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Sonntag, 21. Juni 2015

Reisebericht Java Teil 1

Kurz bevor unser Urlaub losging, stellten wir fest, dass die Planung für unseren Trip etwa ein 3/4 Jahr zuvor losging. Nachdem die Reise durchgeplant und gebucht war, kehrte auch lange Zeit Ruhe ein, aber dann ging es auch Schlag auf Schlag. Die Wochen vor der Abreise vergingen ziemlich schnell, und die Tatsache, dass ich nun hier sitze und diese Zeile schreibe, zeugen davon, dass die Reise schon wieder vorbei ist.
Während wir noch im Flieger die Annehmlichkeiten der modernen Unterhaltung genossen, bereiteten wir uns unbewusst, und doch auf eigenen Wunsch, darauf vor, die jahrhundertealte Kultur und auch die ungewohnten Traditionen dieses Landes kennenzulernen und zu vertiefen. Vor uns lagen drei Wochen, die wir in der Hoffnung angingen, sie mit interessanten und schönen Erlebnissen zu verbringen.



Unsere Reise sollte uns zunächst einmal durch Java führen. Die viert- bzw fünftgrößte Insel Indonesiens (wenn man Irian Jaya mit einrechnet), ist die mit Abstand bevölkerungsreichste. Über die Hälfte der ca 250Mio Indonesier leben auf der Insel und das merkt man auch, wie ich später noch ausführen werde. Die Insel kann auf eine reichhaltige Kultur und Geschichte zurückblicken. Heute vorwiegend muslimisch, war die Insel auch schon hinduistisch geprägt, aber selbst die Christen wollten dort Herr im Hause werden, als die Portugiesen und später die Niederländer Einzug hielten. Somit ist ein buntes Völkergemisch entstanden, das noch heute Anhänger und Abkömmlinge hat. Dadurch hält Java ein kaum zu erfassendes Potpourri an verschiedensten Einflüssen bereit, an dem wir mal schnuppern wollten.
Bei Langstreckenflügen stört mich die Flugdauer kaum. Wie bereits erwähnt, gibt es ja inzwischen gute und vielseitige Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Was mich allerdings stört, ist die Zeitverschiebung und die damit verbundenen körperlichen Anstrengungen. Nicht, dass ich körperliche Anstrengung scheue, nein, aber ich kontrolliere gern das Maß. Wenn man frühmorgens landet, und der Körper fühlt sich gerade nach "ins Bett gehen" an, ist das schon beschwerlich. Dabei weiss man, dass man noch eine ganze Weile durchhalten muß um die ersten Tage nicht in die Tonne zu kloppen. Naja, aber hat das nicht auch irgendwas mit Kontrolle zu tun?
Wir sind über Singapur nach Jakarta geflogen, der mit ca 10Mio Einwohnern größten Stadt des Landes. Es hatte alles reibungslos geklappt und wir wurden schon von Abu, unserem Reiseführer für die nächsten Tage, empfangen. Abu sprach gut deutsch und das, obwohl er die Sprache ausschließlich im Heimatland gelernt hatte. Seine ruhige und etwas zurückhaltende Art war uns gleich sympathisch, aber in den folgendenn Tagen sollte er auch noch etwas auftauen.
Wir machten uns dann auch schon umgehend auf den Weg und verließen den Moloch in südöstlicher Richtung, die uns nach Bogor führte. Es dauerte aber eine gewisse Zeit bis wir wirklich aus der Stadt raus waren, denn die Stadt ist groß und der Wochendendverkehr machte die Sache nicht besser, denn Ziel vieler Bewohner der Stadt ist Bogor, das viele Menschen wegen der besseren Luft der Hauptstadt vorziehen. Umso interessanter, dass sich dafür viele erstmal  stundenlang in den Stau stellen. Eine Blechlawine in die wir uns auch einreihten, weil wir den weltbekannten Botanischen Garten besuchen wollten. Der Garten selbst ist eigentlich ein großer Park, der, wie mein Eindruck war, bestimmt noch Verbesserungspotential hat. Zwar wachsen dort viele Pflanzen, aber weder das Publikum wertschätzt es sonderlich, noch empfand ich die Anlage als botanischen Garten, denn es fehlte von Seiten der Verwaltung einfach viel Information und Pflege. Auch dort herrscht leider ein Müllproblem, wie vielerorts im Land, und das Bewusstsein dahingehend ist noch nicht sonderlich geschärft.

Botanischer Garten Bogor

Was aber einen viel besseren Ruf genießt und wirkliche Relevanz in der Welt der Botanik hat, ist das BGCI, das den wissenschaftlichen Arm der Institution darstellt. Dort wird wirklich etwas für die Erhaltung und Forschung getan.

Ein wahrhaft riesiger Ficus

Nachdem wir trotzdem bestimmt zwei Stunden rumgelaufen waren und oft von Indonesiern angesprochen worden waren ob sie denn ein Bild mit uns machen dürften, verließen wir den Park, vorbei an einem kleinen Straßenmarkt, der u.a. auch Tiere, insbesondere Kanninchen und Katzen, zum Kauf anbot. Leider waren diese in unwürdigen Käfigen, ohne ausreichenden Auslauf untergebracht, was sich in etwa mit dem Eindruck deckte den ich im Park über die ökologische Grundeinstellung der Menschen gewonnen hatte.
Den Weg über den Puncak Pass, nördlich vom Gunug Gede, verkniffen wir uns auf Anraten von Abu, weil wir nicht erst nachts in Bandung, unserem nächsten Reiseziel, ankommen wollten. Das war der Nachteil, dass wir an einem Wochenende angekommen waren.
In Bandung angekommen wurden wir in unser Hotel, dem Grand Preanger, gebracht und hatten den Abend zur freien Verfügung. Das Hotel selbst war gut. Die Zimmer groß und sauber und es gab auch einen Pool zum entspannen. Abends waren wir in einem Rumah Makan essen, das nur eine Speisekarte auf Bahasa hatte, aber irgendwie haben wir uns durchgekämpft und am Ende doch ordentlich gegessen.
In Indonesien werden Samstags oder Sonntags vielerorts Straßen kurzerhand zu Fußgängerzonen deklariert. Diese werden dann rege von der Bevölkerung genutzt, wie wir uns selbst überzeugen konnten. In der Nähe unseres Hotels herrschte Volksfeststimmung und tausende waren auf den Beinen. Auch hier bemerkten wir das Interesse vieler Indonesier an Ausländern. Wie wir später erfuhren, sind Indonesier einerseits fasziniert von den "Bleichgesichtern" und zum anderen sind wir auch Trophäen auf deren Facebook und Instagram Accounts.

