Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 16. November 2019

Lissabon 2019 - Streetart

Über Lissabon hatte ich ja in der Vergangenheit schon häufiger geschrieben und da wir immer mal wieder dort sind, will ich diesmal nur auf bestimmte Aspekte eingehen.


Wenn man an Streetart denkt, fallen einem Orte ein, wie New York, Berlin, London oder Barcelona. Lissabon dürfte eher eingefleischten Fans als Stadt mit wachsender Bedeutung in diesem Bereich ein Begriff sein. Dabei gibt es schon seit Jahren eine bedeutende Szene, die diese schöne Stadt noch etwas bereichert.




Zurück geht die Geschichte, wie fast überall, auf "Tags" und politische Texte an den Wänden, die um die Zeit der Nelkenrevolution 1974 auftauchten. Es war, damals wie heute, eine Möglichkeit ein Statement zu hinterlassen. Im Zuge der sich ausbreitenden Grafittiwelle in den 80ern, erreichten auch die ersten Wandmalereien Portugal in den 90ern.


Nicht in Berlin oder HH, sondern LX

Was damals noch als Vandalismus galt und eher schwer zugänglich war, ist im Laufe der Jahre zu wahren Kunstwerken geworden. Dabei haben sich auch die Techniken enorm entwickelt und sind teilweise hochkomplex.


Oft sieht man ganze Hausfassaden "behandelt"

Mir sind die Malereien und kleinen Aufkleber usw vor etwa 10 Jahren erstmals aufgefallen. Ob es mit der Weltwirtschaftskrise in Zusammenhang stand, oder nur ein natürlicher Prozess war, kann ich nicht sagen, aber ich denke, dass die vielen Gebäude und Flächen, die kaum gepflegt werden konnten, Einladungen waren um der Tristesse Einhalt zu gebieten und für etwas Farbe und Freude zu sorgen, und gleichtzeitig auch etwas auszudrücken.




Eine der ersten "organisierten" Plattformen war das Museu Efemero, das von einigen Aktivisten 2008 in Lissabon ins Leben gerufen wurde, und eine geduldete Weise war Streetart zu schaffen. Durch die Beteiligung der Pampero Fundacion, eines südamerikanischen Schnapsbrenners, mit dessen Hilfe  eine App entwickelt wurde, konnten Interessierte durch den Bairro Alto gelotst werden und die besten Objekte sehen. Dabei wurde Kunst geschaffen und wieder beseitigt. Nichts ist für immer und alles ist vergänglich, wie der Name Efemero schließen lässt. Es konnte also passieren, dass man an einem Tag Werk X ansehen konnte, und es ein paar Tage später durch ein anderes ersetzt worden war. Noch heute findet man im ganzen Viertel diverse Malereien internationaler Künstler. Ein guter Ausgangspunkt ist die Calcada da Gloria, wo auch die gleichnamige Standbahn verkehrt. Dort werden ständig neue Werke geschaffen.


Früher als Ausgangspunkt des Museu Efemero bekannt

In dem Maße wie die Krise um sich griff, hatte ich das Gefühl, dass die Kunstszene wuchs, und vor allem auf den Straßen, den Häusern, Ruinen und Wänden entfaltete sich das Potenzial ungehindert. In der Zeit als Portugal am Abgrund stand, gingen viele talentierte Menschen auf die Straßen hinaus und machten ihrem Unmut Luft. Man hätte meinen können, dass die schweren Zeiten eine Art Inkubator für das war, was noch kommen sollte.


An zwei völlig verschiedenen Orten...

In den vergangenen Jahren haben einige talentierte Künstler des Landes die Straße betreten, die sie inzwischen auch in die Welt hinaus geführt hat. Da wäre z.B. Vhils, der früher mal Graffittis gemalt hat, später aber eine einzigartige "Schnitztechnik" entwickelte, bei der er plastische Porträts, aber auch andere Motive, in die Wände ritzt. Dabei bedient er sich auch schweren Geräts, wie Presslufthammer oder Bohrmaschine.

Ein weiterer Künstler ist Odeith, ein phantastischer Freigeist, der unglaubliche 3D Malereien geschaffen hat, und längst in aller Welt zu hause ist. Ich empfehle mal in Youtube ein paar Clips von ihm anzusehen.

Add Fuel wiederum hat eine so simple wie geniale Idee gehabt. Er hat eines der urportugiesischsten Kunstprodukte genommen, und verpasst ihnen einen "freshen Look". Seine Azulejos bersten vor Details und Kleinigkeiten, die einem erst bei genauerer Betrachtung auffallen. Nebenbei verschönert er ganze Häuserzeilen mit seinen Ideen.


Originale alte und ältere Azulejos

Die Stadt ist inzwischen ein Tummelplatz für Künstler aus aller Welt. Das wird auch immer mehr erkannt und es gibt dutzende, wenn nicht hunderte, Auftragsarbeiten, die in unterschiedlichsten Gegenden der Stadt zu sehen sind. Das sind dann auch schonmal Arbeiten, die Tage dauern und ganze Häuserfassaden betreffen. Während es vor Jahren überwiegend im Zentrum der Stadt zu sehen war, tut sich inzwischen auch schon viel in anderen Vierteln. Ein guter Ort für Streetart ist die inzwischen allseits bekannte LX Factory, ein großer Co-Workspace, in dem sich aber auch alternative Läden und Gastronomie finden. Kunst ist dort auch ein großes Thema und so muss man nur rumlaufen und die Augen offenhalten. Im Viertel Graca findet man einige haushohe Kunstwerke, aber auch viele kleine Arbeiten, an denen man achtlos vorbeiläuft, wenn man nicht genau hinschaut.




LX Factory und Graca

Ein Geheimtipp befindet sich im Osten der Stadt, zwischen Sta Apolonia und Parque das Nacoes. Die Stadtteile dazwischen: Xabregas, Beato und Marvila haben sich zu kleinen Oasen der Kunst entwickelt. Sie sehen vielleicht noch nicht wirklich willkommen heißend aus, aber es tut sich einiges dort. Seit ein paar Jahren ist die Kunstszene dort sehr präsent. Zunächst nur einem kleinen Kreis Eingeweihter bekannt, ist inzwischen einiges passiert und die dort ansässigen Galerien haben Zuwachs bekommen in Form von Cafés, Restaurants und Bars. Alles noch auf recht kleiner Flamme, aber in 5 Jahren wird es dort sicherlich nicht mehr so beschaulich zugehen. Hier empfehle ich mal einen Abstecher zur Underdogs Gallery oder der Fabrica Braco de Ferro. Auch sonst findet sich noch viel Urban Art entlang der Straßen und auf vielen Wänden.




In Marvila

Das damit auch Geld verdient werden kann, muß ich ja nicht erwähnen. Inzwischen gehen Werke der "bekannteren" Künstler für 4-5stellige Summen über den Tisch. Wie man Kunst monetär bewertet ist immer etwas subjektiv. Der eine denkt 1000€ sind total überteuert, während ein anderer es für ein Schnäppchen hält. Man zahlt eben nicht für die Arbeit, sondern für die Vision.


 Bordalo II ist auch ein Künstler, der schon aus dem Schatten
des Underground herausgetreten ist.

Inzwischen ist Underground Overground, und umgekehrt. So waren wir während unseres Aufenthalts auf einer Banksy Ausstellung. Auch bei ihm nahm es den Anfang im Untergrund, und durch ein paar einprägsame Messages und einen festen Standpunkt in Sachen Gesellschaftskritik (und nicht zu vergessen: Glück), hat er sich zu einem Star und Vorreiter einer ganzen Szene aufgeschwungen. Ob ihm das so recht ist, sei mal dahingestellt. Die Ausstellung jedenfalls, hat mal einen guten Überblick über sein Schaffen und ein paar Stories hinter seinen Werken erzählt. Man glaubt gar nicht welche Kreativität hinter ein paar Stencils, wie die Spraytechnik heisst, steckt.


Wohl der bekannteste Vertreter des Urban Art

Naja, wenn man es genau nimmt, war die Stadt eigentlich schon seit vielen Jahrzehnten und Jahrhunderten sehr kunstaffin. Streetart war, noch bevor es dafür überhaupt einen Begriff gab, und ist heute noch überall gegenwärtig. Ganz im Sinne des eigentlichen Namens, findet die Kunst auf der Straße statt und es gibt viele namenslose Künstler, deren Werke man überall sehen kann. Manchmal steht man einfach nur darauf...




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen