswahl eines kleinen Teils der Trophäen usw in ein ansprechendes Umfeld gebraucht wurde war auch mir nicht bekannt. In einem wirklich spektakulären Museum wird die Geschichte des größten Vereins der Welt mit vielen Exponaten, Videos, Schautafeln und Bildern erzählt. Alles ist auf dem neusten Stand der Technik und ich wage zu behaupten, dass es sich um eine Referenz bei Vereinsmuseen handelt.

Jeder der 24 Pokale hat einen Platz

 Ehrenpokale und diverse andere

Chronologie des Vereins an einer Wand

 Das Prunkstück: eine dreistöckige Vitrine voller Pokale
 
Die Abende verbrachten wir meist im Kreis der Familie und hatten viel Spass, denn teilweise hatten wir uns schon lange nicht gesehen, und entsprechend einiges zu berichten und auszutauschen.
Am letzten Tag begann unser Morgen wie fast jeder, nämlich mit einem Gang zum Café, das wir seit dem ersten Tag in der Stadt zum Frühstücken besuchten. Das Café Casa Brasileira überzeugte uns mit süßen wie herzhaften Leckereien, guten "bicas" und frischen Säften, weswegen wir gar nicht großartig woanders suchten, vor allem, da wir die Zeit auch sinnvoller verbringen konnten.
An diesem Tag erwartete uns strahlender Sonnenschein und das nutzten wir noch einmal für etwas Shopping und einen Spaziergang durch den Bairro Alto. Um die "Hungerzeit" befanden wir uns im Trindade/Chiado Viertel als wir ein sehr ansprechendes Restaurant fanden, das BCN. Die Karte war klein aber abwechslungsreich und das Ambiente wusste auch zu gefallen. So hatte ich z.B. ein Tofucurry und meine beiden Süßen ein Steak bzw Suppe, die auch sehr lecker waren. Definitv ein Laden, den man weiterempfehlen kann.

Im Trindade Viertel

Auf dem Weg hinab nutzen wir das schöne Wetter noch für einen Abstecher zu einer neuen Attraktion, nämlich den Triumphbogen an der Rua Augusta. Auf diesen kann man seit kurzem hinauf und eine weitere Facette von Lissabon aus einer anderen Perspektive erleben.
Danach hieß es Abschied nehmen und uns auf das nächste mal freuen.

Blick vom Triumphbogen auf die Praca do Comercio

Die Reise mit unserer Tochter hat uns allen viel Spaß gemacht und die "Sorgen", die wir anfänglich vielleicht hatten, konnten wir mit etwas Vorbereitung gleich zerstreuen. Im Endeffekt ist es nur wichtig ein paar Ideen zu haben um evtl. ausweichen zu können, denn nichts ist für Kids schlimmer als Planlosigkeit und nicht zu wissen was man tun soll. Mit einem Plan können sie sich schon relativ gut auf alles einstellen und dann kommt jeder auf seine Kosten.

Sonntag, 30. Juni 2013

Reisebericht St. Petersburg 2013

Dieses Jahr verschlug uns unser Städtetrip in den Osten des Kontinents. Nachdem wir vor einigen Jahren schon Stockholm im Frühjahr besucht hatten, kam uns bei der Planung für 2013 St. Petersburg, das Venedig des Nordens (auch wenn noch mehr Städte so bezeichnet werden), in den Sinn. Ich denke die Anlehnung an Amsterdam ist treffender als Venedig, gerade auch weil Peter der Große sich viel Innovatives in und von Amsterdam abschaute.
Zunächst einmal sei ein praktischer Hinweis genannt, nämlich der des Geldtauschens. Direkt am Flughafen bekommt man an der Wechselstube einen sehr guten Kurs für Euros. Die EC Karte oder Kreditkarte funktioniert nur, wenn man sie separat beim eigenen Kreditinstitut hat freischalten lassen.





Auf der Fahrt in die Stadt, fällt schon auf, dass ein Masterplan hinter der Entstehung steckt. Die Straßen sind kerzengerade und das über Kilometer hinweg. Keine Kurven, bestenfalls mal ein heroisches Denkmal wie das Ploshchad Pobedy, das den Verteidigern der Stadt zwischen 1941 und 1945 gewidmet ist. Beim Blick auf die den Stadtplan fühlt man sich bestätigt, denn die vielen Einfallstraßen verlaufen gerade und sternförmig Richtung Zentrum.
Auffällig dabei sind die vielen Kolossalbauten entlang der breiten, teils 5-6 spurigen Strassen, aus der Zeit des Sozialismus. Gebäude die bestimmt mal Ämter und Vorzeigebetriebe beherbergten. Jedoch hat auch in St. Petersburg der Kapitalismus Einzug gehalten und sprießt wie Unkraut aus den sonst dem Zerfall preisgegebenen Gebäuden. Überall haben sich westliche aber auch einheimische Firmen angesiedelt und man sieht auch eine enorme menge an westlichen Luxusautos. Überhaupt scheint der Hang zu westlichen Autos durchaus ausgeprägt zu sein. Wahrscheinlich wiegt der Muff des Sozialismus zu stark und das Bling-Bling aus dem Westen lockt zu stark als das die Neureichen der Versuchung widerstehen könnten. Mit viel stolz werden die Autos gefahren und gezeigt, was teilweise seltsame Stilblüten treibt, aber Hauptsache man fällt auf und wenn es nur durch "zügiges" Fahren ist. Ein Attribut, das man getrost auf ziemlich alle Autofahrer anwenden kann, denn auch wir ertappten unseren Droschkenfahrer dabei wie er entspannt mit 100 km/h durch die Stadt fuhr, und nicht mal der schnellste war.
Während in den Außenbezirken noch recht viel Bauten aus den 50-60er Jahren das Stadtbild prägten, ist es im Zentrum ganz anders. Die Häuser sind älter und eher klassizistisch und Jugendstil geprägt. Wohin das Auge blickt Pracht, die teils wohl restauriert, teils aber auch verfällt. Ein überbordender Reichtum, der gar nicht so beachtet wird, wenn man täglich daran vorbeigeht. Eindrücke, von der ersten Fahrt, die sich später noch verfestigen sollten.
Das Hotel unserer Wahl war das Radisson Sonya. Ein schmuckes, zentral gelegenes Hotel, das aber mehr selbstbedienungscharakter hatte. So gibt es z.B. keine Kofferträger usw. Aber das stört nicht weiter. Innen ist russischer Stil modern mit skandinavischer IKEA Schlichtheit interpretiert worden, was uns recht gut gefiel. Die Standardzimmer sind nicht groß aber auch nett eingerichtet und so hatten wir auch nichts auszusetzen.

Radisson Sonya Lobby

Ich möchte kurz noch auf die Einreiseformalitäten eingehen, da auch das Hotel dabei eine Rolle spielt. Zunächst einmal sollte man sich hier mit dem Gröbsten vertraut machen. Hinterher sollte man sich vom Hotel eine Bestätigung, auch Einladung genannt, ausstellen lassen, deren Nr man für das Ausfüllen des Visumsantrags benötigt. Nachdem wir alles beisammen hatten und den Antrag ausgefüllt haben, haben wir uns an die Visa Handling Services GmbH gewendet, die den Rest unkompliziert erledigt hat.

Los trés anonymos

Habe ich schon erzählt, dass wir dieses Jahr zu viert waren? Nein? Gut, dieses Jahr hat uns ein befreundetes Pärchen, Jörg und Petra, begleitet, mit denen wir viel Spaß hatten. Nach dem Check-in und einem Espresso in der Bar ging es auf Erkundungstour. Durch die Nähe des Hotels zur Neva, dem Fluß, der die Stadt, grob genommen, teilt, waren wir innerhalb von 5 Min. dort. Siehe da, der Fluß ist irgendwie breiter als wir uns das vorgestellt haben. St. Petersburg liegt am Delta der Neva, weswegen sie sich in mehrere Seitenarme verzweigt. Dies und noch diverse Kanäle, die, wie gesagt, an Amsterdam erinnern, führt dazu, dass es in der Stadt über 300 Brücken allein im Stadtgebiet gibt. Neben dem Panorama, das uns die Sicht auf den Panzerkreuzer Aurora, die Palastbrücke und die Peter und Paul Festung gewährte, beeindruckte besagte Breite und Weite.
Der Sommergarten von Peter dem Großen war unsere erste "Haltestelle", wobei das ja gar nicht stimmt, denn wir sind ja durchgelaufen. Dieser Garten ist, ähnlich wie die Stadt, in einem Raster angelegt worden und es gibt nur gerade Wege, wenn man mal von den Schnittpunkten absieht, die Rund sind. Die geometrische Anordnung der Bäume usw vermittelt tolle Sichtweisen und wenn man dort an einem sonnigen Tag ist, entfaltet sich die ganze Pracht des kräftigen grüns. Man kann dort auch das älteste Steingebäude der Stadt besichtigen, den Sommerpalast von 1714.


Sommergarten

Weiter ging es, vorbei am Michaelschloß, durch den gleichnamigen Garten wo wir uns mit frisch gebrannten Mandeln stärkten (die gibt es dort überall und sind sehr lecker), zur Auferstehungskathedrale. Ein Bau, der wie aus einem russischen Märchen anmutet. Verschnörkelt, bunt und mit den typischen Zwiebeltürmchen steht er direkt zwischen dem Michaelgarten und dem Field of Mars, einem weiteren geschichtsträchtigen Ort, gewidmet denjenigen, die sich 1917 dem Zarenregime widersetzen. Heute ist die Kathedrale ein Museum und ein Blick hinein lohnt sich, da, wie nicht anders zu erwarten, ein überbordender Reichtum an Malereien, Mosaiken und Schnitzereien zu sehen ist. Am Platz vor der Kirche empfehle ich mal den Zaun zu beachten, der den Michaelgarten umgibt. Einmalige Arbeit.




Auferstehungskathedrale

Nicht weit von dort liegt die bekannteste Straße der Stadt, der Newski Prospekt. Dies ist die Champs-Elysee, die Kö, die Oxford Street der Stadt und ich denke damit ist alles gesagt. Pracht und Pomp ist hier auf ca. 3km vereint.
Am Abend hatten wir einen Tisch im Chekhov Restaurant gebucht. Dieses Restaurant führt den Gast in das späte 19./frühe 20. JH. Die Einrichtung ist entsprechend antik und auch die Gastgeber haben passendes Outfit. Zwar zweifle ich an, dass die Küche von damals ist, das spielt aber auch keine Rolle, denn das Essen ist vorzüglich und der Service lobenswert. Wir hatten z.B. die Lachsforelle und den Whitefish als Vorspeisen, sowie Steak, Lamm und das Kalb als Hauptspeise. Alles sehr lecker und absolut zu empfehlen. Mors, ein typischer Saft, habe ich auch erstmals probiert und kann es nur empfehlen.

Chekhov Restaurant

Auf dem Rückweg konnten wir uns zum ersten mal von den hellen Nächten überzeugen. Zwar waren wir etwa einen Monat zu früh für die weißen Nächte, aber als wir um 23h aus dem Restaurant stolperten, war es noch recht hell und fing gerade an zu dämmern. Wir liefen los und kamen an der erleuchteten Peter und Paul Festung vorbei, überquerten die Dreifaltigkeitsbrücke um an der Uferpromenade zum Hotel zu gelangen. An der Hotelbar gab es noch den obligatorischen Vodka und einiges zu erzählen.



Nachts entlang der Neva

Wir hatten kein Frühstück gebucht, sondern wollten gern jeden Tag etwas neues probieren. Die erste Wahl war das Café Singer, das im gleichnamigen Haus am Nevski Prospekt über einer Buchhandlung liegt. Von dort hat man einen guten Blick auf das Treiben unter einem und bekommt leckere Kuchen und Stückchen, sowie ein ordentliches Frühstück. Leider ist St Petersburg alles andere als billig. Man kann zwar günstig den Lebensunterhalt bestreiten, aber die Preise für Ausgehen sind weitestgehend unseren angeglichen. So kostete uns das Frühstück pro Nase gute 15-20€.


Singer Haus

Überhaupt zahlt man dort für alles recht ordentlich. Man sollte sich darauf gefasst machen, dass jedes Museum, Bauwerk, Kathedrale usw kostenpflichtig ist. Dies ist auch gut so, aber wenn es wie am Peterhof ist, worauf ich noch eingehen werde, finde ich es doch etwas übertrieben.
Frisch gestärkt besichtigten wir im Anschluss die gegenübeliegende Kasaner Kathedrale, deren Ähnlichkeit mit dem Petersdom in Rom rein zufällig ist ;-) Das Innenleben ist recht düster, jedoch sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine der wichtigsten Kirchen des Landes handelt.


 Kasaner Kathedrale

Der Weg führte uns entlang der vielen Läden des Nevski Prospekts Richtung Admiralität und dann zur nahegelegenen Isaakskathedrale.

Admiralität

Heutzutage nur noch ein Museum, bot sie einst etwa 10.000 Gläubigen Platz. Innen ist auch dieses Gotteshaus über und über mit Reichtümern verziert. Goldmalereien wechseln sich mit Mosaiken ab, Schnitzereien mit Steinmetzkunst. Um es kurz zu machen, auch hier wird man förmlich erschlagen und der Blick wandert unweigerlich nach oben. Aber auch der Boden mit seinen wunderbaren Einlegearbeiten verdient Beachtung.
Bevor man eintritt hat man die Wahlmöglichkeit auch die Aussichtsplatform entlang der Kuppel zu besuchen. Unbedingt machen! Von dort hat man einen tollen Blick auf die Stadt und viele der Sehenswürdigkeiten sind auch nicht allzuweit entfernt. Somit ist es ein guter Ort zum fotografieren.





Isaakskathedrale

Leider hatte es angefangen zu regnen und unseren Plan, zum Peterhof zu fahren mussten wir begraben. In einem nahegelegenen Café beratschlagten wir was wir stattdessen tun sollten und was liegt da schon näher als ein Museum. Und welches Museum besucht man in St. Petersburg als erstes? Richtig, die Heremitage. Es war nicht weit weg und somit auch recht schnell beschlossene Sache. Was soll ich zu diesem Museum sagen, was noch nicht gesagt wurde? Es ist eines der 3-4 Top Kunstmuseen der Welt. Neben dem Louvre und dem Metropolitan Museum of Art in NY dürfte es wohl keins mehr geben das heranreicht. Die Heremitage befindet sich im ehemaligen Winterpalast Peters des Großen und wenn man sich vorstellt, dass dies die Bleibe einer Familie war, bekommt man eine grobe Vorstellung von der Macht des Zarenreichs. Diese Macht hat nun auch die Heremitage in der Kunstwelt. Es stammt nicht alles aus der Zarenzeit bzw. -hof, denn vieles wurde später zusammengekauft und mehrere bedeutende Kunstsammlungen vereint, aber in verschiedenen Flügeln werden bestimmte Epochen ausgestellt und ein Stück überragt das andere. Auch die Antike, sowie die Moderne ist vertreten. Somit dürfte für jeden etwas dabei sein. Ein Highlight ist für mich die Pfauenuhr. Ein Meisterwerk der Uhrmacherkunst und heutzutage wohl unbezahlbar.




Heremitage mit Zarenthron und Pfauenuhr

Nach vielen Stunden im Museum, die Besucherzeit war zu ende und wir wollten ins Hotel, regnete es noch immer. Deswegen nahmen wir uns ein Taxi, auch weil das Metronetz der Stadt nicht wirklich flächendeckend ist. Aber dazu später mehr. Das Taxi war mal ein klappriger alter Lada und wir waren froh nicht durch den Regen heim zu müssen. Das Taximeter war eingeschaltet, worauf wir geachtet hatten, aber schon kurz darauf sahen wir an der Preistafel, das eine Fahrt mind. 800 Rubel kostet. Dies war in etwa der Preis, den wir für die Fahrt vom Flughafen gezahlt hatten, nur das die Strecke ungefähr 10x so lang war. Also gute Miene zum bösen Spiel und da sich auch der übliche Feierabendstau gebildet hatte, reizten wir die Fahrt soweit aus, bis genau 800 erreicht waren und stiegen dann ohne Trinkgeld zu geben aus. Da sind wir also schön abgezockt worden und deshalb empfehlen wir, die Preise vorher zu verhandeln, denn selbst mit Taximeter kann eine Fahrt doch recht teuer werden. Das Meiste im Stadtzentrum sollte nicht mehr als 300-400 Rubel kosten.
Da wir schon beim Transport in der Stadt sind, hier ein kurzes Wort zu den Metros. Die U-Bahnen der Stadt gibt es seit den Fünfziger Jahren des letzten JH. Der Untergrund ist durchaus mal einen Besuch wert, z.B. bei schlechtem Wetter, und man sollte sich mal ein paar Haltestellen ansehen. Insbesondere auf der Roten Linie gibt es Stationen, die mehr Kirchen oder Ballsälen gleichen, mit ihren Leuchtern und reich verzierten Wänden, als einer Metrohaltestelle.

Haltestelle Pushkinskaya

Für die Abendgestaltung trug jeder von uns einmal die Verantwortung. Will heißen, dass jeder ein Restaurant aussuchte und buchte. Während K am Vortag die Latte schon hoch gesetzt hatte, war mein Restaurant an diesem Abend dran. Ich hatte das Ginza gewählt, das mir auf Anhieb gefallen hat. Leider entpuppte sich die Fahrt dorthin als recht kompliziert, weil unser Chauffeur den Weg nicht wirklich kannte und auch die Dame von unserer Rezeption mit ihren erklärenden Anrufen eher für weitere Verwirrung sorgte als hilfreich zu sein. So war er schon wieder auf dem Weg zurück als wir eingriffen und sagten, dass es die falsche Richtung sei. Hintergrund ist die Tatsache, das das Ginza nur ein Laden einer Kette von verschiedenen Gastronomie- und Unterhaltungsbetrieben ist, die überall in der Stadt verstreut sind und durch Schilder beworben werden.
Nach langem hin und her, hatten wir es aber gefunden und, passend zum bisherigen Verlauf, auch nur den Hintereingang ausfindig gemacht. Jedoch waren wir dann endlich da und konnten uns auf ein hoffentlich gutes Essen freuen. Erstmal aber verlief es auch hier eher holprig, denn die Karte war zunächst einmal nur in russisch erhältlich. Aber Gott sei Dank fanden sich dann doch noch englische Exemplare (ohne Bilder), so dass wir anhand der Bilder in der russischen Karte, über die Preise dann schauen konnten was es in englisch war. Wenig hilfreich war auch, dass die Bedienung nicht so gut Englisch sprach wie am Vorabend, sich aber dennoch sehr bemühte und alles in allem sehr ordentlich war. Nach langem Überlegen und puzzlen hatten wir dann endlich ausgewählt. Ab da ging es dann auch stetig bergauf mit dem Abend. Das Essen war von sehr guter Qualität. Der Fisch war frisch und die Sushi, sowie der Usbekische Salat sehr lecker. Am Ende waren wir alle wirklich sehr zufrieden als wir den Heimweg antraten.

Im Garten des Ginza

Als es anfing zu tröpfeln und wir die Schirme aufspannten stellte sich heraus, dass wir die falschen Schirme hatten. Da hatten wir uns doch glatt vergriffen und nun statt Hotelschirmen, irgendwelche verkappten Designerschirme. Allerdings muß ich zur Verteidigung sagen, dass die schon etwas ramponiert waren und wir schon auf etwa halber Strecke waren, weswegen wir davon absahen sie zurückzubringen.
Jörg und ich erlaubten uns einen anderen Weg zu nehmen als am Vorabend, was bei den Damen einigen Unmut hervorrief. Wir wüssten eh nicht wo es langgehe und als wir doch richtig waren hieß es, das wir einen riesen Umweg gelaufen seien usw. Letztendlich waren wir bestenfalls unwesentlich länger unterwegs als am Vorabend und kamen auf direktem Weg im Hotel an, wo der nächste Vodka probiert wurde.
In St. Petersburg gibt es in der eisfreien Zeit ein sehenswertes Schauspiel. Während der Nacht, etwa ab 1h, werden alle Neva Brücken per Hydraulik hochgefahren. Da K und ich noch nicht müde waren und es nicht regnete, beschlossen wir loszulaufen und uns das mal anzusehen. Kaum um die Ecke gebogen sagen wir schon das "unsere" Liteiny Brücke hochgefahren war. Ein toller Anblick, auch wenn man bedenkt, dass die ganzen Stromleitungen entsprechend vorbereitet sein müssen. Das ganze Schauspiel dauert etwa 3-4 Std und in den "Weißen Nächten" muss das, vor dem hellen Himmel, ein einmaliges Erlebnis sein. Aber ungeachtet der Dunkelheit genossen wir es sehr und liefen noch vor zur Dreifaltigkeitsbrücke und zurück bevor wir ins Hotel zurückgingen.


Hochgezogene Brücken der Neva

Der Anlass für diese Aktion ist nicht den Touristen schöne Fotomotive zu bieten, sondern ein ganz praktischer. Die Zeit in der die Neva nicht zugefroren ist, dauert nicht lang. In den wenigen Monaten in denen sie für Schiffe befahrbar ist, werden soviele durchgeschleust wie möglich, und da die Brücken relativ niedrig sind, müssen sie hochgefahren werden. Dies passiert nachts um den Verkehr nicht zu beeinträchtigen. Somit kommt es vor, dass alle 5 Min ein Frachter die Stadt flussaufwärts passiert um Ladung aufzunehmen oder zu löschen.
Obwohl wir die Stadt nachts (ausser am Wochenende) als relativ leer wahrgenommen haben, lockt dieses allabentliche Schauspiel doch etliche Einwohner und Touris an die Ufer der Neva. Auch wenn gern dabei einer gehoben wird hatten wir aber nie ein ungutes Gefühl. Wir empfanden die Stadt als ziemlich sicher und haben uns unbeschwert und frei bewegen können.
Unsere Wetterapp, die wir abends immer zu Rate zogen, konnte man getrost als Kontraindikator verwenden. Es war immer Regen angesagt und doch hatten wir überwiegend gutes Wetter. So kam es vor, dass wir uns entsprechend vorbereiteten, die Jacken aber den ganzen Tag nicht anziehen mussten, was einerseits etwas genervt hat, aber im Grunde genommen besser war als umgekehrt.
Die Fähre nach Peterhof legt vor der Heremitage ab und es ist zu empfehlen das Tragflächenboot zu nehmen, denn damit ist man innerhalb von etwas über einer halben Stunde dort. Peterhof wurde nach knapp 10jähriger Bauzeit die Sommerresidenz von Peter I. und wird oft als russisches Versailles bezeichnet. Wie ich finde, eine Untertreibung. Es besteht aus einem großen Palast und mehreren kleineren Schlössern, eingebettet in einem tollen Park mit Brunnen, Teichen, Fontänen usw. Halt alles was ein Zar so zum täglichen Leben brauchte.


Peterhof

Wir hatten einen wunderbaren Tag erwischt und waren doch leider nicht die einzigen. Aus gut unterrichteten Quellen wussten wir, dass dieser Ort von jährlich gut 5 Mio. Menschen besucht wird und somit war klar, dass an einem solchen Tag nicht gerade wenige dort sein würden. Was soll ich sagen? Es war brutal voll und irgendwie waren alle um die Kaskaden vor dem Großen Palast versammelt, und es waren auch Aufbauten dort. Kurz darauf traten Sänger auf, Tanzpaare schwebten über die Fläche und es gab viel Tam Tam mit viel Bum Bum. Da wir nichts verstanden war es für uns ein Grund antizyklisch durch den Park zu schlendern, was sich als goldrichtig erwies, denn während hinter uns die Kapelle spielte und von vereinzeltem Kanonendonner unterbrochen wurde, waren nur recht wenige Leute im Park unterwegs. So bekamen wir einen recht guten Eindruck von der Schönheit dieses Orts. Allerdings musste vor jedem der kleineren Schlösser nochmal separat Eintritt bezahlt werden, was wir und schenkten, denn teilweise waren sie wirklich nicht groß.




Park des Peterhof

Irgendwann war die Feierstunde zu Ende und die Menschenmassen bewegten sich in alle Richtungen. Zeit für uns zum Ende zu kommen und mit einem recht guten Überblick über das Wichtigste, konnten wir dann wieder zum Boot wo wir auch den Grund des Menschenauflaufs erfuhren: Es war die alljährliche offizielle Eröffnung zu der allerlei Prominenz aus Militär und Gesellschaft angetreten war.
Wir mussten etwas früher zurück, da unser Abendessen etwas anders ausfallen sollte. Jörg hatte einen kulinarischen Stadtspaziergang entdeckt und gebucht. Ich versuche das erlebte mal in Worte zu fassen, glaube aber nicht, das es dem Event gerecht wird. Nicolai war unser Begleiter, der von Peter´s Walking Tours geschickt worden war. Er sprach perfekt Englisch und war genau unsere Wellenlänge. Nach einem Espresso ging´s los und schon nach wenigen Metern bog er in eine Hofeinfahrt, und für uns in eine andere Welt, ein. Er erzählte uns vom Sinn und Nutzen dieser Höfe und zeigte, dass es auch dort Interessantes zu sehen gibt. So konnten wir einen Künstler sehen, der schon einen großen Teil seines Hofs mit Mosaiken verziert hatte. Dabei erklärte er uns, dass diese Höfe auch gut als Abkürzungen verwendet werden können um nicht immer um die ganzen Blocks zu laufen. Als wir den ersten Hof verließen, hatten wir verstanden was er damit meinte. Wenig später kamen wir an einer Gruppe Tänzer vorbei, die zu Klängen tanzten, die wir nicht erwartet hatten: Tango!


Hinterhofkünstler

Es war an der Zeit für ein erstes Essen: Nicolai entführte uns in die Geheimnisse der georgischen Küche. Das Restaurant, dessen Name mir nicht mehr einfällt, liegt auf der ul. Belinskogo gegenüber der Kirche. Die Bestellung überließen wir ihm. Er orderte einfach ein paar Kleinigkeiten, wie Hühnchen in einer Nusssauce, mixed Pickles, Rauchkäse, usw. Alles sehr lecker und neu!

Alte Tram

Nach ein paar Straßen und Höfen ging es in eine Bar für einen schnellen Shot, bevor wir noch einen Laden probierten, der Dumplings aus diversen Ländern servierte. Die gebuchten 4 Std. neigten sich da bereits dem Ende und auf die Frage wie er weiter fortfahren wolle, sagte er wir sollen uns keine Sorgen machen, er hätte noch ein paar Sachen in petto. So kamen wir dann noch zu einem Äppler auf einer Bootsbar, eine Vorstellung von alternativen Künstlern und eine Jamsession in einem Jazzclub. Bei Nicolai hatten wir nicht das Gefühl, dass er ein Standardprogramm abspult, sondern wirklich Spaß an der Sache hatte, genauso wie wir. Nach über 6 Std endete es so, wie es begonnen hatte, durch ein paar Höfe gelangten wir bis zu unserem Hotel und hatten am Ende wirklich das Gefühl gehabt mittendrin statt nur dabei gewesen zu sein. Wir waren total geflasht.


Jazzclub

Wenn einem soviel Gutes widerfährt, dann ist das einen Asbach Urknall wert! In Ermangelung des genannten Getränks wichen wir wieder auf etwas landestypisches aus, nämlich den allseits beliebten Vodka, von dem wir jeden Abend eine andere Sorte probierten um am Ende den richtigen für daheim zu wählen.
Nachdem wir schon im Chekhov auf den Geschmack der Blinis gekommen waren und Nicolai uns ein paar Tips für´s Frühstück gegeben hatte, gingen wir am nächsten Morgen klassisch beim russischen Blini-Fastfoodladen um die Ecke frühstücken. Den Teremok gibt es eigentlich in jeder größeren Straße und auch die Karte ist in Englisch vorhanden. Diese Crepes sind wirklich sehr lecker und man kann sie unterschiedlich füllen lassen. Von süß bis sauer, von mild bis herzhaft, ist alles dabei.
Eine Sache, die meist einen guten Einblick ins Leben der normalen Leute gibt, ist der Besuch eines Flohmarkts. Wir sind zwar keine passionierten Flohmarktgänger, aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, nutzen wir diese gern. In Petra und Jörg fanden wir Gleichgesinnte und so ging es nach dem Frühstück los zur Metro, jedoch nicht ohne vorher einen kurzen Abstecher in die Markthalle zu machen wo wir ein paar Leckereien probieren konnten.

Markthalle

Der Flohmarkt ist etwas außerhalb in Udelnaja. Es gibt eine Metrohaltestelle auf der blauen Linie, die ebenso heißt, und von wo es auch nicht mehr weit ist. Wenn man, nach Ankunft, den meisten Menschen folgt, kommt man automatisch hin. Ansonsten über den beschrankten Bahnübergang und dahinter rechts geht´s los. Zunächst mehr mit irgendwelchen Billigläden in Hütten aber dann kommt der richtige Flohmarkt. Es werden neben Alltagsgegenständen natürlich auch typische Flohmarktwaren angeboten. Darunter sind auch einige tolle Gegenstände, aber es ist von Vorteil wenn man russisch spricht, denn sonst sind die Preise mitunter deutlich höher, wenn man sich überhaupt verständigen kann, denn mit Englisch kommt man nicht weit. Wie groß war jedoch unsere Verwunderung als wir mit "Willkommen in St. Petersburg, unsere deutschen Freunde", angesprochen wurden. Verwunderung deshalb, weil wir nicht einschätzen konnten ob es wirklich ein herzliches Willkommen war, oder doch eher Ablehnung. Jedoch bleibt sowas eher ein Einzelfall und sonst wird man eher sich selbst überlassen, wenn man nicht gerade irgendwas entdeckt hat, das man erwerben möchte.
Die Menschen dort zeigen einen bunten Querschnitt durch die Gesellschaft. Von ehemaligen Armeeangehörigen die teilweise ihre Orden anbieten, über alte Damen die ein paar Teller verkaufen, bis zu richtigen Händlern ist viel vertreten und es war schon interessant zu sehen wie die Leute in ihrem "natürlichen" Umfeld agieren. Uns jedenfalls hat es viel Spaß gemacht mal abseits der Touristenpfade zu wandeln und ein wenig zu stöbern.
Wer es sich nicht leisten kann, oder will, der sollte trotzdem einen Abstecher ins Grand Hotel Europe machen. Es steht auch Nichtgästen offen und man kann sich vom Glanz dieser geschichtsträchtigen Herberge überzeugen. Wir nutzten den Besuch zu einer kleinen Pause bei Kaffee und Kuchen.

Stück Kuchen für 8€ gefällig?

Auf dem Nevsky Prospekt, befindet sich auch das vielleicht schönste Lebensmittelgeschäft, oder besser Delikatessenladen, der Stadt. Das Jelissejew ist ein wunderbarer Jugendstilbau, der auch innen dem Stil treu bleibt und wirklich prächtig erscheint. Selbst eine kleine Musikkapelle spielt auf dem Balkon unter der Decke. Auch heute werden dort noch viele Delikatessen verkauft, jedoch sei hier angemerkt, dass man durchaus mal Preise vergleichen sollte, denn dort bezahlt man auch den Namen mit.

