Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 4. November 2014

Reisebericht Rotterdam 2014

Zugegeben, Rotterdam hat nicht jeder auf der Uhr, wenn es um einen Städtetrip geht, und wir auch nicht unbedingt, aber da schon seit Jahren gute Freunde von uns dort wohnen, war es höchste Zeit sie mal zu besuchen.
Nach Amsterdam wollen ja viele und das auch weitestgehend zurecht. Es ist eine schöne Stadt mit viel Kultur, Geschichte und Drogen...  Was aber fällt euch zu Rotterdam ein? Gut, der größte Hafen Europas dürften die meisten wissen, aber was sonst noch? Nun, um das zu erkunden sind wir dorthin, was natürlich auch dadurch erleichtert wurde, dass unsere Freunde dort leben. Sie hatten sich netterweise Zeit genommen um uns ein bisschen was zu zeigen und zu erzählen.
Kommt doch einfach mit und erfahrt auch mehr.



Wir sind mit dem Auto gefahren und hatten die Tour in etwa 6 Std geschafft, und das obwohl wir über eine Std im Stau standen. Die Unterkunft haben wir bei airbnb gebucht und vorher die Übergabe der Schlüssel an unsere Freunde organisiert, da die Vermieterin nicht da war. Aber das lief so glatt wie man es sich nur wünschen kann, und dieser Eindruck sollte sich im Laufe der kommenden Tage noch weiter bestätigen.

netter Ausblick

Unsere Unterkunft war auf der Insel Noordereiland, die etwas südlich des Stadtkerns liegt, aber noch so nah, dass man gut von dort überall hinkommt. In einer ruhigen Straße lag die Wohnung und bei dieser sah man auch, dass jemand darin lebt und sie nicht nur Vermietungszwecken dient. Wir fühlten uns gleich wohl dort, aber für zu langes Verweilen blieb keine Zeit, denn Martin war schon mit seinem Sohn gekommen um uns auf einen Spaziergang mitzunehmen.

Nieuwe Maas mit Nordereiland (links) und City

Der führte uns erstmal um die halbe Insel, wo wir positive Eindrücke gewannen. Auffällig waren doch einige Hochhäuser entlang der Maas, die der Stadt einen modernen Touch geben. Aber wer die Geschichte der Stadt kennt, weiß, dass dies auch selbsterklärend ist, denn im 2. WK ließen die Deutschen im Zentrum kaum einen Stein auf dem anderen, weswegen eine Altstadt und entsprechende Bausubstanz praktisch nicht existiert. Von diesem Ereignis zeugen auch vereinzelte Mahnmale, die entlang der äußeren Zerstörungsgrenzen aufgestellt wurden um das Ausmaß zu verdeutlichen.



Nordereiland und Mahnmal

Aber der Tag war eigentlich zu schön um sich in solchen Gedanken zu verlieren und ich täte der Stadt hier Unrecht wenn ich sie auf die Erinnerung an dieses Ereignis reduzieren würde. Denn ganz das Gegenteil ist der Fall. Die Sonne schien vom blauen Himmel und wir verließen die Insel und kamen nach Kop van Zuid. Das ist ein neuer Stadtteil... nein, eigentlich ein alter Stadtteil, der neu bebaut wurde. Früher einmal ein Gebiet, das zum Hafen zählte, ist es heute ein schickes Wohnviertel, in dem neben vielen neuen Gebäuden auch alte Hallen und Depots umfunktioniert wurden. Es wurde urbanisiert, um die Lücke zwischen dem Zentrum an der nördlichen Seite der Maas, und den südlichen Stadtteilen zu schließen.

Erasmusbrücke

Ein Bauwerk, dass die Blicke in der Umgebung auf sich zieht, ist die Erasmusbrücke, die man auch als Fußgänger und Radfahrer überqueren kann. Durch ihre Assymetrie will man meinen, dass irgendwas nicht stimmt, aber ich finde auch, dass sie sehr gut ins Stadtbild dieses neuen Viertels passt, wo eh viele Gebäude von den normalen Konventionen der Architektur abweichen.
Wir waren schon eine Weile unterwegs und kehrten in ein Cafe direkt unter der Brücke ein, das Grand Cafe Prachtig. Eine Mischung aus Straßencafe und Beachclub erwartete uns und für das Wetter war es genau das richtige, denn hier konnten wir uns in Sessel fleezen und neben kühlen Getränken gab es noch leckere Kleinigkeiten zu essen. Empfehlenswert ist der "Hot Snack Tray", der diverse holländische Snacks beinhaltet.

Café Prachtig

Auf dem Weg ins und durch das Zentrum war es irgendwie wie irgendwo in Deutschland. Eine typische Innenstadt mit vielen Läden und Cafés, also nix besonderes. Doch halt, etwas war anders: nämlich die Horden an Radfahrern. Überall waren sie und es gab auch überall Radwege, entlang jeder Straße. Der Verkehr ist voll auf die Radler abgerichtet und eigentlich ist es ja auch klar: Die Stadt ist flach wie ein Brett und wenn man die Parkplätze so anschaut (wir haben jedenfalls wenige gesehen) dann bleibt eigentlich nur das Bike. Aber was uns am meisten gefallen hat, ist dass es wirklich gesittet zuging. Keine Rowdys oder sonstige Ausfälle, nein. Der Verkehr lief reibungslos und wie ich finde kann man dort (und auch anderswo in NL) auch gute Beispiele für die Städteplanung in Deutschland finden.



Ein paar Grachten

Was natürlich auch auffällt sind die vielen kleinen Kanäle. Aber im Gegensatz zu Amsterdam haben sie scheinbar nicht die Bedeutung für die Stadt, denn nur die größeren, ehemaligen Hafenanlagen werden aktiv genutzt. Ein Kanal, der ein solches Schattendasein fristet und wahrscheinlich tot wäre, wenn nicht noch ein paar Enten und Schwäne dort leben würden, ist die Steigersgracht. Aber wie Martin uns erzählte, gibt es Pläne dafür. Es gab wohl einen Ideenwettbewerb, dessen bester Vorschlag in die Tat umgesetzt werden soll. Es gewann ein Vorschlag der den Umbau zu einer Surfwelle, wie dem Eiskanal in München, vorsieht. Einen bereits umgesetzten Entwurf konnten wir gleich nebenan sehen, nämlich die neue Markthalle. Sie hatte erst vor wenigen Tagen eröffnet und entsprechend groß war der Andrang. Aber  auch hier wieder pfiffige Details. Die Halle ist eine Fusion aus Verkaufsfläche und Wohnungen, die wohl alle einen Blick aufs Geschehen bieten. Wirklich beeindruckend, wenn man davon absieht, dass es mehr ein Feinkosttempel ist als eine Markthalle, denn Bauern die ihr Gemüse verkaufen haben wir dort nicht gesehen. Dafür aber gab es Serrano, Smoothies und andere Leckereien.


Markthalle

Direkt gegenüber befindet sich eine weitere Attraktion der Stadt. Die Würfelhäuser oder Kubuswoningen. Das sind kleine Wohneinheiten, die in Würfelform gebaut und von Piet Blom erdacht wurden. Man kann sie sich auch aus der Nähe ansehen, denn eine kleine Passage führt zwischen ihnen durch.


Kubuswoningen

Wie ihr seht, und uns ging es nicht anders, lebt Rotterdam von einer großen Kreativität. Man merkt förmlich, dass ein Bestreben existiert die Stadt nicht nur zu verbessern, sondern auch attraktiver zu machen. Ich weiß nicht, ob es aus der Historie herrührt, aber es scheint eine sehr einfallsreiche Community zu geben, die auch die Möglichkeiten vorfindet sich auszutoben. Martin bestätigte auch, dass es viele Menschen im Dienstleistungssektor gibt und auch viele Menschen die sich in irgendeiner Form selbstständig machen und ihre Ideen verwirklichen.
Auf unserem weiteren Streifzug durch die Stadt musste ich meinen Eindruck von weiter oben etwas revidieren. Der Vergleich mit einer x-beliebigen Stadt hinkt, denn was wir zwischen Marktplatz und Rathaus sahen, war durchaus ansprechend und hatte seinen eigenen Charme. Kleine Läden reihten sich an schmale Wohnhäuser und überall saßen Leute draußen und das nicht immer in Cafés, sondern manchmal auch vor der eigenen Haustür, auf einer eigenen Bank. Unser Ziel war der Biergarten Rotterdam, der von einem Freund Martins betrieben wird. Ok, es war nicht so urig wie in Bayern, aber das hätte auch nicht gepasst. Vielmehr war es ein Hinterhof wo sich junge und junggebliebene Leute auf ein paar Bier trafen und auch was vom Grill essen konnten (Tip hier: die Currywurst!). Quasi ein alternativer Biergarten.