Andere Länder, andere Sitten. Kleine Kostprobe gefällig? Im Refektorium eines internationale Hotels trifft man auf Leute aus aller Herren Länder. So hatten wir an unserem Nachbartisch einen Landsmann von der Arabischen Halbinsel, der sich lauthals mit seinem Handy unterhielt. Und als wäre dies nicht schon störend genug, bekamen wir, dank Lautsprecher, auch noch die geistigen Ergüsse seines Geschreipartners gratis mit dazu...
Auf dem Weg zum Ziel des Tages, fiel mir wieder einmal auf, wie faszinierend ich diese Länder immernoch finde. Während wir durch die wuseligen Städte und Dörfer fuhren, und ich das vermeintliche Chaos auf mich wirken ließ, stellte ich fest, wie es mich faszinierte. Wenn wir z.B. den Verkehr betrachten und uns der Anblick die Haare zu Berge stehen lässt, lässt sich darin dennoch eine gewisse Ordnung finden, denn es funktioniert trotzdem. In den Tagen dort haben wir einen einzigen Unfall erlebt obwohl mein Gefühl mich jedes mal zusammenzucken ließ wenn wir wieder einem knappen Überholmanöver beiwohnten. Für mich ist diese Unvollkommenheit auch eine willkomme Abwechslung zum Streben nach Perfektion und Ordnung daheim.
Java ist, wie bereits gesagt, die bevölkerungsreichste Insel des Landes und mit ca 140-150Mio Menschen kann man sich vorstellen, dass der Verkehr beachtlich sein muß. Wir hatten das Gefühl, dass es überall voll war. Sei es in Städten oder auf der Landstraße im Nirgendwo. Überall knatterten Knalpots oder meterhoch beladene LKWs. Es war ein wirklich interessant das mal wirken zu lassen.



Wir erreichten die Stadt Garut, in deren Nähe der einzige Hindutempel in Westjava liegt. Der Candi Cangkuang liegt auf einer kleinen Insel und das Besondere daran ist, dass es nicht nur eine heilige Stätte für Hindus ist, sondern auch für Moslems. Denn neben dem kleinen Tempel befindet sich auch das Grab von Arief Muhammad, der im 17Jh die Islamisierung auf den Sunda Inseln vorantrieb. Auf der Insel befindet sich auch ein Dorf, das streng nach Regeln lebt, die es sich in Gedenken an Arief Muhammad auferlegt hat. So gibt es nur sechs Häuser in Anlehnung an die sechs Kinder, und 22 Bewohner, die an die Anzah seiner Enkelkinder erinnert usw. Ich gehe jetzt nicht ins Detail, wie sie das bewerkstelligen, aber meine Sache wäre das nicht.


Candi Cankuang

Wir waren relativ früh zurück und hatten Lust auf einen Kaffee. Dank Internet ist es ja kein Problem mehr punktgenau etwas zu suchen und zu finden. Wir spazierten also los und kamen ein paar Blocks weiter ins Lacamera. Dieses modern eingerichtete Café besticht erstmal durch das stylishe Interieur, weiss aber auch mit Qualitätskaffees aus Indonesien und fachgerechter Zubereitung zu überzeugen. Dazu gibt es eine kleine Speisekarte mit leckerem Essen. Das Zitronengras-Nasi goreng z.B. war eine Offenbarung. Auch die Kaffees aus allen Teilen des Landes, wie z.B. Aceh, Papua, Sumatra usw waren toll. Insgesamt also eine empfehlenswerte Location.
Was uns auffiel, und auch von einigen Leuten bestätigt wurde, mit denen wir gesprochen hatten, ist das offenbar friedliche Miteinander unter den Religionen. Zwar wurde nicht abgestritten, dass es auch vereinzelte extremistische Bewegungen gibt, aber im Großen und Ganzen ist die Koexistenz vorbildlich. So findet man in einigen größeren Städten Moschee und Kirche direkt nebeneinander.
Am nächsten Tag stürzten wir uns mitten in Getümmel. Ok, ehrlich gesagt war es auch eine Lightversion dessen, aber statt mit dem Auto nach Yogyakarta zu fahren, stand eine Zugfahrt auf dem Programm. Wie auch hier, gibt es verschiedene Züge, die unterschiedlich schnell am Ziel ankommen. Abu hatte uns den zuverlässigsten gebucht, den Argo Willis, in dem keine Tiere mitreisen und der auch nicht an jedem Baum hält. Deswegen die erwähnte "Lightversion" des Bahnfahrens. Trotzdem war es eine schöne und authentische Erfahrung, denn ich bin früher sehr gerne mit der Bahn gereist und somit wurden Kindheitserinnerungen wach.
Von Bandung in Westjava ging es über Land und durch Berglandschaften nach Zentraljava. Während wir im inneren des Zuges zu indonesischen Schnulzen entspannen konnten, zogen draußen die Reisfelder an uns vorbei. Nachdem wir Bandung verlassen hatten, und die Ortschaften immer kleiner wurden, fiel uns eines auf: In Städten ist der Müll und die mangelhafte Entsorgung desselbigen augenscheinlich. In den kleinen Dörfern sah das ganz anders aus. Die kleinen Häuser und Höfe und die Straßen wirkten sauber und man bekam das Gefühl, dass dort noch in Einklang mit der Natur gelebt wird. Die Hingabe, mit der die Bauern ihre Felder bestellten oder zur Ernte anrückten, war bewundernswert. Die Beete waren fein säuberlich bepflanzt und auch für die Nutztiere fiel immer etwas ab. Die Behausungen konnten noch so einfach sein, Müll haben wir keinen gesehen, außer entlang der Bahntrasse oder um größere Ortschaften. Irgendwie scheint, dass die Menschen mit weniger Hab und Gut, reicher an Weisheit und Gespür dafür sind, worauf es wirklich ankommt.