Jelissejew

Auf unserem Heimweg, der ein Spaziergang durch die Innenstadt war, wollten wir noch die kleinste Statue der Stadt sehen. Der Tschischik-Pischik ist ein Denkmal eines Zeisigs, der auf ein altes Trinklied zurückgeht und 1994 an der Ufermauer der Fontanka, in Höhe der Ingenieursbrücke, ein Zuhause fand. Wessen Münze liegen bleibt, dem sei viel Glück beschert, oder die Wiederkehr nach St. Petersburg. Ich hoffe das stimmt auch, denn meine Münze blieb liegen.

Trifft sie, oder nicht?

Am Abend stand unser letztes Abendessen auf dem Plan und Petra hatte das Steakhaus Stroganoff ausgesucht. Das Ambiente hat uns sehr gut gefallen. Der Mix aus alter Lagerhalle, gepaart mit gemütlichen Ledersesseln und dunklem Holz vermittelte gleich ein wohliges Gefühl und machte Lust auf mehr. Das Essen selbst war über jeden Zweifel erhaben und von sehr guter Qualität, der Service aufmerksam und immer gut gelaunt. Auch hier können wir eine bedenkenlose Empfehlung aussprechen wenn man auf Fleisch "the american Way" steht.

Stroganoff Steakhouse

Der letzte Tag stand an und er begann wie der vorherige, nämlich mit einem Frühstück bei Teremok. Danach spazierten in östlicher Richtung, wo wir noch gar nicht gewesen waren. Ziel war das Smolny Kloster, das bis heute eigentlich nie seinem ursprünglichen Zweck zugeführt wurde, sondern mit vielen Jahren Verzögerung erst fertiggestellt wurde und dann ein Bildungsinstitut für adlige Mädchen war. Historisch ist das Smolny Kloster sehr interessant, da dort die Oktoberrevolution 1917 geplant, und es später auch Regierungssitz der Sowjetunion wurde. Heutzutage wird es überwiegend für Konzerte und Ausstellungen genutzt. Es gibt die Möglichkeit entweder nur den Innenraum oder selbigen mit den Türmen zu besichtigen. Die Türme lohnen sich durchaus, weil man einen schönen Blick über den östlichen Teil hat und auch viele Sehenswürdigkeiten sehen kann.


Smolny Kloster

Entlang der Neva konnten wir einen recht industriellen Teil der Stadt sehen, der etwas heruntergekommen ist, aber auch eine ehrliche Sicht auf einen Teil der Stadt ermöglichte. Wir nahmen auch den Bus um die Strecke zur Alexander Newski Kirche zu verkürzen. Das war ein Erlebnis für sich. Gefühlte 5-60 Jahre alt klapperte der Bus die Straße entlang und brachte uns aber zuverlässig ans Ziel. Die Newski Kirche hat zwei Friedhöfe, die man besichtigen kann, aber immer extra kosten, genauso wie auch der Eintritt in die Kirche. Deswegen beließen wir es bei einem Blick darauf und mussten dann schon wieder zügig ins Hotel kommen, wo wir dann auscheckten und zum Flughafen gebracht wurden.

Newski Kirche mit Friedhöfen lins und rechts

Was also bleibt nach vier Tagen St. Petersburg? Die Stadt ist, trotz ihrer vielen Museen, schon an sich ein offenes Museum. An jeder Straßenecke erlebt man Geschichte. Die Häuser im Zentrum zeugen von der Pracht die diese Stadt schon immer ausgemacht hat. Die verschiedenen Stile ergeben ein buntes Potpourri der Epochen und geben einen Eindruck von dem was St Petersburg mal war, und sicher wieder werden wird. Die Zunahme an luxuriösen Geschäften und Niederlassungen ausländischer Firmen lassen erahnen wie wichtig die Stadt in Zukunft werden wird. Auf der anderen Seite steht die Kluft zwischen arm und reich, die es auch überall anders gibt, aber hier wirklich sehr offen (und gern) zur Schau gestellt wird. Die Normalsterblichen ziehen in Vororte, die wir zwar nur am Rande gesehen haben, aber noch viel vom sozialistischen Charme der Zeit des Kalten Krieges haben. Alles in allem eine moderne Stadt, die sich noch viel von ihrer ursprünglichen Identität bewahrt hat und wir gerne wieder besuchen werden. Mit Petra und Jörg hatten wir auch viel Spaß und freuen uns auf ein nächstes mal.