Am Hbf

Von dort ist es nicht weit zum Hauptbahnhof, unserem nächsten Ziel, denn Martin wollte uns mobil machen, sprich Räder verpassen. Der Fahrradverleih war dem Verkehrsaufkommen auf den Straßen angemessen. Neben einer Fahrradgarage für private Räder, in der hunderte Bikes Platz hatten, gab es eine stattliche Anzahl an Leihrädern. Sowas hab ich noch nie gesehen! Nach wenigen Minuten hatten wir dann einen fahrbaren Untersatz und konnten zu Martin nach Hause zuckeln. Obwohl es ein ungewohntes Gefühl war auf so einem Hollandrad zu sitzen (wir fahren MTB), ist es gar nicht schlecht mit dem steilen Sitz- und Lenkwinkel, denn auf den flachen Straßen ist eine aufrechte Sitzposition durchaus von Vorteil.

übersichtlicher Fahrradkeller

Wir fuhren und schoben unsere Räder durch das Zentrum und man merkte es war Feierabend und das Wochenende stand vor der Tür. Es gab kaum eine Tür/Fenster vor dem nichts los war. Die ganze Stadt schien auf den Beinen und die fast schon südländische Lebensfreude war spürbar. Genau dafür mag ich die Holländer: irgendwie immer gut drauf.
Zuhause bei Martin und Lies gab es ein typisch holländisches Gericht zu abend. Es war eine Art Grünkohl und Pinkel. Kartoffelstampf mit Grünkohl und einer herzhaften Wurst. Einfach aber sehr lecker. Und auch das gefiel mir: Es muß nicht immer alles bling-bling sein. Manchmal sind es die einfachen Sachen die den größten Effekt erzielen. Und so entwickelte sich ein netter Abend mit interessanten Gesprächen bis wir irgendwann den Heimweg antreten mussten. Wir hatten ja das "Handicap" mit den Bikes, aber es sollte uns ja schließlich flexibler machen. Und so fuhren wir dann los und schon bald waren wir in diesen Lifestyle eingetaucht. Nix Taxi, sondern ganz oldschool mit dem Rad nach Hause. Es lief alles glatt und wir haben uns nicht einmal verfahren.
Am nächsten morgen organisierten wir uns selbst, denn Martin hatte erst nachmittags Zeit. Die Tochter musste noch etwas für die Schule machen und so beschlossen wir, nach dem Frühstück würden wir Lea ins Apartment bringen und wir würden weiterfahren. Aber erstmal frühstücken. In irgendeiner App fanden wir einen Laden, der uns gefiel. Dazu muß man wissen, dass es nicht wirklich einfach ist ein Café zu finden, das so üppige Frühstücksauswahl hat. Man muss schon schauen ob die üblicherweise kleinen Karten dem eigenen Wunsch und Geschmack entsprechen. Wir sind dann also zum Picknick, einem Laden der nachhaltige und regionale Zutaten hat. Die Karte war wirklich übersichtlich, aber wir wurden fündig und hatten ein leckeres Frühstück, u.a. mit frischem Brot und gutem Espresso.

Das war lecker!

Nachdem wir Lea im Apartment abgeliefert hatten, schlug Kathrin vor zu einem Fleckchen zu fahren, dass den Krieg überstanden hat. Und wieder schwangen wir uns auf die Räder (inzwischen war es schon selbstverständlich geworden so mobil zu sein) und fuhren ins historische Delfshaven. Dieses Viertel wurde von den Bomben weitestgehend verschont und hier findet man Rotterdam wie man es sich vorstellt und wie es einmal ausgesehen hat. Viele schöne historische Gebäude und am Ende steht eine große Windmühle. Es war wie Disneyland auf holländisch.