Erfrischendes Fußbad für unseren Schaffner

Die Zugfahrt dauerte etwa acht Stunden und die Landschaft veränderte sich. In Westjava überwogen Berge und kühleres Klima, was die Landschaft doch recht grün erscheinen ließ. In Zentraljava war es schwüler und flacher. Dafür empfing uns auch ein schönes Gewitter als wir in Yogya einfuhren. Unser Fahrer Penny war schon vorgefahren und holte uns am Bahnhof ab um uns direkt ins Hotel zu fahren. Wir waren im The Phoenix untergebracht, dass, nicht ohne Grund, ein wenig ans Raffles in Singapur erinnert. Beim Betreten fühlt man sich in der Zeit zurückversetzt, in die goldene Ära als noch Kolonialmächte im Land waren und es außergewöhnlich war zu reisen. Und besonders ist die Behandlung dort. Man kann noch so schäbig einlaufen, aber man wird empfangen wie ein Staatsgast und betritt ein Museum, das man letztendlich auch bewohnen kann. Ich kann schon vorwegnehmen, dass dieses Hotel das beste auf der gesamten Reise war.


Das Phoenix

Auch in Yogya zeigte uns Abu das Rathaus, wie in den Städten zuvor. Da, wie wir erzählt bekamen, das auch eine Residenz zur Ausstattung des Bürgermeisterpostens dazugehört, wollte ich wissen ob man auch als Parteiloser kandidieren könne. Dies ist wohl möglich, wenn man 200.000 Unterschriften sammelt. Daraufhin war die Geschäftsidee geboren, dass ich all diejenigen zur Unterschrift (und später zu Urne) bitte, die sich mit uns ablichten lassen wollten. Das ginge dann recht schnell, denn inzwischen wurden wir schon ziemlich oft angesprochen. Dann würden wir auch in einem Palast wohnen und eine dicke Karre fahren. Ich glaube Kathrin gefiel der Gedanke First Lady zu werden, auch wenn sie es nicht zugab. Wie Ihr seht, stieg uns die Beliebtheit schon etwas zu Kopf und wir bildeten Starallüren aus...

Prambanan

Aber nun mal wieder zum eigentlichen Zweck unserer Reise. Prambanan, die größte hinduistische Tempelanlage Indonesiens, war klasse. Sehr beeindruckende Prachtbauten, sowohl von der kulturellen/spirituellen Bedeutung, als auch von der Darbietung und Pflege. Ein wundervolles großes Areal, das parkähnlich angelegt ist und in deren Mitte die Tempel stehen. Die drei Haupttempel sind Shiva, Brahma und Vishnu geweiht und mit wundervollen Steinmetzarbeiten verziert. Man kann sie betreten und im Inneren befinden sich Statuen der jeweiligen Gottheit. Außer uns waren noch einige Schulklassen und weitere Besucher dort. Und ratet mal: die Stars wurden wieder zum Fotoshooting gebeten...




In, um und auf den Tempeln

Schwer beeindruckt verließen wir nach etwa zwei Stunden das Areal, vor allem, da die kleineren Tempel im Norden des Geländes gerade Restaurierungsarbeiten unterzogen wurden.
Unser Weg führte uns in südlicher Richtung zu den königlichen Gräbern der Sultane von Yogya und Solo in Imogiri. Wir wählten die Strecke über die Dörfer und wurden mit fantastischen Ausblicken und Eindrücken belohnt. Dieser Landstrich ist von so bescheidener und einfacher Schönheit, dass alles andere in diesem Augenblick bedeutungslos wurde und wir einfach nur alles aufsogen und dankbar waren dies erleben zu dürfen. Vor sanften Hügeln wechselten sich Reisfelder und -terrassen in saftigem Grün, mit Zuckerrohr und kleinen Obstplantagen ab.

Und wieder ein freudiger Empfang

Die Gräber der Sultane liegen etwas abseits der Stadt und man kann sie über eine Treppe von ca 400 Stufen erklimmen, oder man hat einen aufmerksamen Guide, der einem die Wahl lässt, bei über 30°C und 80% Luftfeuchtigkeit, auf einem Schleichweg hochzufahren. Das taten wir auch und hofften, dass dieser Tag einer derjenigen Tage wäre, an denen die Anlage vollständig zu besichtigen wären. Es ist nämlich so, dass sie nur an drei Tagen in der Woche komplett begehbar ist und ansonsten nur die äußerste der drei Ebenen. Leider hatten wir Pech und konnten somit nur einen kleinen Eindruck gewinnen von der Pracht und Schönheit der Anlage.


Sultansgräber bei Imogiri

Abschließend ging es noch ganz in den Süden, entlang des Opak Flusses, zum Meer. Wieder fuhren wir durch wunderschöne Landschaft bevor wir den Ort Parangtritis erreichten, wo der Legende nach die Göttin des Südlichen Meeres Ratu Loro Kidul, Herrscher Senopati Hilfe und Schutz durch ihre Geisterarmee versprach. Wenn man hier das wilde Meer sieht, das wirklich dunkel ist und so ziemlich alles vermissen lässt was man von den Stränden der Urlaubsorte so kennt und erwartet, mag man der Legende durchaus ein Körnchen Wahrheit beimessen. Trotzdem ist es ein gut besuchter und recht schöner Strand, wenn auch hier nicht das Müllproblem wäre.

Strand von Parangtritis

Abends waren wir in Yogya draußen essen. Entlang der Haupteinkaufsstraße Marlboro (ist einfacher als Jalan Malioboro) werden ab Sonnenuntergang überall kleine Stände aufgebaut, die in erster Linie von Einheimischen und vor allem Studenten genutzt werden. Yogya ist nämlich DIE Studentenstadt mit über 70 Hochschulen. Es gibt alles mögliche zu essen und vor allem sieht man genau was es gibt und kann sich oft, wie bei einem Buffet, bedienen.
Ein weiteres mal waren wir in einem Ramenladen essen, der die leckeren japanischen Nudelsuppen verkauft. Nagoya ist etwas weg vom Zentrum, aber in ca 30min zu Fuß, oder schneller mit einer Rikscha, ist man da. Der Laden ist klein und die Kundschaft überwiegend jung. Leider verstehen die Mitarbeiter nur wenig Englisch, aber mit Händen und Füßen kommuniziert, bekamen wir auch das was wir wollten und hatten ein lecker Abendessen. Ein weiteres mal haben wir aber im hoteleigenen Restaurant, Paprika, gegessen. Wie nicht anders zu erwarten, war das Essen vorzüglich und dem Preis angemessen.


Borobodur

In der Umgebung von Yogya befinden sich die meisten der Sehenswürdigkeiten, die ein Tourist auf einer Java Rundreise besichtigen wird. So auch das Highlight der meisten, der Borobodur. Als Weltkulturerbe der UNESCO genießt es einen ganz besonderen Ruf und bevor man es das erste mal gesehen hat, sind die Erwartungen schon ziemlich hoch. So war es auch bei uns, und obwohl es Kathrin nicht gut ging, weil sie Magen-Darm Probleme hatte, ist sie mitgekommen um sich das nicht entgehen zu lassen.

Weltkulturerbe Borobodur

Der Borobodur ist eine gewaltige Stufenpyramide, die im 8/9JH errichtet wurde und vermutlich eine der größten buddhistischen Tempelanlagen der Welt. Auch hier gelangt man über eine weitläufige Parkanlage an die Hauptattraktion und der erste Anblick ist schon atemberaubend. Entlang der Stufen sind Reliefs gemeisselt, die auf fünf Ebenen die Geschichte und Weg Buddhas erzählen. Die Arbeiten sind von enormer Detailtreue und Genauigkeit, und wenn man sich die Ausmaße ansieht, möchte man in Ehrfurcht erstarren.


Der Käfer kam immer wieder zur gleichen Stelle zurück

Das bekannteste Bild aber, ist die oberste Ebene, auf der die 72 durchlöcherten Stupas sitzen und in deren Mitte die große Zentralstupa steht. Es war ein unbeschreibliches Gefühl dort oben zu sein und das alles in voller Pracht zu sehen. Allerdings währte die Besinnlichkeit auch nur kurz, denn schon bald wurde sie von hunderten nervenden Menschen gestört, die nur mit ihren Handys rumliefen und sich selbst vor "irgendwas dahinter" fotografierten. Die eigentliche Bedeutung dieses Moments rückte sprichwörtlich hinter einen und von Besinnlichkeit war leider keine Spur. Die paar wenigen Besucher, die auf mich den Anschein erweckten diesem Bau einen gewissen Respekt zu zollen, schienen genauso angewidert wie ich.



Auf der obersten Etage in Borobodur

Wenn man die Bilder von Borobodur betrachtet, wird man feststellen, dass sie fast ausschließlich um Sonnenaufgang oder kurz vor Sonnenuntergang gemacht wurden. Das war auch unser Fehler. Als wir eintrafen war es ca 9h und quasi die "beste" Besuchszeit. Ich kann nur dringend von einem Besuch vormittags oder nachmittags abraten und empfehle den Sonnenaufgang. Die Anlage bietet frühen Eintritt um 5h, wenn ich mich nicht irre, und wenn man geht, kommen erst die "wilden Horden".

Selfies und Handys wohin man blickte

Auf dem Rückweg kamen wir noch an einem weiteren Tempel vorbei, dem Candi Mendut, das von Fachleuten als "Juwel unter den antiken Bauwerken Zentraljavas" gehandelt wird. In ihm befindet sich ein 3m hoher, sitzender Buddha. Was besonders schön ist, ist die Tatsache, dass kaum jemand dem Tempel Beachtung schenk und man oft allein den schönen Bau betreten kann.

Candi Mendut
 
Den Rest des Tages verbrachten wir in Yogya, wo wir u.a. den Sultanspalast besuchten und durch den öffentlichen Teil gegangen sind. Er enthält zum einen Instrumente, aber auch Geschenke ausländischer Würdenträger, die einst hierher zu Besuch kamen. Man erfährt auch etwas über die Vorgänger des aktuellen Sultans, wovon mir aber eigentlich nur hängengeblieben ist, dass sie alle ziemlich kinderreich waren und einer es auf über 80 Kinder gebracht hat... Von mehreren Frauen, versteht sich. Auch der Wasserpalast hat seine besten Zeiten schon hinter sich. Er diente den Sultanen damals um sich und ihre Damen abzukühlen und miteinander zu vergnügen.




Sultans- und Wasserpalast

Alles in allem kann ich zu den Palästen sagen, dass man sie sich ansehen kann, aber auch nicht viel verpasst, wenn man sie auslässt.
Die Tage in Yogya neigten sich dem Ende und wir genossen noch die Zeit am Hotelpool und später bei einer hervorragenden Massage.

Rikschaparkplatz vor dem Markt in Solo

Am nächsten Tag hatten wir wieder eine lange Überlandfahrt vor uns, die uns nach Ostjava bringen sollte. Dazu fuhren wir über Solo, wo wir einen großen Markt besuchten in Richtung des Gunug Lawu, einen der heiligen Berge Javas. An seinen Hängen haben wir wieder einmal eine Kostprobe der Vielseitigkeit der Landschaften der Insel bekommen.

Es gibt hier viele schöne Reisterrassen...

Vom heißen und schwülen Flachland schlängelten wir uns hinauf in die Bergdörfer, die wieder in einem äußerst fruchtbaren Gebiet lagen. Hier gab es auch wieder Teeplantagen und allerlei Obstanbau, inmitten von kleinen Bächen und Wasserfällen. Selbst Erdbeeren werden dort, auf über 1500m angebaut. Köstlich, wenn man sie nach/während einer anstrengenden Fahrt essen kann. Wenn man den höchsten Pass, auf ca 1900m überquert hat, liegt Zentraljava auch hinter einem, denn man hat dort die unsichtbare Linie zu Ostjava überquert. Von da aus geht es erstmal eine ganze Weile bergab und vorbei am wunderschönen Sarangan See in dem sich teilweise die Gipfel drumherum spiegeln. Es ist eine Region wie man sie auch in den Alpen finden könnte. Die Vegetation entspricht unserem gemäßigten Klima und nur die Warungs mit ihren indonesischen Speisen erinnern, dass man ganz woanders ist.




Impressionen von der Fahrt nach Ostjava

Apropos Warungs: Auf unseren Fahrten bestanden wir darauf, dass wir in den Restaurants essen, in denen auch unsere Fahrer essen wollten. Wir wollten kein Touriessen, sondern authentische einheimische Küche. Was soll ich sagen? Abu hat uns immer zu Imbissbuden und kleinen Restaurants gebracht in denen wir wahrscheinlich nie abgestiegen wären, aber es hat sich immer gelohnt. Das Essen war einfach, aber sehr lecker und auf den Magen geschlagen ist es uns auch nicht. Wir fanden es auch schön, dass Abu mit uns gegessen hat und uns bei der Auswahl behilflich war.

Ein typisches Essen in einem Warung Makan

Wo wir gerade beim Thema Essen sind: Nicht nur kulturell haben wir uns auf Entdeckungsreise begeben. Auch kulinarisch gab es immer wieder Neues. Gerade bei Obst, gab es große Auswahl. Nicht nur uns bekannte Bananen, Papaya und Schlangenfrucht, sondern auch Exoten wie Mangosteen, Tamarillo, Soursop oder Duku (was ich zuerst für eine Kartoffel hielt) sorgen für einen reich gedeckten Tisch und sind allesamt lecker. Einzig Soursup hat eine derart ungewöhnliche Konsistenz, dass man sie, beim ersten mal, gar nicht richtig genießen kann. Es ist irgendwie weich, aber auch zäh und faserig, hat aber einen durchaus guten Geschmack.

Päuschen in Malang

In Malang, einer bei den Niederländern einst beliebten Stadt, hatten wir einen Zwischenstop mit Übernachtung. Wie wir bei einer kleinen Rundfahrt sehen konnten, ist dies eine sehr saubere Stadt und stach für uns irgendwie heraus, aus den ganzen anderen Großstädten. Abu erklärte uns, dass vom Präsidenten ein Preis für saubere Städte ausgelobt wird, den Malang wohl schon gewonnen hat. Für uns war es eine der schönsten Städte gewesen, die wir besucht haben. Überhaupt merkt man noch heute den Einfluss der einstigen Kolonialmacht, was sich in breiten Alleen, einem Viertel mit ziemlich westlicher Bauweise und mehreren Kirchen bemerkbar macht. Auf unserem Streifzug besuchten wir den kleinen aber feinen Blumenmarkt und kurz darauf den Vogelmarkt. Letzterer war gewöhnungsbedürftig um nicht drastischer zu werden und zu behaupten: schwer erträglich. Tiere sind dort wirklich nur Ware und werden auch als solche angeboten. Artgerechte Haltung ist ein Fremdwort und selbst vor Wildtieren wird nicht Halt gemacht. Mir war ein stückweit nach Krawall zumute und ich hätte gern einige der Käfige geöffnet, aber leider hätte es wohl nichts gebracht.



 Ich erspare hier mal die unangenehmen Bilder...

Sehr schön war wiederum unser Besuch des Eng An Kiong Tempels, in dem sowohl Buddhisten, Taoisten und Anhänger des Konfuzianismus einen Ort der Einkehr finden. Durch Zufall lief uns der Generalsekretär der Anlage über den Weg und nahm sich spontan Zeit für uns um uns die Sichtweisen und Lehren zu erklären und die Bedeutung einzelner Figuren, Räume und Artefakte. Zunächst dachte ich an jemand der irgendwann seine Hand aufhält, doch das war mitnichten der Fall. Es war ein klasse Erlebnis, das wir nicht erwartet haben und eben auch nicht so im Reiseführer steht, sondern nur möglich ist, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.




Impressionen aus dem Eng An Kiong Tempel

Bevor wir zu unserer letzten Etappe aufbrachen, besuchten wir noch die bekannte Wonosari Teeplantage im Wilisgebirge, etwas nördlich von Malang. Neben einem Spaziergang über die Plantage bekamen wir einen Einblick in die Produktion des Tees. Außer dem bekannten schwarzen Tee, gibt es dort auch noch grünen und weißen Tee, der die Fabrik verlässt.


Die Damen, die unseren Tee pflückten

Dann ging es weiter nach Bromo und wir haben wieder ein paar Stunden auf den Landstraßen Ostjavas verbracht. Leider sind wir erst nach Sonnenuntergang in Wonotoro angekommen und somit in unserem Hotel für eine Nacht, dem Java Banana. Wir gingen noch schnell ins Café, das gleichzeitig auch Galerie ist und tolle Aufnahmen von der Landschaft bereithält. Wiedereinmal erwies sich der Spruch: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als goldrichtig, denn ich erkannte den Fotografen der Bilder und wir kamen ins Gespräch. Sigit Pramono erzählte von den Aufnahmen und gab Tipps zu den besten Orten.
Am nächsten Morgen ging es um 3.30h los und wir fuhren mit einem dicken Land Cruiser in Richtung Aussichtspunkt. Wir waren nicht die Einzigen und schon bald bildete sich eine Kolonne die sich wie eine leuchtende Perlenkette am dunklen Hang abzeichnete. Nach etwa einer 3/4 Std waren wir angekommen und fanden uns inmitten von dutzenden Verkäufern, Touristen, Mopedtaxis und eben Land Cruisern wieder. Die letzten Meter ging es zu Fuß hinauf und es wurden ständig mehr Leute. Man glaubt gar nicht wieviele Menschen sich das jeden Tag antun, aber der Aussichtspunkt war bereits voll als wir ankamen. Gott sei Dank, kannte Abu noch einen kleinen Geheimtipp und so warteten wir dort auf den Sonnenaufgang. Bei klirrender Kälte sahen wir die ersten Strahlen und mussten schon kurz darauf feststellen, dass auch Wolken aufzogen. Die Zeit bis die Sonne aufging lief ab und die Wolken wurden mehr. Am Ende sahen wir den Sonnenaufgang nicht und mussten unverrichteter Dinge abziehen.




Wo ist unser Jeep?

Doch unser Guide kannte noch einen Ort und als wir dort eine halbe Stunde später eintrafen, wurden wir mit einer grandiosen Aussicht belohnt. Die Sonne hatte inzwischen die Wolken vertrieben und der Bromo war in bestem Licht zu sehen. Ein überwältigender Anblick den wir eine Weile genossen bevor wir wieder runter mussten, denn der Flieger nach Sulawesi würde nicht warten.

Wir hatten doch noch Glück!
 
Wir schenkten uns den Aufstieg zum Bromokrater, der noch auf dem Programm gestanden hätte und sind zum Hotel zurück. Jetzt bei Tageslicht, sahen wir erst wie schön die Gegend war. Auch das Hotel war unglaublich schön angelegt und inmitten einer tollen Natur. Wir wähnten uns irgendwo in den Alpen, aber sicher nicht in Indonesien. Gerne hätten wir dort noch ein oder zwei Tage verbracht, aber nach dem Frühstück mussten wir schon los.


Das Java Banana und der Garten

Auf dem Weg ins Tal konnten wir sehen wie sich die Vegetation veränderte. An den steilen Hängen sahen wir Äcker von denen wir nicht glauben konnten, dass sie überhaupt zu bestellen sein könnten.
In Surabaya verabschiedeten wir uns von Abu, der ein toller Vertreter seines Landes war und uns vieles näher gebracht hat; auch das was nicht im Reiseführer steht. Wer die Reisterrassen in Bali mag, wird sie auf Java lieben. Die vielfältige Kultur und Naturschönheiten sind überwältigend. Aber letztendlich waren es die Menschen, ohne die die Reise wohl nicht annähernd so schön gewesen wäre wie wir sie erleben durften. Trotzdem ist die Reise anstrengend und die Erholung kommt mitunter etwas zu kurz, aber wir würden die Reise nochmal machen, wenn auch mit kleinen Änderungen.
Terima kasih, Abu und Java!

Dienstag, 4. November 2014

Reisebericht Rotterdam 2014

Zugegeben, Rotterdam hat nicht jeder auf der Uhr, wenn es um einen Städtetrip geht, und wir auch nicht unbedingt, aber da schon seit Jahren gute Freunde von uns dort wohnen, war es höchste Zeit sie mal zu besuchen.
Nach Amsterdam wollen ja viele und das auch weitestgehend zurecht. Es ist eine schöne Stadt mit viel Kultur, Geschichte und Drogen...  Was aber fällt euch zu Rotterdam ein? Gut, der größte Hafen Europas dürften die meisten wissen, aber was sonst noch? Nun, um das zu erkunden sind wir dorthin, was natürlich auch dadurch erleichtert wurde, dass unsere Freunde dort leben. Sie hatten sich netterweise Zeit genommen um uns ein bisschen was zu zeigen und zu erzählen.
Kommt doch einfach mit und erfahrt auch mehr.



Wir sind mit dem Auto gefahren und hatten die Tour in etwa 6 Std geschafft, und das obwohl wir über eine Std im Stau standen. Die Unterkunft haben wir bei airbnb gebucht und vorher die Übergabe der Schlüssel an unsere Freunde organisiert, da die Vermieterin nicht da war. Aber das lief so glatt wie man es sich nur wünschen kann, und dieser Eindruck sollte sich im Laufe der kommenden Tage noch weiter bestätigen.

netter Ausblick

Unsere Unterkunft war auf der Insel Noordereiland, die etwas südlich des Stadtkerns liegt, aber noch so nah, dass man gut von dort überall hinkommt. In einer ruhigen Straße lag die Wohnung und bei dieser sah man auch, dass jemand darin lebt und sie nicht nur Vermietungszwecken dient. Wir fühlten uns gleich wohl dort, aber für zu langes Verweilen blieb keine Zeit, denn Martin war schon mit seinem Sohn gekommen um uns auf einen Spaziergang mitzunehmen.

Nieuwe Maas mit Nordereiland (links) und City

Der führte uns erstmal um die halbe Insel, wo wir positive Eindrücke gewannen. Auffällig waren doch einige Hochhäuser entlang der Maas, die der Stadt einen modernen Touch geben. Aber wer die Geschichte der Stadt kennt, weiß, dass dies auch selbsterklärend ist, denn im 2. WK ließen die Deutschen im Zentrum kaum einen Stein auf dem anderen, weswegen eine Altstadt und entsprechende Bausubstanz praktisch nicht existiert. Von diesem Ereignis zeugen auch vereinzelte Mahnmale, die entlang der äußeren Zerstörungsgrenzen aufgestellt wurden um das Ausmaß zu verdeutlichen.



Nordereiland und Mahnmal

Aber der Tag war eigentlich zu schön um sich in solchen Gedanken zu verlieren und ich täte der Stadt hier Unrecht wenn ich sie auf die Erinnerung an dieses Ereignis reduzieren würde. Denn ganz das Gegenteil ist der Fall. Die Sonne schien vom blauen Himmel und wir verließen die Insel und kamen nach Kop van Zuid. Das ist ein neuer Stadtteil... nein, eigentlich ein alter Stadtteil, der neu bebaut wurde. Früher einmal ein Gebiet, das zum Hafen zählte, ist es heute ein schickes Wohnviertel, in dem neben vielen neuen Gebäuden auch alte Hallen und Depots umfunktioniert wurden. Es wurde urbanisiert, um die Lücke zwischen dem Zentrum an der nördlichen Seite der Maas, und den südlichen Stadtteilen zu schließen.

Erasmusbrücke

Ein Bauwerk, dass die Blicke in der Umgebung auf sich zieht, ist die Erasmusbrücke, die man auch als Fußgänger und Radfahrer überqueren kann. Durch ihre Assymetrie will man meinen, dass irgendwas nicht stimmt, aber ich finde auch, dass sie sehr gut ins Stadtbild dieses neuen Viertels passt, wo eh viele Gebäude von den normalen Konventionen der Architektur abweichen.
Wir waren schon eine Weile unterwegs und kehrten in ein Cafe direkt unter der Brücke ein, das Grand Cafe Prachtig. Eine Mischung aus Straßencafe und Beachclub erwartete uns und für das Wetter war es genau das richtige, denn hier konnten wir uns in Sessel fleezen und neben kühlen Getränken gab es noch leckere Kleinigkeiten zu essen. Empfehlenswert ist der "Hot Snack Tray", der diverse holländische Snacks beinhaltet.

Café Prachtig

Auf dem Weg ins und durch das Zentrum war es irgendwie wie irgendwo in Deutschland. Eine typische Innenstadt mit vielen Läden und Cafés, also nix besonderes. Doch halt, etwas war anders: nämlich die Horden an Radfahrern. Überall waren sie und es gab auch überall Radwege, entlang jeder Straße. Der Verkehr ist voll auf die Radler abgerichtet und eigentlich ist es ja auch klar: Die Stadt ist flach wie ein Brett und wenn man die Parkplätze so anschaut (wir haben jedenfalls wenige gesehen) dann bleibt eigentlich nur das Bike. Aber was uns am meisten gefallen hat, ist dass es wirklich gesittet zuging. Keine Rowdys oder sonstige Ausfälle, nein. Der Verkehr lief reibungslos und wie ich finde kann man dort (und auch anderswo in NL) auch gute Beispiele für die Städteplanung in Deutschland finden.



Ein paar Grachten

Was natürlich auch auffällt sind die vielen kleinen Kanäle. Aber im Gegensatz zu Amsterdam haben sie scheinbar nicht die Bedeutung für die Stadt, denn nur die größeren, ehemaligen Hafenanlagen werden aktiv genutzt. Ein Kanal, der ein solches Schattendasein fristet und wahrscheinlich tot wäre, wenn nicht noch ein paar Enten und Schwäne dort leben würden, ist die Steigersgracht. Aber wie Martin uns erzählte, gibt es Pläne dafür. Es gab wohl einen Ideenwettbewerb, dessen bester Vorschlag in die Tat umgesetzt werden soll. Es gewann ein Vorschlag der den Umbau zu einer Surfwelle, wie dem Eiskanal in München, vorsieht. Einen bereits umgesetzten Entwurf konnten wir gleich nebenan sehen, nämlich die neue Markthalle. Sie hatte erst vor wenigen Tagen eröffnet und entsprechend groß war der Andrang. Aber  auch hier wieder pfiffige Details. Die Halle ist eine Fusion aus Verkaufsfläche und Wohnungen, die wohl alle einen Blick aufs Geschehen bieten. Wirklich beeindruckend, wenn man davon absieht, dass es mehr ein Feinkosttempel ist als eine Markthalle, denn Bauern die ihr Gemüse verkaufen haben wir dort nicht gesehen. Dafür aber gab es Serrano, Smoothies und andere Leckereien.


Markthalle

Direkt gegenüber befindet sich eine weitere Attraktion der Stadt. Die Würfelhäuser oder Kubuswoningen. Das sind kleine Wohneinheiten, die in Würfelform gebaut und von Piet Blom erdacht wurden. Man kann sie sich auch aus der Nähe ansehen, denn eine kleine Passage führt zwischen ihnen durch.


Kubuswoningen

Wie ihr seht, und uns ging es nicht anders, lebt Rotterdam von einer großen Kreativität. Man merkt förmlich, dass ein Bestreben existiert die Stadt nicht nur zu verbessern, sondern auch attraktiver zu machen. Ich weiß nicht, ob es aus der Historie herrührt, aber es scheint eine sehr einfallsreiche Community zu geben, die auch die Möglichkeiten vorfindet sich auszutoben. Martin bestätigte auch, dass es viele Menschen im Dienstleistungssektor gibt und auch viele Menschen die sich in irgendeiner Form selbstständig machen und ihre Ideen verwirklichen.
Auf unserem weiteren Streifzug durch die Stadt musste ich meinen Eindruck von weiter oben etwas revidieren. Der Vergleich mit einer x-beliebigen Stadt hinkt, denn was wir zwischen Marktplatz und Rathaus sahen, war durchaus ansprechend und hatte seinen eigenen Charme. Kleine Läden reihten sich an schmale Wohnhäuser und überall saßen Leute draußen und das nicht immer in Cafés, sondern manchmal auch vor der eigenen Haustür, auf einer eigenen Bank. Unser Ziel war der Biergarten Rotterdam, der von einem Freund Martins betrieben wird. Ok, es war nicht so urig wie in Bayern, aber das hätte auch nicht gepasst. Vielmehr war es ein Hinterhof wo sich junge und junggebliebene Leute auf ein paar Bier trafen und auch was vom Grill essen konnten (Tip hier: die Currywurst!). Quasi ein alternativer Biergarten.

Am Hbf

Von dort ist es nicht weit zum Hauptbahnhof, unserem nächsten Ziel, denn Martin wollte uns mobil machen, sprich Räder verpassen. Der Fahrradverleih war dem Verkehrsaufkommen auf den Straßen angemessen. Neben einer Fahrradgarage für private Räder, in der hunderte Bikes Platz hatten, gab es eine stattliche Anzahl an Leihrädern. Sowas hab ich noch nie gesehen! Nach wenigen Minuten hatten wir dann einen fahrbaren Untersatz und konnten zu Martin nach Hause zuckeln. Obwohl es ein ungewohntes Gefühl war auf so einem Hollandrad zu sitzen (wir fahren MTB), ist es gar nicht schlecht mit dem steilen Sitz- und Lenkwinkel, denn auf den flachen Straßen ist eine aufrechte Sitzposition durchaus von Vorteil.

übersichtlicher Fahrradkeller

Wir fuhren und schoben unsere Räder durch das Zentrum und man merkte es war Feierabend und das Wochenende stand vor der Tür. Es gab kaum eine Tür/Fenster vor dem nichts los war. Die ganze Stadt schien auf den Beinen und die fast schon südländische Lebensfreude war spürbar. Genau dafür mag ich die Holländer: irgendwie immer gut drauf.
Zuhause bei Martin und Lies gab es ein typisch holländisches Gericht zu abend. Es war eine Art Grünkohl und Pinkel. Kartoffelstampf mit Grünkohl und einer herzhaften Wurst. Einfach aber sehr lecker. Und auch das gefiel mir: Es muß nicht immer alles bling-bling sein. Manchmal sind es die einfachen Sachen die den größten Effekt erzielen. Und so entwickelte sich ein netter Abend mit interessanten Gesprächen bis wir irgendwann den Heimweg antreten mussten. Wir hatten ja das "Handicap" mit den Bikes, aber es sollte uns ja schließlich flexibler machen. Und so fuhren wir dann los und schon bald waren wir in diesen Lifestyle eingetaucht. Nix Taxi, sondern ganz oldschool mit dem Rad nach Hause. Es lief alles glatt und wir haben uns nicht einmal verfahren.
Am nächsten morgen organisierten wir uns selbst, denn Martin hatte erst nachmittags Zeit. Die Tochter musste noch etwas für die Schule machen und so beschlossen wir, nach dem Frühstück würden wir Lea ins Apartment bringen und wir würden weiterfahren. Aber erstmal frühstücken. In irgendeiner App fanden wir einen Laden, der uns gefiel. Dazu muß man wissen, dass es nicht wirklich einfach ist ein Café zu finden, das so üppige Frühstücksauswahl hat. Man muss schon schauen ob die üblicherweise kleinen Karten dem eigenen Wunsch und Geschmack entsprechen. Wir sind dann also zum Picknick, einem Laden der nachhaltige und regionale Zutaten hat. Die Karte war wirklich übersichtlich, aber wir wurden fündig und hatten ein leckeres Frühstück, u.a. mit frischem Brot und gutem Espresso.

Das war lecker!

Nachdem wir Lea im Apartment abgeliefert hatten, schlug Kathrin vor zu einem Fleckchen zu fahren, dass den Krieg überstanden hat. Und wieder schwangen wir uns auf die Räder (inzwischen war es schon selbstverständlich geworden so mobil zu sein) und fuhren ins historische Delfshaven. Dieses Viertel wurde von den Bomben weitestgehend verschont und hier findet man Rotterdam wie man es sich vorstellt und wie es einmal ausgesehen hat. Viele schöne historische Gebäude und am Ende steht eine große Windmühle. Es war wie Disneyland auf holländisch.



Delfshaven

Auf dem Rückweg machten wir noch eine Pause im Café des NAI. Das NAI ist das Niederländische Architektur Institut, und wir waren im Herzen der Rotterdamer Architekturschule. Ich hatte ja schon erwähnt, dass dort viel gebaut wird und das hinter vielem auch architektonisch Anspruchsvolles steckt. Nicht ohne Grund wird Rotterdam auch die Hauptstadt der Architektur in den Niederlanden genannt. Überall sieht man interessante Bauten. Es wird viel gemacht und wenn man etwas anpackt, dann aber richtig, war der Eindruck, der sich mir aufdrängte. Alles sieht sehr hochwertig aus und es wird einem nicht langweilig beim anschauen.

NAI

Für den Nachmittag waren wir wieder verabredet, nämlich zum RauwKost Festival. Dabei handelte es sich um ein Happening, bei dem einige junge, talentierte Köche, eine Kostprobe ihres Könnens boten. An verschiedenen Ständen hatte jeder zwei bis drei Kleinigkeiten vorbereitet, wohin man gehen konnte und sich so den ganzen Nachmittag essend beschäftigen konnte. Es fand in alten Lagerhallen statt und bot damit ein kontrastreiches Bild zu den exklusiven Speisen. Und auch hier war zu beobachten und zu erfahren, dass viele sich auch Gedanken machen woher sie ihre Zutaten beziehen. Es wird auf Qualität geachtet, aber auch darauf, dass alles in einem vernünftigen Kontext mit Nachhaltigkeit und Herkunft steht.




Eindrücke vom Rauwkost

Wie ihr seht, ist diese Stadt unheimlich facettenreich und wenn man genau hinschaut, entdeckt man eine Kultur, die fortschrittlich in ihren Denken ist. Sie erfindet das Rad nicht neu, aber hält es mit den vorhandenen Mitteln am laufen. Man nutzt was da ist und macht etwas draus. Ich finde solche nachhaltigen Konzepte toll.
Abends waren wir dann noch in der Witte de Withstraat, wo wir uns auch in eine Kneipe setzten und den lauen Abend ausklingen ließen. Als wir losfahren wollten passierte es: Es gab einen kräftigen Regenschauer, bei dem wir uns erstmal in einer Hauseinfahrt unterstellten bis das gröbste vorüber war. So schnell wie es kam, war es auch wieder weg und wir nutzten den Moment und fuhren los. Zuhause angekommen, waren wir froh, dass wir fast trocken heimgekommen waren. Als wir kurz darauf aus dem Fenster schauten goss es wieder wie aus Eimern.
Der Tag der Abreise stand an und wir mussten noch unsere Fahrräder abgeben. Also sind wir zum Hauptbahnhof gefahren, haben die Räder abgegeben und bezahlt. Ganz easy und unkompliziert. Auf dem Weg zurück haben wir dann noch gefrühstückt. Der Laden ist nahe am Bahnhof und heisst Ontbijtbar. Als wir zum bestellen an den Tresen gingen, sah ich auch ein bekanntes Gesicht, nämlich einen der Köche vom Vortag, mit dem ich mich unterhalten hatte als er noch gehobene Küche präsentierte. Nun stand er am Herd und bereitete Eggs Benedikt vor. Wieder ein Beispiel von Menschen die einfach machen und nicht nur machen lassen. Man ist sich nicht zu schade für irgendwas.
Die Frühstückskarte war wieder übersichtlich, aber auch hier fanden wir etwas und das schmeckte sehr gut. Warum aber ein Laden mit einem vernünftigen Konzept (lokale Produkte) auf Papptellern und -bechern serviert, ist mir schleierhaft.


 
Ontbijtbar

Ja, dann war es auch schon wieder vorbei und leider konnten wir uns aus Zeitgründen auch nicht mehr mit Martin und Lies treffen.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass Rotterdam eine sehr interessante Stadt ist, aber wir natürlich den Vorteil hatten zwei Insider zu haben, die uns die Stadt aus deren Sicht zeigten. So ist z.B. auch zu erklären, dass wir auf den Hafen komplett verzichteten und stattdessen z.B. das hervorragende Rauwkost-Festival besucht haben. Mir scheint, dass diese Stadt von vielen engagierten Menschen jeden Tag etwas besser gemacht wird und das sich dort sicher ein paar Dinge abschauen lassen, die auch woanders sinnvoll wären.
Vielen Dank euch beiden für die Zeit, die ihr euch genommen habt, und Glückwunsch zu einer interessanten Stadt in der ihr lebt. Wir kommen wieder!