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Sonntag, 4. August 2024

Reisebericht Valencia 2024 - Dort, wo die Orangenbäume blühen


Es ist vielleicht nicht eine Destination der ersten Reihe, aber es schwirrte schon eine ganze Weile im Kopf herum. Valencia... Als ein Sonnenziel an Spaniens Mittelmeerküste ist es besonders für seine Zitrusfrüchte und vor allem Orangen bekannt. Und wenn man es noch nicht wusste, weiß man es spätestens nachdem man mal dort war. Die Orangenbäume stehen in der ganzen Stadt, und obwohl zur Zeit unseres Besuchs (Mai/Juni) die Saison schon eine Weile vorüber war, trugen einige Bäume sie immernoch, allerdings eher überreif und als Vogelfutter geeignet.
 

Der Transfer vom Flughafen in die Stadt funktioniert gut und in ca 30Min ist man im Zentrum.
Wir waren am Rand der Altstadt untergebracht, nämlich im sehr schönen Caro Hotel. Es birgt die Besonderheit, dass es auf Überresten römischer und maurischer Bauwerke errichtet wurde und die archäologischen Funde schön in die Architektur des Hauses integriert wurden. 
 
 
Caro Hotel
 
Mit einem halben Tag Zeit konnten wir noch gut ein paar Stunden füllen, vor allem auch vor dem Hintergrund, dass Restaurants oft erst um 20h öffnen.
Im Hotel empfahl man uns ein paar sehenswerte Anlaufpunkte in der Altstadt, und diesem Rat folgten wir. Die Kathedrale mit ihrem Glockenturm und der schönen Aussicht war unser erstes Ziel. Leider war die Luft nicht klar, sondern vermutlich wieder durch Saharastaub getrübt, aber man konnte dennoch einen guten Überblick erhalten.  
 
 

Kathedrale

In der Nähe liegen ein paar Cafés, die eine Spezialität der Stadt anbieten: Orxata, oder Hortchata im Kastillischen. Eine Art Milchgetränk aus der Erdmandel. Angeblich Superfood weil reich an allerlei guten Bestandteilen, wird es derart stark gesüßt, dass man es wohl eher im Maßen statt Massen zu sich nehmen sollte. Uns hat es mittelprächtig geschmeckt, dafür aber den Rest des Tages begleitet. 
 

Valencia ist eine zweisprachige Stadt. Neben dem bereits erwähnten Kastillisch wird dort Valencianisch gesprochen, das dem Katalanischen sehr ähnlich ist. Man merkt das an den Verkehrsschildern und natürlich auch an der Schreibweise in der Öffentlichkeit.
 
Ein kleines Loch in der Wand...

In unmittelbarer Nähe liegt, etwas versteckt, ein Kleinod, das man sich (sofern man sich für Kirchen usw interessiert), nicht entgehen lassen sollte. Hinter dem Gemäuer mit dem etwas umständlichen Namen "Sant Nicolau de Bari i Sant Pere de Màrtir" verbirgt sich eine unglaublich reichhaltig verzierte Kirche im barocken Stil.  Die Wand- und Deckenmalereien zeigen auf der einen Seite Szenen aus dem Leben von San Nicolas Obispo und und auf der anderen, Etappen aus dem Leben von San Pedro Màrtir. Dabei wurden soviele Details hineingepackt, dass man gut und gerne eine Std verbringen kann, nur um dem Audioguide und seinen Erklärungen zu lauschen. 
 
 
Sant Nicolau

Weiter ging es zum Mercat Central, der aber schon zu war, und anschließend zur Plaza del Ayuntamiento. Dieser dürfte vielleicht nicht der schönste Platz sein, aber sicherlich der prachtvollste. Die Architektur der Gebäude, allen voran des alten Postamts und des Rathaus', reichen von Eklektizimus bis Rationalismus. Entstanden sind die meisten zwischen 1910 und 1930 und sind heute schöner den je. 
 
 
Plaza del Ayuntamiento mit Rathaus und Postamt

In der Nähe liegt der Nordbahnhof, dessen Eingangshalle atemberaubend schön mit Mosaiken verziert ist. Sie reichen bis hinauf zur Decke und zeigen neben typischen Jugendstilelementen auch Szenen aus der Valencianischen Kultur und Industrie.
 
Der Eingangsbereich des Nordbahnhofs
 
Schon auf dem Rückweg, entlang der prachtvollen Boulevards, kamen wir am Museu Nacional de Cèramica vorbei, das im Palacio del Marques de Dos Aguas untergebracht ist. Dessen Eingangspforte nannte unser kleiner Reiseführer : Rokoko-Overkill. Besser kann man es nicht ausdrücken. Durch die Verzierungen wirkte das Tor fast doppelt so groß und wir hätten locker ne halbe Stunde verbringen können, so detailreich war es gestaltet. 
 
Was für ein Eingang
 
Aber wir mussten ins Hotel, denn das Abendessen stand an. Das Alma del Temple liegt praktischerweise im Keller des Caro und somit mussten wir nur den Aufzug nehmen. Mit seinem Glasdach und den Mauerresten aus der Römerzeit ist es an sich schon einen Besuch wert. Aber auch die Küche weiss zu überzeugen. Die Gänge waren abwechslungsreich, toll im Aroma und auch kreativ. Die junge Köchin Sara Olmedo und ihr Team haben uns einen sehr leckeren Abend beschert.
 

 

Südlich von Valencia liegt die Albufera. Ein Naturschutzgebiet um Spaniens größten See, der für über 300 Vogelarten Refugium und Zuhause ist. Diesen wollten wir mit dem Fahrrad erreichen. Valencia hat ein gut ausgebautes Netz an Radwegen und auch der Verleih floriert. Da wir nicht ganz unbedarft sind was das Radfahren angeht war es ein no brainer für uns. Auf alles vorbereitet, und gekleidet wie Profis kamen wir an, in der Hoffnung ein schönes Gefährt zu bekommen, und zuckelten am Ende auf Hollandrädern los... Immerhin waren sie gut im Schuß, was bei unseren bisherigen Radtouren nicht immer der Fall gewesen war und auch preislich mit 12€ am Tag voll im Rahmen.
Ich bin ja ein altes Technokid, und muß mal etwas ausholen. In den 90ern war ich gern und halbwegs oft in Clubs unterwegs. Es war die Zeit vor dem Internet und vieles was man erfuhr stammte aus den Szene Fanzines. Ich war ein eifriger Leser und dort erfuhr man auch immer wieder von Techno-Hochburgen im Ausland. Neben den bekannten wie denen aus Belgien, der Schweiz, natürlich England oder Holland, konnten wir irgendwann einmal erste News aus Spanien, genauer gesagt Valencia, lesen. Es soll eine der härtesten und verrücktesten Szenen gewesen sein, mit vielen Discos außerhalb der Stadt und Feiern von Freitag abend bis Montag früh. Diese Locations befanden sich an der sogenannten "Ruta del Bakalao". Eine Straße die Valencia mit El Palmar verband. Dort lagen die angesagtesten Clubs der Region, die auch über die Grenzen hinaus einen gewissen Ruhm erlangten.
Warum erzähle ich das? 30 Jahre später zuckelten wir zwei auf unseren geliehenen Hollandrädern ein Stück entlang dieser Route und atmeten unwillkürlich "musikalische Geschichte". Warum unwillkürlich? Naja, mir fiel das erst hinterher wieder ein, und schaute dann nach wo diese legendären Clubs waren (die es heute praktisch nicht mehr gibt), um genau das festzustellen.
Ok, genug abgedriftet. Die Tour verlief wirklich gut. Begünstigt durch eine flache Topografie, die am Ende auch wie in Holland ist, kamen wir (trotz insgesamt ca 50km Strecke) gut voran und tauchten in sehr schöne Landschaften ein. Von Dünen und Pinienwäldchen kamen wir dann an den See, den man auf kleinen Booten mit Fischern befahren kann. Jedoch war unser Ziel erstmal ein Infozentrum, das auch gute Möglichkeiten zur Vogelbeobachtung bietet.
 
 

Infozentrum der Albufera

Und was wir dort erlebten, führt wieder einmal vor Augen, wie erfolgreich ordentliche Schutzmaßnahmen sein können. Uns erwartete ein unbeschreiblicher Lärm von tausenden Vögeln. Wenn man daheim manchmal denkt, dass man kaum noch Vögel hört, so war hier das genaue Gegenteil der Fall. Es lebte und brodelte, und war wundervoll zu sehen wie Zusammenleben funktionieren kann, denn die Albufera ist auch die Reiskammer des Landes. Nicht ohne Grund ist die Paella hier erfunden worden. Der Anbau erfolgt um die Seenlandschaft herum und wird mit ausgeklügelten Bewässerungssystemen versorgt. Dabei wird darauf geachtet, dass der Anbau im Einklang mit dem Brut- und Zugverhalten der gefiederten Bewohner geschieht.
 


 

Irgendwo in der Albufera
 
Ja, das Essen. Für uns auch immer ein wichtiger Punkt auf unseren Reisen. Der zweite Abend führte uns ins El Poblet, einer Dependance von Quique da Costa. Er ist einer der bekanntesten und höchstdekorierten Chefs in Spanien. Hinter einer unauffälligen Tür ging es in den ersten Stock, wo Luis Valls den Takt angibt. Man erklärte uns, dass die Küche sehr traditionell sei, jedoch natürlich einen modernen Anstrich verliehen bekommen hat. Dies zeigte sich in drei Facetten: Fleisch, Zitrusfrüchten und Meeresfrüchte. Insgesamt können wir das auch bestätigen: eher deftige Küche aber sehr schmackhaft und mit viel Pfiff, was uns sehr gut gefiel.
 

 

Valencias Architektur ist etwas, das uns auch aufgefallen ist. Sie ist sehr vielseitig. Von römisch und maurisch geprägten Gebäuden in der Altstadt über Gotik, die man vor allem um die Seidenbörse sieht, bis zur absoluten Moderne, mit der Stadt der Künste und Wissenschaften, die das neue Highlight darstellt. Was uns aber wieder einmal begeistert hat, ist der Jugendstil. Immer wieder findet man Elemente davon in Gebäuden, vor allem denen des valencianischen Architekten Javier Goehrlich Lléo, der die Architektur der Stadt in der ersten Hälfte des 20.JH entscheidend mitprägte.
 


Die Seidenbörse, gegenüber des Mercat Central ist zwar nicht groß, aber definitiv ein optisches Highlight. Im Innenhof fühlten wir uns ein wenig an die Alhambra erinnert, mit den Orangebäumchen und den umgebenden Mauern. Das Bauwerk selbst hat aber ansonsten nichts mit der maurischen Besiedlung im Mittelalter zu tun. Es ist im gotischen Stil errichtet und wurde 1533 fertiggestellt. Der Handelssaal mit seinen gedrehten Säulen ist sicher der beeindruckendste Teil. Aber auch der Saal des Handelsgerichts "Consult del mar" mit seinen Fliesen im Würfelmuster, die einen 3D Effekt erzeugen, sowie seiner prächtigen Deckendekoration, sind wunderschön. 

 

Die Seidenbörse
 
Ein weiteres architektonisches Meisterwerk, wenn man es denn so nennen möchte, ist das Flußbett des Turia. Der langgezogene Park in der Mitte der Stadt, war mal der Flußlauf des Turia. Heute fließt er woanders ins Mittelmeer, nachdem er wegen einiger Überschwemmungen umgeleitet wurde und die Bevölkerung entschied, aus der Fläche des alten Flußlaufs einen Park zu machen. Das ist sehr gut gelungen und so wechseln sich verschiedene Zonen ab, in denen man entspannen, Sport treiben oder flanieren kann. 

 
Jardin del Turia
 
Und wenn man meint es wären Raumschiffe in Valencia gelandet, ist man nur an der Stadt der Künste und Wissenschaften angekommen, die sich am unteren Ende des Turiaparks befindet. Eigentlich ist es ein Komplex, der aus mehreren futuristischen Gebäuden des Stararchitekten Santiago Calatrava besteht. Sie sind so anders als das drumherum, das man sie durchaus als Schritt in die Zukunft gesehen werden kann, denn die dort untergebrachten Attraktionen haben eine neue Qualität in die Freizeitgestaltung der Bewohner und Touristen gebracht. Das Oceanogràfic Aquarium ist das größte Europas. Es gibt ein 3D Kino, das Hemisfèric, ein Naturkundemuseum und noch das Palau de les Arts, das der Kunst gewidmet ist. Alles in allem die "neue" Top Attraktion in der Stadt. 
 

 
 

Stadt der Künste und Wissenschaften
 
Eine andere Attraktion ist der bereits erwähnte Mercat Central. Hier dürfte es fast alles geben was in und um Valencia herum wächst. Fleisch, Fisch, Feinkost, Gemüse und Obst sind hier in einer unglaublichen Vielfalt verfügbar. Untergebracht in einem weiteren architektonischen Meisterwerk ist es nicht nur etwas für den Magen, sondern auch für das Auge.
 


Mercat Central
 
Wenn ich von Obst spreche fällt einem bestimmt als erstes die Orange oder Mandarine ein. In der Stadt gibt es unzählige Bäumchen, die sogar noch ein paar Früchte trugen, obwohl die Saison vorbei ist. Aber es gibt noch viel mehr. Einer der viel darüber erzählen kann ist Vicente Todolí. Es dürfte keinen Küchenchef in der Stadt, der etwas auf sich hält, geben, der nicht sein Kunde ist. Todolí war mal Direktor im Tate-Modern in London und kann noch heute nicht ganz die Finger von der Kunst lassen. Er berät die Pirelli Stiftung in Kunstfragen. Seine große Liebe aber sind die Zitrusfrüchte. Mit seiner Todolí Citrus Fondacío hat er sich ein Denkmal geschaffen. Hier sammeln und züchten er und seine Mitarbeiter das ganze Spektrum der Zitrusfrüchte. Neben den bekannten Sorten gibt es wahre Exoten und Raritäten, wie die "Buddhas Hand" oder die "Zitronatszitrone". Inzwischen fehlen nur noch wenige Varietäten um die Sammlung zu vervollständigen. Wir hatten schon im El Poblet ein paar der wunderbaren Früchte probieren dürfen, und auch Ricard Camarena bezieht Ware von Todolí. 
 

Hier waren wir mal zu einem Mittagessen vorbeigekommen. Uns hatte das Konzept der vollständigen Verwertung der Produkte überzeugt und dann auch, dass im Hause Camarena ein vollwertiges vegetarisches Menü angeboten wurde. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und sollten es nicht bereuen. Sogar der Chef persönlich tischte uns ein paar Snacks auf und nahm sich Zeit für einen Plausch.
 


 
Nach dem köstlichen Essen war es Zeit für etwas Bewegung und das machten wir, indem wir uns ein wenig treiben ließen und später in Russafa landeten. Und hier fanden wir es: das typische, lebhafte Miteinader der Spanier. Es war bereits später Nachmittag und die Hitze des Tages abgeklungen, als wir dorthin kamen. Die Straßenkreuzungen wurden zu open-air Meetingpoints, denn an jeder Ecke gab es ein Café oder Restaurant, dass seine Tische und Stühle rausgestellt hatte. Das Stimmengewirr war entsprechend und wir genossen diesen positiven Vibe, der die ganze Szenerie begleitete. Links und rechts schauten wir an bunten Hausfassaden hoch und die kleinen Läden hatten sich rausgeputzt für die Gäste von Russafart. Das Viertel kann man getrost als alternativ bezeichnen, aber es ist sehr charmant mit vielen Initiativen, Ateliers und kreativen Räumen für Künstler, Jugendliche, Senioren usw. Und diese hatten alle geöffnet, so dass auch wir in das ein oder andere reinschauten.
 

 

 
Russafa
 
Auf dem Rückweg über den Turiapark, stolperten wir noch in ein alternatives Fest hinein wo es auch wieder hauptsächlich ums Essen ging. Da konnten wir nicht nein sagen und probierten wieder ein paar Leckereien. 
 

 
 
Essen! Wohnin man auch schaut
 
Sonntags morgens, eigentlich war es schon später Vormittag, durch die Stadt zu laufen, war eine Wohltat. Kaum Menschen auf der Straße und der Verkehr war auch praktisch nicht existent. Das nutzten wir für einen weiteren Spaziergang, wo wir über die Plaza de la Reina, der Porta del Mar zum Mercat de Colon gelangten. Dieser ist bei weitem nicht so überlaufen wie der Mercat Central, aber auch kein regulärer Markt, sondern eher ein Ort mit kleinen Ständen und vor allem: Essen. In diesem wundervollen Beispiel valencianischen Jugendstils macht es einfach Freude sich mal zu setzen und die Blicke schweifen zu lassen.
 

Porta de Mar und Mercat de Colon
 
Bevor wir uns aus der Stadt verabschiedeten, verschlug es uns, auf Empfehlung eines Kollegen, ins Atenea. Es ist eine Rooftopbar mit Restaurant, die einen schönen Blick auf die Plaza del Ayuntamiento gewährt. Das Wetter war schön und nach einem Drink hatten wir noch ein leckeres Mittagessen bevor es wieder Richtung Flughafen ging.  
 
 
Atenea Rooftopbar
 
Als Destination der zweiten Reihe braucht sich Valencia sicher nicht hinter anderen Städten zu verstecken. Obwohl wir nur an der Oberfläche gekratzt haben, war es ausreichend um Lust auf mehr zu bekommen. Die Stadt ist einladend und offen, mit toller Architektur und noch besserem Essen. Die Wege sind nicht sonderlich weit, so dass man viel zu Fuß oder dem Rad machen kann. Vor allem aber hat und der Rhythmus der Valencianos gefallen. Vielleicht lag es auch daran, dass weniger Touristen anzutreffen sind als in Madrid oder Barcelona, aber hier ticken die Uhren anders. Es wirkt alles entspannter, und das übertrug sich auch auf uns.