Delfshaven

Auf dem Rückweg machten wir noch eine Pause im Café des NAI. Das NAI ist das Niederländische Architektur Institut, und wir waren im Herzen der Rotterdamer Architekturschule. Ich hatte ja schon erwähnt, dass dort viel gebaut wird und das hinter vielem auch architektonisch Anspruchsvolles steckt. Nicht ohne Grund wird Rotterdam auch die Hauptstadt der Architektur in den Niederlanden genannt. Überall sieht man interessante Bauten. Es wird viel gemacht und wenn man etwas anpackt, dann aber richtig, war der Eindruck, der sich mir aufdrängte. Alles sieht sehr hochwertig aus und es wird einem nicht langweilig beim anschauen.

NAI

Für den Nachmittag waren wir wieder verabredet, nämlich zum RauwKost Festival. Dabei handelte es sich um ein Happening, bei dem einige junge, talentierte Köche, eine Kostprobe ihres Könnens boten. An verschiedenen Ständen hatte jeder zwei bis drei Kleinigkeiten vorbereitet, wohin man gehen konnte und sich so den ganzen Nachmittag essend beschäftigen konnte. Es fand in alten Lagerhallen statt und bot damit ein kontrastreiches Bild zu den exklusiven Speisen. Und auch hier war zu beobachten und zu erfahren, dass viele sich auch Gedanken machen woher sie ihre Zutaten beziehen. Es wird auf Qualität geachtet, aber auch darauf, dass alles in einem vernünftigen Kontext mit Nachhaltigkeit und Herkunft steht.




Eindrücke vom Rauwkost

Wie ihr seht, ist diese Stadt unheimlich facettenreich und wenn man genau hinschaut, entdeckt man eine Kultur, die fortschrittlich in ihren Denken ist. Sie erfindet das Rad nicht neu, aber hält es mit den vorhandenen Mitteln am laufen. Man nutzt was da ist und macht etwas draus. Ich finde solche nachhaltigen Konzepte toll.
Abends waren wir dann noch in der Witte de Withstraat, wo wir uns auch in eine Kneipe setzten und den lauen Abend ausklingen ließen. Als wir losfahren wollten passierte es: Es gab einen kräftigen Regenschauer, bei dem wir uns erstmal in einer Hauseinfahrt unterstellten bis das gröbste vorüber war. So schnell wie es kam, war es auch wieder weg und wir nutzten den Moment und fuhren los. Zuhause angekommen, waren wir froh, dass wir fast trocken heimgekommen waren. Als wir kurz darauf aus dem Fenster schauten goss es wieder wie aus Eimern.
Der Tag der Abreise stand an und wir mussten noch unsere Fahrräder abgeben. Also sind wir zum Hauptbahnhof gefahren, haben die Räder abgegeben und bezahlt. Ganz easy und unkompliziert. Auf dem Weg zurück haben wir dann noch gefrühstückt. Der Laden ist nahe am Bahnhof und heisst Ontbijtbar. Als wir zum bestellen an den Tresen gingen, sah ich auch ein bekanntes Gesicht, nämlich einen der Köche vom Vortag, mit dem ich mich unterhalten hatte als er noch gehobene Küche präsentierte. Nun stand er am Herd und bereitete Eggs Benedikt vor. Wieder ein Beispiel von Menschen die einfach machen und nicht nur machen lassen. Man ist sich nicht zu schade für irgendwas.
Die Frühstückskarte war wieder übersichtlich, aber auch hier fanden wir etwas und das schmeckte sehr gut. Warum aber ein Laden mit einem vernünftigen Konzept (lokale Produkte) auf Papptellern und -bechern serviert, ist mir schleierhaft.


 
Ontbijtbar

Ja, dann war es auch schon wieder vorbei und leider konnten wir uns aus Zeitgründen auch nicht mehr mit Martin und Lies treffen.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass Rotterdam eine sehr interessante Stadt ist, aber wir natürlich den Vorteil hatten zwei Insider zu haben, die uns die Stadt aus deren Sicht zeigten. So ist z.B. auch zu erklären, dass wir auf den Hafen komplett verzichteten und stattdessen z.B. das hervorragende Rauwkost-Festival besucht haben. Mir scheint, dass diese Stadt von vielen engagierten Menschen jeden Tag etwas besser gemacht wird und das sich dort sicher ein paar Dinge abschauen lassen, die auch woanders sinnvoll wären.
Vielen Dank euch beiden für die Zeit, die ihr euch genommen habt, und Glückwunsch zu einer interessanten Stadt in der ihr lebt. Wir kommen wieder!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen